BEAM Alliance fordert G20-Staaten zu mehr Unterstützung im Kampf gegen tödliche Superkeime auf
06.07.2017 -
Auf dem G20-Gipfel in Hamburg werden sich die Regierungschefs mit einer wachsenden globalen Gesundheitsbedrohung auseinandersetzen - den Antibiotikaresistenzen - die pro Jahr allein in Europa und den USA 50.000 Todesopfer fordern und weltweit mehr als 700.000 Todesfälle verursachen.
Der Fokus des G20-Gipfels liegt traditionell auf Weltwirtschaftsthemen. Im Verlauf der kommenden zwei Tage werden sich die politischen Führer, die in Hamburg zusammenkommen, aber auch mit einer wachsenden globalen Gesundheitsbedrohung auseinandersetzen - den Antibiotikaresistenzen. Die rasch ansteigende Zahl von multiresistenter Bakterien, sogenannten Superbugs, hat sich zu einem hoch-brisanten Thema entwickelt. Die Folge: Neue, wirksame Antibiotika werden dringend gebraucht. Das Thema hat längst auch eine ökonomische Dimension erreicht: "Wenn nichts gegen die zunehmende Bedrohung der Antibiotikaresistenzen unternommen wird, kann das die Weltwirtschaft mit 100 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2050 belasten", sagt Florence Séjourné, die Präsidentin der BEAM Alliance, die sich auf Schätzungen des O'Neill-Berichts aus dem Jahr 2016 beruft.
Wie kam es zu dieser verheerenden Situation? In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte die pharmazeutische Industrie - vom Amoxicillin bis zum Vancomycin - viele hocheffektive antibakterielle Wirkstoffe, um verbreitete Krankheitserreger zu bekämpfen. Diese Antibiotika waren so erfolgreich, dass bakterielle Infektionen nicht länger als wichtiges Feld der Medikamentenentwicklung galten und dementsprechend noch kaum noch neue Forschungsansätze verfolgt wurden. Weil die vorhandenen Medikamente viel zu häufig eingesetzt wurden, entwickelten die bakteriellen Krankheitserreger kontinuierlich Resistenzen gegen die meisten, in einigen Fällen sogar gegen alle verfügbaren Antibiotika. Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre hat die Welt den Kampf gegen bakterielle Infektionen verloren. Das gilt insbesondere - aber nicht nur - im Krankenhausumfeld, wo die Resistenzen gegen einige der wirksamsten antibakteriellen Wirkstoffe ständig zugenommen haben.
Das gemeinsame Ziel der mehr als 30 Mitgliedsunternehmen der BEAM Alliance ist es, lebensrettende Therapien gegen schwerwiegende bakterielle Infektionen zu entwickeln, um weiterhin auch in Zukunft wirksame antibakterielle Behandlungsmöglichkeiten sicherstellen zu können. Die innovativen antibakteriellen Pipelines der Unternehmen umfassen eine große Zahl von frühen Entwicklungsprogrammen sowie präklinische Wirkstoffkandidaten in späten Stadien, die auf die Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger ausgerichtet sind. Sie haben damit sehr viel mehr zu bieten als Big Pharma.
Die Pipeline der BEAM-Mitglieder umfasst mehr als 100 innovative antimikrobielle Produkte, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien zwischen frühen präklinischen Untersuchungen und klinischen Studien am Menschen befinden sowie ein neues, erst kürzlich zugelassenes Antibiotikum, das nun für Patienten erhältlich ist. Der Großteil der BEAM-Mitgliedsunternehmen ist denn auch auf die Entwicklung von Produkten zur Behandlung gefährlicher Krankheitserreger spezialisiert, die sich auf der kürzlich aktualisierten Liste der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) befinden. Sie umfasst all jene Besorgnis erregenden Krankheitserreger, denen die WHO hohe Priorität einräumt, weil sie weltweit die größten Gefahren darstellen.
Noch entscheidender: Die überwiegende Zahl der Mitglieder der BEAM Alliance arbeitet an innovativen Substanzen mit völlig neuen Wirkmechanismen und will somit genau jene Medikamente herstellen, die im Kampf gegen die steigende Zahl multiresistenter Mikroben so dringend benötigt werden. Zum Beispiel:
- Ein Wirkstoff mit neuartigem Wirkungsmechanismus gegen Pseudomonas - einem der Keime mit allerhöchster Priorität auf der WHO-Liste
- Substanzen, die zum Schutz und zur Stärkung einer gesunden Darmflora beitragen und somit lebensbedrohlichen Infektionen wie etwa mit Clostridium difficile vorbeugen können
- Moleküle, die an bakteriellen Transkriptionsfaktoren ansetzen, um Resistenzen, Biofilm-Bildung und Virulenz von Bakterien zu manipulieren, sodass existierende Antibiotika wieder erfolgreich wirken können
- Sogenannte Phagen, um schwere Hautinfektionen bei Verbrennungsopfern zu behandeln
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), aus denen sich die BEAM Alliance zusammensetzt, nehmen eine zentrale Position in der Wertschöpfungskette ein, da sie auf antimikrobielle Wirkstoffe ausgerichtet sind und somit eine reichhaltige Quelle für innovative neue Moleküle und Technologien darstellen. In den letzten zehn Jahren wurde jedes neue Antibiotikum, das auf den Markt kam, in irgendeinem Entwicklungsstadium auch in den Laboren von KMU-Forschern bearbeitet.
Da KMU aber keine Big Pharma-Unternehmen sind, sehen sich die Mitglieder der BEAM Alliance laufend mit der Herausforderung konfrontiert, ausreichend große Finanzquellen erschließen zu müssen. Die BEAM Alliance fordert deswegen unverzüglich Maßnahmen, die ihren Kampf gegen multiresistente Bakterien unterstützen. "Zahlreiche nationale und internationale Berichte präsentieren heute eine Bandbreite an Vorschlägen für verschiedene Anreizmaßnahmen zur Förderung von Innovationen im Bereich der antimikrobiellen Resistenz. Wir fordern die Regierungschefs der G20-Staaten auf, umgehend zu handeln und ihre Mitgliedsstaaten aufzufordern, konkrete Maßnahmen einschließlich Push- und Pull-Mechanismen einzuführen und den Zugang zu verfügbaren Finanzmitteln zu erleichtern, um einen Beitrag zur Wiederbelebung dieser Industrie zu leisten", sagt BEAM Alliance-Präsidentin Séjourné. "Auf diese Weise können wir erfolgreich innovative Produkte zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen entwickeln."
Bakterien entwickeln ihre Resistenz schneller als politische Entscheidungsträger Aktionsprogramme umsetzen. Um die antibakterielle Forschung wiederzubeleben und die Entwicklungspipeline auszuweiten, schlägt die BEAM Alliance kurzfristige Maßnahmen vor, für die die Führer der G20-Staaten umgehend ein Mandat erteilen sollen, sowie eine langfristige Strategie, um antimikrobielle Resistenzen heute und in Zukunft zu bekämpfen.
- Maßnahme Nr. 1 - PULL-Anreize: Forderung nach robusten Marktanreizen, die auf nationaler Ebene eingeführt werden (z.B. Steuererleichterungen, verlängerte Marktexklusivität, geänderte Preismodelle), und als Schlüsselelement ein weltweit gültiges Bonussystem für den Markteintritt (sogenanntes Market-Entry-Reward-Systems, MER). Zudem eine frühe Kennzeichnung von entsprechenden Wirkstoffen (ähnlich der Einstufung als Qualified Infectious Diesease Product in den USA), die eine angemessene Rendite gewährleistet. Bereits implementierte Systeme müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden, um langfristige Effektivität sicherzustellen und auf das Ziel einer globalen Entwicklung und Harmonisierung hinzuarbeiten.
- Maßnahme Nr. 2 - PUSH-Anreize: Ausweitung verfügbarer Finanzmittel für antibakterielle Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten und deutlich verbesserter Zugang für KMU. Derzeit verfügbare staatliche Fördermaßnahmen, einschließlich der EU-Mittel, sind an den Bedürfnissen von Big Pharma-Unternehmen ausgerichtet. Sie erfordern die Teilnahme an komplexen Konsortien und bringen kaum zu bewältigende administrative und betriebliche Belastungen mit sich. Es ist deshalb erforderlich, die Verfügbarkeit nicht verwässernder Finanzierungen, die passgenau auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren biopharmazeutischen Unternehmen zugeschnitten sind, auszubauen, und dabei einen Schwerpunkt zu legen auf die Finanzierung von Projekten in frühen Entwicklungsstadien (von der Entdeckung eines Wirkstoffes bis zum Nachweis seiner klinischen Wirksamkeit).
- Maßnahme Nr. 3 - Regulationswege weiter verbessern: Es ist notwendig, dass nationale Gesundheitsbehörden beschleunigte und vereinfachte Prozesse in der Entwicklung und Zulassung von innovativen Produkten, die gegen antimikrobielle Resistenz gerichtet sind, definieren. Vor allem sollten nationale Behörden an ihren Bemühungen festhalten, klare regulatorische Richtlinien für die Entwicklung von antibakteriellen Produkten einschließlich adaptiver Studiendesigns für neuartige innovative Ansätze zu harmonisieren, die viel KMU entwickeln: etwa für kleine Moleküle, Biologika, Prophylaktika, Diagnostika, Immuntherapeutika, Mikrobiom- und Phagen basierte Therapieansätze und Anti-Biofilm-Therapeutika.
- Langzeit-Strategie: Anerkennung des gesellschaftlichen Nutzens von antimikrobiellen Medikamenten: Alle beteiligten Akteure, insbesondere Regierungen, Zulassungsbehörden und diejenigen, die die Produkte bezahlen, sollten den gesellschaftlichen Mehrwert von Antibiotika im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen in angemessener Weise berücksichtigen und nicht außer Acht lassen, dass dieser Wert den direkten individuellen Nutzen übersteigt. Dieser Wert muss in Zahlungs- und Anreizsysteme übersetzt werden. Zudem müssen gezielte Maßnahmen angestoßen werden, die die Forschungs- und Entwicklungslandschaft für neue antimikrobielle Lösungen auf allen Ebenen stärken: Es sollte dabei unbedingt sichergestellt werden, dass die starke europäische Expertise, die bisher auf allen Ebenen der der Medikamentenentwicklung besteht, gewahrt bleibt. Vor allem, seit sich die Industrie mit rückläufigen Investments in die Entwicklung von antibakteriellen Arzneimitteln konfrontiert sieht.
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