Hygiene

Insulin-Impfung: Erste Hürde erfolgreich angenommen

27.07.2015 -

Den ersten Schritt hin zu einer präventiven Insulin-Impfung gegen Typ-1-Diabetes haben Wissenschaftler des DFG Center for Regenerative Therapies Dresden an der TU Dresden sowie des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, zusammen mit Forschern aus Wien, Bristol und Denver (USA) erfolgreich vollzogen.

Wie die Diabetesforscher deuten Auswertungen der internationalen Pre-POINT Studie auf eine positive Immunreaktion bei Risikopersonen hin, denen Insulin oral verabreicht wurde. Zu Nebenwirkungen wie einer Unterzuckerung kam es dagegen nicht. Im nächsten Schritt soll jetzt getestet werden, ob eine Insulin-Impfung den Ausbruch der Erkrankung dauerhaft verhindern kann.

Wer Diabetes Typ 1 hat, muss sein Leben lang mehrmals am Tag Insulin spritzen. Bei dieser Autoimmunerkrankung zerstört das körpereigene Immunsystem in der Regel bereits im Kindesalter die Insulin produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Ausgelöst wird die Autoimmunreaktion durch Antigene, wie z. B. das Insulin selbst, die der Organismus fälschlicherweise als „Fremdkörper“ einstuft und bekämpft. Im Normalfall baut das Immunsystem dagegen in den ersten Lebensjahren eine Immuntoleranz gegen die körpereigenen Proteine auf, so dass es nicht zu einer Autoimmunreaktion kommt. Zusätzlich werden Zellen bereitgestellt, welche die Zerstörung der eigenen Zellen verhindern. Diese positive Immunantwort soll mithilfe der Insulin-Impfung „antrainiert“ werden.

Keine unerwünschten Nebenwirkungen

In der Pre-POINT-Studie wurden Kinder mit einem hohen Erkrankungsrisiko für Typ-1-Diabetes in Deutschland, Österreich, den Vereinigten Staaten und Großbritannien über durchschnittlich ein halbes Jahr einmal täglich mit oralem Insulin behandelt. Die Kontrollgruppe erhielt nur ein wirkungsloses Placebo. Die Gruppe mit dem Wirkstoff nahm das Insulin in unterschiedlicher, im Laufe der Monate ansteigender Dosis als Pulver zusammen mit der Nahrung ein. In der höchsten Dosis (67,5 mg) rief das Insulinpulver schließlich die gewünschte Immunantwort hervor. „Ein wichtiger Befund war zu sehen, dass es keine unerwünschten Nebenwirkungen gab“, kommentiert Studienleiter Prof. Ezio Bonifacio vom TUD-Center for Regenerative Therapies das Ergebnis. „Das zeigt, dass wir die regulären Vorgänge im Körper eines gesunden Kindes, die eine Typ-1-Diabetes-Erkrankung verhindern, erfolgreich nachgeahmt haben.“ Da das Insulin in dieser Verabreichungsform im Magen aufgespalten wird, hatte es keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. „Wir vermuten, dass der Hauptanteil der Immunantwort auf das Insulin bereits im Mund abläuft“, ergänzt Bonifacio.

Einzigartig ist bei dieser Doppel-Blind-Studie nach Ansicht von Prof. Anette-Gabriele Ziegler vom ebenfalls beteiligten Institut für Diabetesforschung, dass das Insulin prophylaktisch als Impfstoff zu einem Zeitpunkt verabreicht wurde, an dem die Kinder noch keine Autoimmunreaktion – das heißt noch keine Autoantikörper – entwickelt hatten. „Dies ist eine Revolution bei der Behandlung von Typ-1-Diabetes“, so Ziegler. „Aber die Vorgehensweise ist nur folgerichtig: Wenn das Immunsystem die schützende Immunantwort nicht von selbst lernt, muss die Medizin eben ein bisschen Nachhilfe geben.“

Die Studienergebnisse werden auch von der amerikanischen JDRF (Juvenile Diabetes Research Foundation), die das Projekt mit Fördergeldern unterstützt hat, positiv gewertet: „Die Ergebnisse der Pre-POINT-Studie sind uns ein Ansporn, ein erster Schritt dahin, Typ-1-Diabetes bei Kindern mit hohem Erkrankungsrisiko möglicherweise verhindern zu können“, sagt Julia Greenstein, Vizepräsidentin des Bereiches Discovery Research. „Dies ist eine bedeutende Erkenntnis, und hinsichtlich der Mission der JDRF, eine Welt ohne Typ-1-Diabetes zu realisieren, sind diese Studienergebnisse aufregend und bringen uns einen Schritt näher und in Sichtweite an die Möglichkeit einer oralen Impfstrategie zur Prävention dieser Erkrankung heran.“

In nachfolgenden Studien soll nun eine größere Anzahl von Babys, die Typ-1-Diabetes-Risikogene und erkrankte Verwandte und somit ein hohes Erkrankungsrisiko haben, mit Insulin behandelt werden. Sollte der Impfstoff die Autoimmunerkrankung dauerhaft verhindern, wäre der Weg frei für eine flächendeckende Vorsorgeimpfung.

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