Hygiene

Alles Müll, oder was?

26.10.2020 - Mit Mehrwegstrategie Ressourcen und Geld sparen – und gegenwärtig eine ausreichende Versorgung sichern.

Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden stellt sich der Herausforderung eines ökologisch orientierten Krankenhausbetriebs. Umweltrelevante Ressourcen lassen sich nur mit geeigneter Infrastruktur und motivierten Mitarbeitern einsparen.

Hoher Ressourcenbedarf im Klinikbetrieb

Bei der stationären Krankenversorgung bewegt sich Deutschland im internationalen Vergleich auf höchstem Niveau: Allein die Bruttowertschöpfung der Krankenhäuser lag im Jahr 2016 bei 67,6 Mrd. € – Tendenz steigend. Insgesamt 1,2 Mio. Beschäftigte kümmern sich um das Wohl der Klinikpatienten. Krankenhäuser nehmen dafür enorme Ressourcen in Anspruch und haben damit eine beachtliche Relevanz für die Umwelt. Für die Behandlung eines Krankenhauspatienten wird am Tag durchschnittlich 80 kWh Wärmeenergie, bis zu 30 kWh elektrischer Energie und die beachtliche Menge von 500 l Wasser benötigt. Außerdem wird etwa 6 kg Abfall pro Patient und Tag erzeugt. Ein Normalbürger braucht nur ein Sechstel dieser Menge.

Umweltschutz als Erfolgsfaktor?

Nach einer durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten repräsentativen Umfrage zu Hemmnissen bezüglich einer nachhaltigen Entwicklung in Kliniken gaben bereits im Jahr 2004 zwei Drittel der Krankenhäuser an, sie hätten bereits Maßnahmen im Bereich Umweltschutz umgesetzt. Die übrigen betonten allerdings, dass ihr Krankenhaus ein geringes Engagement im Umweltschutz zeige. Umweltschutz als Weg, sich am Markt von anderen Krankenhäusern zu differenzieren, gewinnt zwar auch in Einrichtungen des Gesundheitswesens zunehmend an Bedeutung. Als wichtiger, zukunftsorientierter Erfolgsfaktor für die Außendarstellung gegenüber Patienten oder Krankenkassen wird Umweltschutz jedoch noch nicht angesehen. In den Jahresberichten von Krankenhäusern kommt Umweltschutz oder Nachhaltigkeit meist nicht vor. Umweltschutzmaßnahmen sind im Gesundheitswesen jedoch bereits seit Jahren dort etabliert, wo sie nicht als ökologisches Prinzip, sondern als Mittel zur Kostenminimierung angesehen werden und als solches tatsächlich fungieren.

Müllvolumen steigt mit der Fallschwere

Am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden fielen auch 2019 – im siebenten Jahr gezielter Umsteuerung – insgesamt 2.913 Tonnen Abfall an – pro Tag acht Tonnen. Die Entsorgungskosten von jährlich rund 600.000 € sind beträchtlich. Tendenz steigend. Im Fall des Dresdner Uniklinikums ist dafür aber nicht mehr der zahlenmäßige Anstieg der hier behandelten Patienten verantwortlich, sondern der deutliche Aufwuchs an besonders schwer Erkrankten (Fallschwere). Ablesbar ist dieser Trend am Mehrverbrauch von Handschuhen, Spritzen, Infusionsbestecken, Schläuchen – vieles davon sind Einwegmaterialien. Kein Wunder also, dass sich die Gesundheitsindustrie zum fünftgrößten Müllproduzenten in Deutschland entwickelt hat.

Umweltschonender und sparsamer Ressourcenverbrauch

Der Vorstand des Dresdner Uniklinikums wollte sich mit dieser Entwicklung nicht abfinden. Mit über 6.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Region, hat er die Verantwortung für einen umweltschonenden und sparsamen Ressourcenverbrauch zusätzlich zu den Kernaufgaben eines Supra-Maximalversorgers übernommen.

Dazu wurde 2012 die Arbeitsgruppe „Carus Green“ gegründet. Das vom Vorstand unterstützte, fächer- und berufsgruppenübergreifende Team wird seit Anbeginn von der Autorin dieses Beitrags geleitet. „Carus Green“ ist für zahlreiche Projekte zum nachhaltigen Wirtschaften, Ressourcen schonen und der Abfallreduktion verantwortlich. Ein Beispiel hierfür sind die zunehmend den Markt erobernden Einwegprodukte für den OP-Saal, welche Kliniken von der Verantwortung entbinden, Mehrweg-Medizinprodukte aufzubereiten. Durch den im Voraus komplett zu kalkulierenden Preis ihrer Nutzung scheinen Einwegprodukte eine wirtschaftliche Alternative zu sein. Allerdings verbrauchen sie unnötige Ressourcen und verursachen viel Abfall. Um hier wirksam gegenzusteuern, bedarf es einiger Grundvoraussetzungen. Mitarbeiter müssen Verständnis für das nachhaltige Wirtschaften zeigen. Und es braucht eine leistungsfähige wie flexible Infrastruktur zur Abfallentsorgung – um beispielsweise Wertstoffe gut separieren zu können.

SARS-CoV-2-Pandemie zwingt zum Umdenken

Während der SARS-CoV-2-Pandemie im Frühjahr 2020 erhielt der Mehrweg-Gedanke am Uniklinikum eine ganz neue Dimension: Viele Krankenhäuser haben die Grenzen einer Strategie zu spüren bekommen, die vorranging auf Einwegprodukte setzt. Beatmungsschläuche, Gesichtsmasken und Schutzkleidung werden gegenwärtig meist in Asien produziert und waren von einem auf den anderen Tag nicht mehr lieferbar. Die traditionell für diese Aufgabe verwendeten Mehrwegatemschläuche und -schutzmäntel wurden bereits vor Jahren entsorgt. In zahlreichen Krankenhäusern sind Einweg-OP-Mäntel nach wie vor Mangelware.

Es hat sich hier gegenwärtig als eindeutiger Vorteil erwiesen, dass seit Jahrzehnten im Universitätsklinikum Dresden überwiegend waschbare Mehrweg-OP-Mäntel zum Einsatz kommen. Durch die Versorgungsengpässe wurde der Entschluss gefasst, diese, jetzt aber nicht sterilisierten, Produkte auch als Schutzmäntel einzusetzen. Das sorgt nicht nur für eine zuverlässige Verfügbarkeit, sondern spart dem Klinikum jedes Jahr 1,5 Tonnen Verpackungsabfall und neun Tonnen krankenhausspezifischen Abfall (B- Abfall). Außerdem sind in den letzten Monaten die Kosten für Einweg-OP-Mäntel deutlich gestiegen.

Ressourcenschonung: Aufbereitung, Mehrweg und Papierverbrauch

Die Aufbereitung von Medizinprodukten kann generell Ressourcen schonen. Das Universitätsklinikum Dresden verzichtet z.B. komplett auf Einweg-Visiten-Instrumente (z.B. Scheren, Klemmen, Pinzetten). Diese stammen mit höchster Wahrscheinlichkeit aus nicht nachhaltiger Produktion. Außerdem ist die Oberfläche häufig nicht passiviert. Gelangen sie aus Versehen in das Aufbereitungsverfahren der Gesundheitseinrichtung, kann Rost den gesamten Instrumentenbestand gefährden. Im Dresdner Uniklinikum werden immerhin täglich rund 1.500 OP-Siebe aufbereitet.

Auch außerhalb des OP lassen sich Ressourcen schonen: etwa bei den Abwürfen wiederverwendbarer Berufsbekleidung. Das Uniklinikum nutzt dafür Mehrweggewebe- statt Kunststoffsäcke. Durch den Einsatz von rund 100.000 dieser Säcke werden pro Jahr vier Tonnen weniger Kunststoff verbraucht. Ein weiteres Beispiel sind Papierkörbe. Für Behälter in Bürobereichen und Pflegestützpunkten, in denen konsequent nur Papier gesammelt wird, ist kein Plastikbeutel notwendig. Das Uniklinikum spart auf diese Weise jährlich 300.000 Beutel und etwa 10.000 €. Zudem werden so 1,5 Tonnen Rohstoff weniger verbraucht.

Auch Papier lässt sich unkompliziert reduzieren – beispielsweise durch Verzicht gedruckter Zeitschriften, Loseblattsammlungen und Weihnachtskarten, die Verwendung digitaler Gehaltszettel und durch das doppelseitige Ausdrucken von Dokumenten. Weil gegenwärtig 61% des im Uniklinikum genutzten Papiers Recyclingqualität aufweist, werden zudem jährlich rund 5,5 Tonnen Holz und etwa 7.000 € gespart.

Auch beim Mittagessen im Betriebsrestaurant „Caruso“ lässt sich Müll vermeiden: Hier können Gäste Mehrwegbehälter erwerben und wiederholt nutzen. Auf Einwegverpackungen gibt es zudem einen Preisaufschlag. Das betrifft auch die To-Go-Becher. Somit lassen sich perspektivisch bis zu 1,6 Tonnen Einweggeschirr einsparen. Während der SARS-CoV-2-Pandemie geht das gegenwärtig allerdings nicht.

Umweltpreis für nachhaltiges Denken und Handeln

Dieses nachhaltige Denken und Handeln wird natürlich auch in die Außendarstellung des Universitätsklinikums Dresden einbezogen. Bereits im Jahr 2015 wurde dem Klinikum einer der Umweltpreise des Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft für umweltorientierte Unternehmensführung verliehen. Mit dem Preisgeld wurden verschiedene nachhaltige Projekte unterstützt.

Autoren: Dipl.-Ing. Monika Brandt, Beauftragte für Umweltschutz und Abfall, Bereich Krankenhaushygiene und Umweltschutz, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Kontakt

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus ­Dresden

Fetscherstr. 74
01307 ­Dresden
Deutschland

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