Gesundheitspolitik

„Attraktiver Arbeitgeber“ – das ist eine Marke

30.07.2024 - Personalattraktivität ist zu einem zentralen Problem in Kliniken gereift.

Mit einem „Employer Branding‘“ lassen sich Gesundheitsbetriebe zu einem werthaltigen Symbol aufwerten, sagt Prof. Marion Büttgen, Uni Hohenheim im Gespräch mit Bernd Waßmann, Herrenberg.

M&K: Personalgewinnung gehört zu den vordringlichsten Aufgaben im Klinikmanagement. Sind Stress und mäßige Bezahlung die wesentlichen Gründe für Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu gewinnen?

Prof. Marion Büttgen: Dies sind auf jeden Fall wesentliche Punkte, die es für Kliniken schwierig machen, gute Mitarbeitende zu finden. Vor allem der zunehmende Stress im Klinikbetrieb, der auch in den Medien immer wieder thematisiert wird, trägt nicht zur Attraktivitätssteigerung von Kliniken als Arbeitgeber bei. In Zeiten, in denen eine gute Work-Life-Balance zu einem immer bedeutenderen Faktor bei der Job- und Arbeitgeberwahl wird, spielt dies eine zentrale Rolle.

Als ein entscheidender Pluspunkt bei der Suche nach neuen Kollegen gilt das Employer Branding. Wie genau lässt sich das definieren?

Büttgen: Eine komprimierte und häufig in (deutschsprachigen) wissenschaftlichen Arbeiten zitierte Definition lautet: „Employer Branding ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber."

Wer im Unternehmen Klinik muss sich verantwortlich fühlen?

Büttgen: Hier wären verschiedene Akteure zu nennen. Zunächst natürlich die Klinikleitung, die die das Unternehmen nach außen und innen repräsentiert. Aber auch das Personalmanagement und nicht zuletzt jede Führungskraft, die in Einstellungsprozesse involviert ist und die Unternehmenskultur lebt und diese (bewusst und unbewusst) kommuniziert.

Der Arbeitsmarkt ist längst zum Bewerbermarkt mutiert. Wie brandet man den Arbeitgeber „Gesundheitsdienstleister“?

Büttgen: Ein differenziertes und auf Gesundheitsdienstleister spezifiziertes Verständnis von Employer Branding könnte lauten: Employer Branding für einen Gesundheitsdienstleister als Arbeitgeber ist ein strategischer Prozess, der darauf abzielt, eine starke und attraktive Arbeitgebermarke zu entwickeln, indem die Werte des Unternehmens, seine Patientenorientierung und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt gestellt werden.

Dies umfasst die Schaffung einer positiven Unternehmenskultur, die es ermöglicht, hochqualifizierte Fachkräfte anzuziehen, zu halten und zu motivieren, die engagiert sind, exzellente medizinische Versorgung zu bieten und das Wohlergehen der Patienten zu gewährleisten. Durch eine authentische Kommunikation dieser Werte und die Bereitstellung eines unterstützenden Arbeitsumfelds kann es dem Gesundheitsdienstleister gelingen, sowohl intern als auch extern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.

Wie bemerken dies das Bestandspersonal und die potentiellen Arbeitnehmer? Welche Kanäle müssen die Gesundheitsdienstleister bespielen?

Büttgen: Gegenüber dem Bestandspersonal spielt das „Internal Branding“ eine entscheidende Rolle, das nicht vernachlässigt werden sollte. Hier spielen neben internen Kommunikationsmedien wie dem Intranet oder Newslettern auch Personalentwicklungsangebote des HRM sowie die konkrete Gestaltung der Arbeitswelt (Arbeitszeiten, Mitbestimmung, Angebote zur Reduktion von und zum Umgang mit Stress etc.), und nicht zuletzt aber auch das Verhalten der Führungskräfte gegenüber den Mitarbeitenden, d.h. ihr Führungsstil, eine wesentliche Rolle.

Nach außen kann neben der Corporate Communication über die eigene Website, die nach wie vor eine der wichtigsten Informationsquellen für Arbeitsuchende ist, auch eine gute und transparente Kommunikation mit externen Medien eine positive Wirkung entfalten.

Aber auch ein professionelles und konsistentes Bewerbermanagement über alle (potenziellen) Kontaktpunkte von Arbeitsuchenden mit dem Unternehmen ist sehr wichtig. Von der Gestaltung der Stellenausschreibungen über den gesamten Bewerbungs- und Einstellungsprozess hinweg bis hin zum Onboarding, die gesamte sogenannte „Applicant Journey“, bedarf es idealtypisch eines auf die Employer Brand abgestimmten Verhaltens aller Beteiligten.

Welchen Zeitraum rechnen Sie für die Installation eines wirksamen Employer Brandings im Gesundheitsbereich?

Büttgen: Eine umfassende und systematische Umsetzung in allen Bereichen des Unternehmens ist vermutlich eine mehrjährige Aufgabe, insbesondere wenn es auch einer Anpassung der Unternehmenskultur bedarf, die im Gesundheitswesen, v.a. in Kliniken, traditionell sehr hierarchisch geprägt ist und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden oft nur sehr begrenzt Rechnung trägt.

Ist denn der Gesundheitsbereich als sozialer Arbeitgeber überhaupt für ein Employer Branding geeignet?

Büttgen: Auf jeden Fall! Hier kommt es besonders darauf an, zentrale Werte wie die Bedeutung des Wohlergehens von Patienten, aber auch von Mitarbeitern herauszustellen und zu leben, um damit insbesondere Fachkräfte anzusprechen, deren Wertvorstellungen damit übereinstimmen und für die ein solcher Arbeitgeber attraktiv ist.

Auch ist nach wie vor eines der wichtigsten Kriterien bei der Arbeitgeberwahl die Arbeitsplatzsicherheit und hier kann die zukünftig zu erwartende Entwicklung eines wachsenden Bedarfs an Gesundheits- und Pflegeleistungen auch ein Pluspunkt für Gesundheitsdienstleister sein.

Was sind die Bullpoints im Employer Branding innerhalb des Klinikwesens?

Büttgen: Wesentliche Punkte für Klinken des EB umfassen:

- Patienten- und Mitarbeitendenorientierung als zentrale Werte;

- Arbeitsplatzsicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten;

- Hohes Maß an Kollegialität und Zusammenhalt in den Teams;

- Die Möglichkeit, etwas gesellschaftlich wertvolles zu tun

- Eine zukunftssichere Position mit einem starken Fokus auf menschliche Kontakte, die auch durch technologische Entwicklungen wie KI nicht gefährdet ist, sondern sich ggf. sogar verbessern kann.

Das gilt nicht nur für private Anstalten sondern auch solche, die im Besitz von Gebietskörperschaften sind?

Büttgen: Viele der oben genannten Punkte sehe ich gerade für öffentliche Einrichtungen als relevant an.

Welche Rolle spielt der Standort der Klinik hierbei? Ballungsräume sind teuer bei den Lebenshaltungskosten – aber attraktiv…

Büttgen: Bezahlbarer Wohnraum ist sicher ein wichtiges Thema bei der Wahl des Arbeitsortes. Hier kann eine Unterstützung seitens des Arbeitgebers auch ein Teil des Employer Branding sein, ebenso wie eine Unterstützung bei der Kinderbetreuung, die gerade für weibliche Arbeitnehmende auch wesentlich sein kann bei der Arbeitgeberwahl. Evtl. können öffentliche Einrichtungen hier auch Vorteile vorweisen.

Können hier Agenturen hilfreich unterstützen?

Büttgen: Spezialisierte Personaldienstleister können unterstützen, sind aber v.a. bei umfassenden, strategischen Aufgaben wie der grundlegenden Gestaltung und Umsetzung eines Employer Branding auch ein erheblicher Kostenfaktor.

Kommuniziert die Klinik am besten auch in Fremdsprachen?

Büttgen: Vor dem Hintergrund des zunehmenden Personalmangels und den gleichzeitigen Chancen, die eine Rekrutierung geeigneter ausländischer Fachkräfte bieten, ist eine Kommunikation in relevanten Fremdsprachen und in entsprechenden Medien sicherlich hilfreich. Der Einsatz von KI-gestützten Übersetzungstools ermöglicht dies auch in kostensparender Weise.

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