Augusta-Shunt-Chirurgie im Hybrid-OP zieht Erfolgsbilanz
30.06.2023 - Shunts sind für Dialysepatienten überlebensnotwendig. Augusta-Gefäßchirurgen ziehen nach zwei Jahren Einsatz im hochmodernen Hybrid-OP positive Bilanz.
Für chronisch nierenkranke Patienten ist der „Shunt“ der Zugang zur überlebensnotwendigen Dialyse. Die künstlich angelegte Verbindung einer Vene mit einer Arterie garantiert einen schnellen Durchfluss bei der Blutwäsche. Sie darf sich nicht dauerhaft verschließen. Dafür sorgt die Gefäßchirurgie des Bochumer Augusta unter der Leitung von Chefarzt Dr. Jochen Beyer - mit über 600 Eingriffen bei Dialysepatienten, davon 400 Shunt-Revisionen, ist dies ein Schwerpunkt der Klinik. Die Patienten kommen aus dem ganzen Ruhrgebiet ins Bochumer Shunt-Zentrum. Denn das punktet neben herausragender chirurgischer Expertise auch mit modernster Technik. Seit zwei Jahren operieren Dr. Beyer und sein Team im neuen Hybridsaal mit Hilfe einer der weltweit modernsten Röntgenanlagen für gefäßchirurgische Eingriffe. Im Gespräch geben Chefarzt Beyer und Oberärztin Dr. Eva Schonefeld-Siepmann einen Einblick in die moderne Shunt-Chirurgie, bei der jede Minute zählt.
Zwei Jahre Hybrid-OP in der Shunt-Chirurgie – wo liegt der Vorteil?
Dr. Jochen Beyer: Das System ermöglicht, schnell und flexibel zwischen offener Operation, der Nutzung von Röntgenanlagen und interventionellen Techniken zu wechseln. Das ist vielen Dialysepraxen über die Grenzen von Bochum hinaus bekannt. Also schicken sie ihre chronisch kranken Patienten zu uns. Als Dauerkunden, denn ein Kunststoff-Shunt verschließt sich im Durchschnitt alle neun Monate. Wir können die Ursache des Problems im Hybrid-OP schnell erkennen und beheben. Zum Beispiel bei einer zentralvenösen Stenose (Engstelle in einer großen Vene) wird der Patient während der offenen OP im gesamten Shunt-Verlauf geröntgt, vom Arm bis zum Herzen. Das lässt sich mit einem normalen Röntgengerät nicht so detailliert darstellen. Dann wird der Patient mit der entsprechenden Expertise behandelt, nicht nur mit normalen Ballons, sondern auch mit Hochdruckballons, medikamentenbeschichteten Ballons oder Stents.
Wie schnell kann und muss auf ein Problem-Shunt reagiert werden?
Dr. Eva Schonefeld-Siepmann: Der Shuntverschluss oder die -fehlfunktion werden bei der Dialyse festgestellt. Meistens erfolgt eine direkte Einweisung zu uns. Schon bei der stationären Aufnahmeuntersuchung wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um eine eventuelle Ursache für den Shuntverschluss näher eingrenzen zu können. Falls sich in der Laboruntersuchung eine Elektrolyt-Entgleisung (sichtbar zum Beispiel am Kaliumspiegel) zeigt, ist vor einer Operation eine Katheterdialyse erforderlich. Falls nicht, erfolgt die OP zeitnah, ggf. noch am Aufnahmetag. Durch unser Dienstsystem ist die Versorgung unserer Patienten 24 Stunden an sieben Tagen die Woche nahtlos gewährleistet.
Wie kann man sich den Verlauf einer solchen OP vorstellen?
Dr. Jochen Beyer: Sie beginnen mit einer offenen Operation und legen den Shunt – ob aus Kunststoff oder einer Vene – mit einem Schnitt durch die Haut frei. Dann legen sie um die geplante Inzisionsstelle im Shunt zwei Gummizügel an, um den späteren Blutfluss zu kontrollieren. Sie öffnen den Shunt mit einem Messer und „putzen“ ihn mit einem speziellen Katheter, fast wie ein Schornsteinfeger. Das ist eine außerordentlich filigrane Tätigkeit, zudem haben wir es oft mit schwierigen Haut- und Venenverhältnissen zu tun. Das ist keine Anfängeroperation.
Wenn dann nach Möglichkeit wieder Blut fließt, wird eine spezielle Kanüle (Schleuse) eingebracht, über die sie mit Drähten und Ballons arbeiten können. Sie haben also sterile Verhältnisse, einen Zugang, und fahren nun mit dem Röntgengerät über den Arm und Körper des Patienten. Dabei sitzt der Chirurg mit einer Bleischürze hinter einem Bleiglas, spritzt selbst das Kontrastmittel und macht die Angiographie, die Aufnahme der Gefäße in beide Richtungen. Der Gefäßchirurg nimmt die Intervention dann selbst vor, eine radiologische Unterstützung ist nicht erforderlich.
Was kann der Chirurg dann sehen?
Dr. Jochen Beyer: Wir erkennen die Ursache des Shuntverschlusses anhand von Bildern so hoher Qualität, dass wir auch sehr zarte Problemstellen erkennen können. Es kann aber auch passieren, dass beim Putzen des Shunts ein Gerinnsel in eine Schlagader zur Hand abgerutscht ist, auch das können wir sehen und beheben. Der Operateur hat also den Shunt wiedereröffnet, anhand der Angiographie eine Diagnostik vorgenommen, die Bilder eigenständig interpretiert und versucht nun, mit jeglicher Form von Kathetern, Ballondilatationen oder einer Stentimpplantation die Ursache der Engstelle zu beheben. Dies ist die eigentliche Röntgenintervention.
Wie lange dauert so ein Eingriff?
Dr. Beyer: Für eine Shunt-Revision sind im System 90 Minuten hinterlegt, ich sage mal zwischen 20 Minuten und zweieinhalb Stunden.
Werden die Patientenbilder gespeichert?
Dr. Schonefeld-Siepmann: Die Bilder der Patienten sind auf dem klinikeigenen Röntgenserver jahrelang gespeichert. Zuvor werden die intraoperativen Röntgenbilder von uns bearbeitet, so dass man jederzeit nachvollziehen kann, welche Art von Intervention erfolgt ist (z.B. Ballonaufdehnung oder Stentsetzung).
Wie sieht es mit dem Bedienen und der Wartung der Anlage aus, mit technischem Knowhow?
Dr. Beyer: Regelmäßige Updates der Software und Wartung des Karbon-Tisches, der Monitore und der Röntgenanlage sind selbstverständlich von Spezialisten notwendig. Da gibt es strenge Auflagen. Um eigenständig Operationen durchführen zu können sind Röntgenfachkenntnisse und gefäßchirurgische Fachkenntnisse notwendig, die aber sind Bestandteile der Weiterbildung zum Facharzt der Gefäßchirurgie, somit erfolgt die Ausbildung während der Assistenzarzttätigkeit.
Dr. Schonefeld-Siepmann: Trotz steriler Abdeckung ist das Bedienen der Technik (z.B. des Touchscreens für die Röntgenanlage) problemlos möglich. Die sterile OP-Feld-Abdeckung erfolgt wie bei jedem anderen Eingriff auch.
Für eine der weltweit modernsten Röntgenanlagen für die Gefäßchirurgie hat das Augusta vor zwei Jahren einen Millionenbetrag investiert…
Dr. Beyer: …und wenn so viele Patienten dann zeitnah und mit hoher Qualität operiert und behandelt werden können, sind kostenintensive Folgeoperationen überflüssig. Dafür gewinnen die Patienten viel an Lebensqualität. Früher, ohne die hochmoderne Technik, haben die Chirurgen Shuntverschlüsse unter der Haut versucht zu „ertasten“. Noch vor 30 Jahren war es undenkbar, dass jemand 30 Jahre an der Dialyse überleben kann. Das ist heute möglich. Unter unseren Dialysepatienten gibt es einige junge Menschen, beispielsweise jene mit Autoimmunerkrankungen. Sie sind zwischen 15 und 30 Jahre alt und warten acht Jahre und länger auf ein Spenderorgan. Deren Leben hängt in dieser Zeit zwingend von einem gut funktionierenden Shunt ab!