IT & Kommunikation

Bessere Prozesse in der Notaufnahme durch KI

27.12.2023 - Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein wird ein Assistenzsystem zur Prozessoptimierung entwickelt.

Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) entwickelt gemeinsam mit anderen Partnern ein Instrument zur Belegungssteuerung in der Notaufnahme mit Künstlicher Intelligenz (KI). Das Land fördert dieses Verbundprojekt „Assistenzsystem zur Prozessoptimierung in der Notaufnahme – APONA“ am UKSH mit insgesamt mehr als 590.000 €. 

Das Hauptziel des Verbundprojekts ist es, mithilfe von KI die Prozesse in der Notaufnahme in Bezug auf personelle, räumliche und technische Ressourcen zu verbessern. Dr. Sebastian Wolfrum, Leiter der Interdisziplinären Notaufnahme des UKSH, Campus Lübeck, berichtet: „Der klassische Ablauf der Notfalldiagnostik und -therapie besteht aus verschiedenen Einzelschritten, deren Verzögerungen zu längeren Verweildauern von Patienten führen können. APONA ist ein innovatives Analyse- und Prognosesystem, das retrospektiv Notaufnahmedaten untersucht, um durch Einsatz von KI relevante Variablenmuster mit prognostischem Wert zu identifizieren. Diese Algorithmen werden anschließend an neueren Datensätzen getestet, um ihre Genauigkeit und Wirksamkeit zu überprüfen.“ Einige Methodiken aus dem Bereich der KI können genutzt werden, um Muster zu erkennen oder Vorhersagemodelle zu trainieren. Diese Muster oder Modelle können dann auf neue Datensätze angewendet werden, um früher bestimmte Erkenntnisse zu gewinnen.

Ab 2025 geht das Assistenz­system in den Live-Betrieb

Das Assistenzsystem wird dabei zunächst mit vorliegenden Daten aus der Notaufnahme in Lübeck gefüttert, um dann zu prüfen, inwiefern die Aussagen des Assistenzsystems auf die Situation im Jahr 2023 zutreffen. Auch das Jahr 2024 ist zunächst als Testjahr vorgesehen – um im Jahr 2025 in den Live-Betrieb zu gehen. Dann könnte die KI anhand von Daten der Patienten tatsächlich Prognosen erstellen, ob dieser individuelle Patient mit großer Sicherheit einen stationären Aufenthalt benötigt und die richtige Station benachrichtigen, dass ein Bett benötigt wird.

Beispielweise spricht bereits jetzt viel für eine erneute stationäre Einweisung, wenn eine alte Patientin zuvor bereits mehrmals mit Atembeschwerden in die Notaufnahme kam und regelmäßig zur Kardiologie musste. Eine Rolle bei einem Ratschlag des Assistenzsystems könnte beispielsweise auch spielen, ob ein Patient mit dem Rettungswagen in der Notaufnahme eingeliefert wird oder ob er zu Fuß kommt. Solche Dinge sind bekannt. Das Assistenzsystem muss besser sein: „Wir werden prüfen, ob uns das weiterhilft“, meint Wolfrum. Arbeitssparend dürfte auch wirken, dass die richtige Station irgendwann bereits automatische benachrichtigt wird.
Prof. Ralf Möller, Wissenschaftlicher Direktor des Forschungsbereichs Stochastische Relationale KI im Gesundheitswesen am Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Direktor des Instituts für Informationssysteme der Universität zu Lübeck, schilderte bei der Vorstellung des Projektes: „Ein bedeutender Schritt besteht darin, APONA in einem prospektiven Ansatz in Echtzeit in der Notaufnahme einzusetzen, um die Prozessunterstützung zu optimieren. Dies bedeutet, dass das System aktiv während der Behandlungsabläufe in der Notaufnahme eingesetzt wird, um bei der Entscheidungsfindung und Ressourcenkalkulation zu helfen.“

Neben der Hauptanwendungsmöglichkeit eröffnen sich weitere Anwendungsmöglichkeiten, bei denen APONA unterstützen kann:

  • Ermittlung von Patienten, die ein stationäres Behandlungsbett benötigen, basierend auf Faktoren wie Schwere der Erkrankung und Verfügbarkeit von Ressourcen.
  • Prognose der voraussichtlichen Verweildauer eines Patienten auf einem Behandlungsbett, um die Bettenauslastung zu optimieren.
  • Individuelle Bestimmung der optimalen Diagnostik- und Therapieansätze, unter Berücksichtigung von Faktoren wie Krankheitsgeschichte und aktuellen Symptomen.
  • Vorhersage von Diagnostikverfahren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Ergebnisse liefern werden, um kostspielige oder unnötige Tests zu vermeiden.

Die benötigten Daten werden dafür seitens des UKSH pseudonymisiert aufbereitet und mit den Projektpartnern analysiert. Die Daten verlassen an keiner Stelle das UKSH. „Alles wird auf unserer IT-Infrastruktur aufgebaut“, schildert Wolfrum. Die Verbundpartner haben nur Zugriff auf die pseudonymisierten Daten. Sie werden im UKSH über Algorithmen analysiert.

Während der Analysephase wird auch herausgearbeitet, zu welchem Zeitpunkt die beste Prognose erstellt werden kann, so dass im Live-Betrieb dann bei Aufnahme und zu definierten Zeitpunkten die Daten ausgelesen werden.

Während der Analysephase wird auch herausgearbeitet, zu welchem Zeitpunkt die beste Prognose erstellt werden kann, so dass im Live-Betrieb dann bei Aufnahme und zu definierten Zeitpunkten (z.B. alle 30 Minuten) die Daten ausgelesen werden. Diese Modelle werden dann in die vom Unternehmen singularIT entwickelte Software eingebettet. Außerdem schafft das Unternehmen die Architektur für ein kontinuierliches Lernen und Nutzen der Modelle und der Software. Das Unternehmen konnte bereits erste Erkenntnisse aus vorbereitenden Forschungen z.B. zur prognostizierten Verweildauer sammeln und hat entsprechende Ergebnisse zu einem amerikanischen Datensatz in einer Publikation vorgestellt. Insgesamt besteht die Hoffnung, dass auch andere Kliniken und das Gesundheitssystem als Ganzes von den Ergebnissen profitieren können.

Ist das System auch auf andere Häuser übertragbar?

Dazu muss noch geprüft werden, ob APONA auch auf andere Häuser übertragbar ist. „Wir haben am UKSH den Vorteil, dass wir zwei Standort haben: Kiel und Lübeck, die mit dem gleichen Krankenhaus Informationssystem. So kann die KI zunächst mit den Lübecker Daten trainiert werden, um dann zu prüfen, ob die KI auch in Kiel die richtigen Prognosen erstellt.“

Zu Ersteinschätzungsverfahren, wie SmED oder OPTINOFA die wohl irgendwann Pflicht werden könnte, hat APONA zunächst direkte keine Verbindung. Eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss zu solchen Verfahren wurde gerade erst vom Bundesgesundheitsministerium beanstandet und liegt damit vorerst auf Eis. Am Horizont tauchen aber nicht nur SmED oder OPTINOVA auf, auch Systeme wie beispielweise IVENA, mit denen sich die Träger der präklinischen und klinischen Patientenversorgung in Echtzeit über die aktuelle Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser informieren können. Systeme wie SmED oder OPTINOVA könnten in einem Gesundheitswesen der Zukunft mitentscheiden, ob ein Patient eine ambulante oder stationäre Versorgung benötigt, Systeme wie IVENA die Entscheidung unterstützen, in welches Krankenhaus der Notfall-Patient optimalerweise eingewiesen wird und APONA letztlich bietet Hilfestellung, auf welche Station er aufgenommen wird und das Bett und andere Ressourcen dort buchen.

Aber auch solche Allokationshilfen könnten auf Grenzen stoßen: Wenn auf der richtigen Station kein Bett mehr frei ist, dann kann die selbst das beste Assistenzsystem daran auch nichts ändern. Allerdings hat APONA das Potenzial die Ressourcennutzung zu optimieren. Und das wäre auch schon etwas. Die Zahl der Patienten in den Notaufnahmen des UKSH ist wie im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Mit den steigenden Zahlen wächst der Bedarf an einem intelligenten System, das Prozesse verbessert. Der Druck auf die Notaufnahmen bleibt.

Autor: Lutz Retzlaff, Neuss

Kontakt

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein UKSH

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