Bessere Reinigung dank hygienischem Design
09.02.2021 - Eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure erkennt bereits bei der Entwicklung von Medizinprodukten potentielle hygienische Problemstellen und bietet Lösungsansätze an.
Zur erfolgreichen Bekämpfung von Infektionen gehören u.a. auch die sachgerechte Planung und Beachtung der Regeln bei Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Medizinprodukten. Vor allem im Bereich der medizintechnischen Produkte wird die Aufbereitung aufgrund des komplexen technisch-konstruktiven Aufbaus immer problematischer und komplizierter. Hier muss auch der zeitliche und handwerkliche Aufwand berücksichtigt werden, der nötig ist, um eine wirksame und effiziente Aufbereitung des Produkts durchführen zu können. Inwieweit sich Medizinprodukte und deren Oberflächen durch Konstruktionsänderungen oder eine zusätzliche antimikrobielle Beschichtung diesbezüglich verbessern lassen, ist momentan Gegenstand diverser Forschungsarbeiten. Ein Kernpunkt hierbei ist die Verbesserung des Designs dieser Produkte bezüglich der hygienischen Anforderungen, das sogenannte „hygienische Design“.
Scharfe Kanten, Spalten und Hohlräume vermeiden
Im Prinzip bedeutet ein hygienisches Design eine Verbesserung der Reinigung, also der Möglichkeit, das Produkt einfach und effektiv aufbereiten zu können, sowie eine gleichzeitige Verminderung des Kontaminationsrisikos. Dies betrifft sowohl die Auswahl der verwendeten Materialien als auch konstruktive Detaillösungen. Das verwendete Material sollte gut aufzubereiten sein und eine hohe Beständigkeit gegenüber den gängigen Desinfektionsmitteln besitzen. Oftmals wird hier eine möglichst glatte Oberfläche als hygienisch optimal empfunden. Die Oberflächentopographie wird hierbei meist mit dem Ra-Wert ausgedrückt, wobei ein Ra-Wert von 0,8 µm als hygienisch gut bewertet wird.
Da es bei Medizinprodukten keine speziellen Vorgaben gibt, müssen die Detaillösungen meist von anderen Normen, wie der Lebensmittelnorm, übernommen werden. Generell sollten problematische Lösungen wie scharfe Kanten, Spalten oder Hohlräume vermieden werden. Um dahingehend eine Hilfestellung zu geben, arbeitet eine Arbeitsgruppe des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) momentan an einer Richtlinie zum hygienischen Design solcher Oberflächen (Richtlinienausschuss 5706). Ziel der Richtlinie ist es, dem Hersteller bereits bei Entwicklung und Konstruktion zu ermöglichen, potentielle hygienische Problemstellen zu erkennen und Lösungsansätze anzubieten. Für das hygienegerechte Design werden insbesondere Hinweise auf Designprobleme und hygienische Probleme durch Fertigungsverfahren adressiert, wobei die Funktion immer im Vordergrund steht. Die Hinweise sollen dann die Entwicklung hygienisch optimierter, also infektionspräventiv wirksamer, robuster und effizienter Lösungen ermöglichen.
Jede Oberfläche in ihrer Umgebung individuell bewerten
Grundsätzlich ist ein hygienisches Design bei allen hygienisch relevanten Oberflächen wichtig. Dies beinhaltet alle Oberflächen, von denen ein Kontaminationsrisiko für den Patienten oder die Mitarbeiter ausgeht. Die Beurteilung einer solchen „hygienischen Relevanz“ ist allerdings nicht immer einfach zu führen. Es kommt neben der Oberfläche selbst auch auf die Umgebung an, in der diese zu finden ist. Der Einsatzbereich und damit das verbundene Kontaminationsrisiko und Infektionsrisiko durch das Gerät müssen berücksichtigt werden. Eine Oberfläche in einem „normalen“ Patientenzimmer ist hygienisch anders zu bewerten als eine Oberfläche in einer Intensiv- oder Brandverletztenstation. Auch hier arbeitet der VDI an einer Richtlinie, um eine Hilfestellung zu geben und eine derartige Beurteilung bzw. Klassifizierung der hygienischen Relevanz standardisiert durchführen zu können.
Folgende wesentlichen Kriterien sollten für eine solche Risikobewertung betrachtet werden: Ort der Fläche und Bezug zu einer medizinischen Maßnahme, Umstände und Häufigkeitswahrscheinlichkeit der Berührung der Flächen, gefährdete und gefährdende Personen sowie Art der Fläche und Art der Kontamination. Auf der Grundlage dieser Beurteilung können anschließend Entscheidungen getroffen werden, ob und in welcher Weise eine hygienische Optimierung des Produkts notwendig und sinnvoll ist. Prinzipiell ist ein hygienisch optimiertes Design für alle Medizinprodukte wichtig, von denen ein Risiko der Keimverschleppung und damit ein Infektionsrisiko für Patienten oder Mitarbeiter ausgeht.
Es gibt im Bereich der antimikrobiellen Oberflächen eine große Zahl an Technologien, die auch heute schon eingesetzt werden. Zu diesem Thema ist dieses Jahr der Statusbericht „Antimikrobielle Oberflächen zur Infektionsprävention“ aus der VDI-Arbeitsgruppe veröffentlicht worden, in dem ein guter Überblick über solche Oberflächentechnologien gegeben wird. Eine durchgeführte Literaturrecherche hat gezeigt, dass rund 30% auf silberbasierten Systemen, 17% auf Chitosan und 14% auf Titan basieren. Aber auch Kupfer- und zinkbasierte Beschichtungen finden Verwendung. Grundsätzlich werden antimikrobielle Oberflächen zwischen passiven Oberflächen, die die Anhaftung und das Festsetzen der Erreger verhindern und aktiven Oberflächen unterschieden, die zur Abtötung der Erreger beitragen. Die Wirksamkeit solcher antimikrobiellen Technologien konnte im Labor durch standardisierte Testmethoden wiederholt nachgewiesen werden.
Im Hinblick auf medizintechnische Geräte und sonstige oft berührte Oberflächen in Praxen und Kliniken könnten daher antimikrobielle Oberflächentechnologien einen großen Vorteil bezüglich der Reduzierung mikrobiologischer Kontaminationen und damit des Infektionsrisikos darstellen. Welche Einsatzmöglichkeiten für diese antimikrobiellen Oberflächentechniken bestehen und ob diese tatsächlich einen Gewinn im Sinne der Reduzierung von Infektionen bringen, muss weiter untersucht werden. Hier gibt es bereits erste Arbeiten, die eine Reduktion der bakteriellen Kontamination im klinischen Umfeld zeigen konnten.
Schon allein aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation wurde der Fokus sowohl beim Anwender als auch beim Hersteller mehr in Richtung Hygiene verschoben. Man hat erkannt, dass eine effektive und effiziente Aufbereitung von Medizinprodukten einen großen Einfluss auf die Unterbrechung von Infektionsketten haben kann. So wird mittlerweile schon bei der Planung von Medizinprodukten mehr Wert auf ein hygienisches Design gelegt und teilweise werden vom Hersteller Hygieneexperten oder Beratungsunternehmen mit in den Entwicklungsprozess eingebunden. In diesem Zusammenhang spielen dann auch die antimikrobiellen Oberflächen eine Rolle, denn diese werden von vielen Firmen als zusätzliches „Hygienefeature“ bei ihren Produkten gesehen und integriert. Es muss hier jedoch immer geprüft werden, ob die versprochene antimikrobielle Wirksamkeit im fertigen Produkt dann tatsächlich noch so gegeben ist. Zudem sollte bedacht werden, dass die Oberflächenbeschichtung kein Ersatz für prozedurale Hygienemaßnahmen ist, sondern als unterstützende und zusätzliche Maßnahme angesehen werden sollte. Eine zukunftsfähige optimierte Hygiene im Gesundheitswesen benötigt daher Labor- und Feldtests, die dabei helfen, die Wirksamkeit von antimikrobiellen Technologien, auch im Zusammenspiel mit den Aufbereitungsprozessen, exakt zu bewerten.
Autoren: Sebastian Buhl, Alexander Stich, Prof. Clemens Bulitta, Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden
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