Medizin & Technik

Bestimmte Form der Herzschwäche erstmals spezifisch behandelbar

30.08.2021 - Bei einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfraktion – der häufigsten Form der Herzschwäche bei älteren Menschen – gab es bisher keine durch Evidenz gesicherte Behandlungsmöglichkeit.

Jetzt hat eine groß angelegte klinische Studie unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Anker von der Charité – Universitätsmedizin Berlin erstmals ein Medikament identifiziert, das sich klar positiv auf die Prognose der Patientinnen und Patienten auswirkt: der Wirkstoff Empagliflozin. Er senkt für die Betroffenen die Wahrscheinlichkeit, in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden oder an einer kardiovaskulären Ursache zu sterben, um 21 Prozent.

Wenn das Herz es nicht mehr schafft, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen, spricht man von Herzschwäche, der sogenannten Herzinsuffizienz. Organe wie Muskeln, Nieren oder Gehirn werden nicht mehr optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was sich zunächst oft als vorübergehende Erschöpfung bei körperlicher Belastung und Kurzatmigkeit bemerkbar macht. Schreitet die Krankheit weiter fort, kommen die Betroffenen schon bei leichter Bewegung oder sogar in Ruhe außer Atem. Auch Wassereinlagerungen beispielsweise an den Knöcheln sind Zeichen eines schwachen Herzens. Die Symptome schränken dabei nicht nur die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten ein: Wird die Herzschwäche nicht behandelt, steigt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten fünf Jahren daran zu sterben, auf bis zu 50 Prozent. Von den geschätzt bis zu vier Millionen Personen mit Herzschwäche in Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 40.000 Menschen.

Für die bei älteren Menschen häufigste Form der Herzschwäche, die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfraktion (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF), waren die Behandlungsoptionen bisher sehr eingeschränkt. „Die Leitlinien empfehlen bei HFpEF bisher nur das Management von Begleiterkrankungen – wie Hypertonie und Diabetes – und Symptomen“, erklärt Prof. Dr. Stefan Anker, Leiter der jetzt veröffentlichten Studie von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie am Charité Campus Virchow-Klinikum. „Zwar gab es mehrere große klinische Studien in den vergangenen Jahren, die verschiedene Therapieansätze für HFpEF untersucht haben, aber keiner der Wirkstoffe hat eine klinisch eindeutige und statistisch signifikante Verbesserung der Prognose gezeigt. Wie unsere Arbeit jetzt belegt, ist das bei Empagliflozin anders: Sein Effekt ist erstmals eindeutig statistisch signifikant und vor allem auch klinisch relevant.“

Empagliflozin ist ein Arzneimittel, das seit einigen Jahren für die Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Seine Wirkung bei Herzschwäche zeigte es nun in der international angelegten klinischen Phase-III-Studie „EMPEROR-Preserved“. Sie hatte bei knapp 6.000 Patientinnen und Patienten mit leichter bis mittelschwerer HFpEF (unabhängig vom Diabetes-Status) untersucht, ob das Mittel das Risiko für die Betroffenen senkt, aufgrund ihrer Erkrankung in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden oder an einer kardiovaskulären Ursache zu versterben. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer waren im Schnitt 72 Jahre alt und kamen aus 23 verschiedenen Ländern der Erde. Rund die Hälfte von ihnen nahm über einen Zeitraum von im Mittel etwas über zwei Jahren täglich eine Tablette mit dem Wirkstoff ein, die andere Hälfte eine Tablette ohne Wirkstoff (Placebo). Bis zum Ende der Untersuchung wurden in der Placebo-Gruppe 17,1 Prozent der Patientinnen und Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen oder verstarben. In der Empagliflozin-Gruppe waren es 13,8 Prozent. Damit verringerte das Medikament das kombinierte Hospitalisierungs- und Sterberisiko für HFpEF-Betroffene um 21 Prozent. Darüber hinaus berichteten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer über weniger Symptome.

Unter der Empagliflozin-Behandlung traten folgende Nebenwirkungen etwas häufiger auf als in der Placebo-Gruppe: ein niedriger Blutdruck bei 10,4 statt 8,6 Prozent der Studienteilnehmenden, Harnwegsinfektionen bei 9,9 statt 8,1 Prozent und Infektionen im Genitalbereich bei 2,2 statt 0,7 Prozent. „Diese Nebenwirkungen sind milder Art und lassen sich medizinisch gut behandeln“, sagt Prof. Anker, der auch am BIH Center for Regenerative Therapies (BCRT) tätig ist. Er fasst zusammen: „In meinen Augen bedeutet dieses Ergebnis einen großen Fortschritt in der Kardiologie. Wir können Menschen, die an Herzschwäche mit erhaltener Pumpfraktion leiden, erstmals ein Medikament anbieten, das ihre Prognose und auch ihr Wohlergehen verbessert – und das bei einem sehr guten Sicherheitsprofil.“

Empagliflozin ist in Europa derzeit für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 und von Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (mit oder ohne Diabetes mellitus) zugelassen. Personen, die an Diabetes leiden und eine HFpEF entwickeln, könnten das Arzneimittel im Rahmen seiner Zulassung bereits erhalten. Der Hersteller plant darüber hinaus, eine Zulassungserweiterung für die Behandlung von HFpEF zu beantragen.

Über die Studie

Die Studie „EMPEROR-Preserved” ist eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte klinische Studie der Phase III. Mit 5988 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern im Alter zwischen 22 und 100 Jahren ist sie die bisher größte HFpEF-Studie. Untersucht wurden Patientinnen und Patienten sowohl mit als auch ohne Diabetes mellitus. Sponsoren der Studie sind Boehringer Ingelheim und Eli Lilly and Company. Prof. Anker ist der Internationale Studienleiter. Der kombinierte Studienendpunkt wurde auch separat ausgewertet: In der Placebo-Gruppe wurden 11,8 Prozent der HFpEF-Patienten aufgrund ihrer Erkrankung in ein Krankenhaus aufgenommen, unter der Empagliflozin-Behandlung waren es 8,6 Prozent (relative Reduktion des Risikos um 29 Prozent). 8,2 Prozent der Placebo-behandelten und 7,3 Prozent der Empagliflozin-behandelten Studienteilnehmenden starben aufgrund einer kardiovaskulären Ursache (relative Reduktion des Risikos um 9 Prozent).

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