Hygiene

Corona-Mutationen: Wie wirksam ist Desinfektion?

29.04.2021 - SARS-CoV-2-Mutationen könnten die Wirksamkeit von Antikörpern, die beim Impfen entstehen, beeinträchtigen.

Ob die Varianten auch Folgen für Desinfektionsmaßnahmen haben, beantwortet Dr. Elmar Hjorth, Leiter Medizinische Wissenschaft der Dr. Schumacher Gruppe, Malsfeld, im Interview.

M&K: SARS-CoV-2 mutiert. Die Fachwelt spricht von Variants of Concern (VOC), also besorgniserregenden Varianten des neuen Coronavirus. Was genau beunruhigt die Experten?

Dr. Elmar Hjorth: Die Veränderungen des Virus finden vornehmlich am Spike-Protein statt. Das sind zacken- bzw. spitzenförmige Oberflächenproteine der Membran. Das Spike-Protein ermöglicht es dem Virus, in die Zellen seines Wirts zu gelangen. Bei der aus Großbritannien stammenden VOC, der Linie B.1.1.7, wurde eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Mutationen auf dem Spike-Protein und im Erbgut gefunden. Die Mutationen beeinflussen die Viruseigenschaften: Die Virusvariante kann sich besser an Zellen binden, für die Infektion reichen niedrigere Infektionsdosen und die ­Viruslast in den Atemwegen ist höher als bei der ursprünglichen Variante. ­Insgesamt führen diese Veränderun­­gen zu einer höheren Ansteckung der VOC.

Die Mutationen der Spike-Proteine könnten die Wirkung von Antikörpern reduzieren, die beim Impfen gebildet werden. Besteht die Gefahr, dass auch Desinfektionswirkstoffe weniger wirksam sind?

Hjorth: Damit Desinfektionsmittel zuverlässig wirken, müssen bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehören z. B. der Nachweis bestandener Testverfahren, etwa nach europäischen Normen oder in Deutschland auch durch Prüfungen des Verbandes für Angewandte Hygiene. Darüber hinaus sind immer die vom Hersteller angegeben Konzentrationen und Einwirkzeiten einzuhalten. Der Mechanismus eines Desinfektionsmittels besteht darin, die Lipidhülle, in diesem Fall die eines Virus, zu zerstören. Die Moleküle dringen anschließend in die Zellsubstanz des Virus ein und zerstören seine innere Struktur. Ein Vorgang, der Denaturierung genannt wird und die biologische Funktion des Virus aufhebt. Spike-Proteine sind ein Bestandteil der Membran. Selbst bei Veränderungen der Spikes und des Erbgutes bleibt die Membran für die chemischen Desinfektionsmittel weiterhin angreifbar. Wir kennen das seit Jahren von den Influenza-A-Viren, die sehr leicht mutieren. Dieses Phänomen hat keinerlei Einfluss auf den Erfolg einer Desinfektion. Produkte mit einer nachgewiesenen begrenzt viruziden Wirksamkeit sind also auch bei den neuen Varianten von SARS-CoV-2 weiterhin verlässlich wirksam.

Eine erhöhte Viruslast der Atemwege könnte zu einer stärkeren Belastung in der Umgebung von Infizierten führen. Sollten die Desinfektions- und Hygienemaßnahmen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen an dieses Risiko angepasst werden?

Hjorth: Konkrete Studien zur Belastung der patienten- und bewohnernahen Umgebung mit den neuen Virus-Varianten stehen gegenwärtig noch aus. Es kann aber angenommen werden, dass es im Umfeld von COVID-19-Patienten mit einer Mutationsvariante zu einer höheren Viruslast kommt. Die Kontaminationen können dabei durchaus auch in einiger Entfernung vom Patientenbett auftreten. Luftsammelproben mit vitalen SARS-CoV-2 von der ursprünglichen Variante wurden Studien zufolge 2 und 4,8 m entfernt von Patienten gefunden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits Mitte letzten Jahres eine häufigere Reinigung und Desinfektion von Oberflächen in Räumlichkeiten empfohlen, die in Zusammenhang mit der Versorgung von vermuteten oder nachgewiesenen COVID-19-Patienten stehen. In der Empfehlung wird eine Frequenz von bis zu dreimal täglich genannt. Ich halte es für sinnvoll, dass Kliniken und Pflegeeinrichtungen ihre Maßnahmen zur Flächendesinfektion vor dem Hintergrund der Mutationen überprüfen und die Desinfektions- und Hygienepläne ggf. an das neue Risiko anpassen.

Zur Person

Dr. Elmar Hjorth, Dipl.-Chemiker, leitet seit 13 Jahren die Abteilung Medizinische Wissenschaft bei der Dr. Schumacher GmbH, Malsfeld. Er beschäftigt sich derzeit intensiv mit der Präzisierung von Wirksamkeitsaussagen für Desinfektionsmittel durch Anwendung neuer Prüfmethoden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der Viruswirksamkeit von Flächen- und Händedesinfektionsmitteln.

Mehr zu den Empfehlungen der WHO zur Flächendesinfektion und -reinigung bei COVID-19 sowie Anleitungen zur Vorgehensweise in verschiedenen Bereichen zum Download sind auf der thematischen Microsite zu finden.
 

Kontakt

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Am Roggenfeld 3
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