COVID-19: Bericht zur Situation in den Notaufnahmen seit Beginn der Pandemie
08.04.2021 - Während der ersten Welle der Pandemie kamen zeitweise bis zu 40 % weniger Patientinnen und Patienten in die Notaufnahmen in Deutschland. Noch immer haben sich die Zahlen nicht wieder dem langjährigen Mittel vor der Pandemie angepasst. Woran das liegt, was diese Entwicklung für Folgen hat und warum die Notaufnahmen auch in der Pandemie sicher sind, erklärten Experten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) heute in einer Pressekonferenz im Rahmen ihrer virtuellen Jahrestagung.
In der zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg gibt es seit dem Frühjahr 2020 zwei getrennte Bereiche für die eingelieferten Patienten: In einem isolierten Bereich werden die mit SARS-CoV-2 Infizierten behandelt, in einem anderen, öffentlichen Bereich die Nichtinfizierten. Je nach Ergebnis des Schnelltests, der bei allen Personen im Eingangsbereich der Notaufnahme durchgeführt wird, sofern es die jeweilige medizinische Situation des Patienten zulässt, werden sie in dem einen oder dem anderen Bereich weiterbehandelt. „In Homburg haben wir am Anfang der Pandemie ein Zelt in der Liegend-Einfahrt eingerichtet, in dem alle Patientinnen und Patienten, egal ob durch den Rettungsdienst transportiert oder selbst in die Notaufnahme gekommen, zunächst mit einem Risiko-Bogen auf Symptome einer potenziellen SARS-CoV-2-Infektion evaluiert wurden“, berichtet Priv.-Doz. Dr. Sebastian Ewen, Leiter der zentralen Notaufnahme in Homburg. „Als dann im Herbst die Schnelltests zur Verfügung standen, haben wir im Eingangsbereich einen separaten Raum zur Durchführung der Abstriche eingerichtet.“
Rückgang der Patientenzahlen in den Notaufnahmen
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen, die Notaufnahmen überall in Deutschland schon kurz nach Beginn der Pandemie ergriffen, scheint die Angst von einer Ansteckung in den Kliniken oder einer Überbelastung der Krankenhäuser und Zuständen wie in Berichten aus Norditalien und Wuhan die Patienten von den Notaufnahmen fern gehalten zu haben. Aktuelle Daten des Robert-Koch-Instituts und weitere nationale und internationale Publikationen zeigen übereinstimmend einen Rückgang der Patientenzahlen in den Notaufnahmen von etwa 40 % im März und April 2020. „Die Fallzahlen in den Notaufnahmen sind mit Eintreten des ersten Lockdowns stark zurückgegangen“, hat auch Prof. Dr. Martin Möckel, Leiter der Notfallmedizin an der Charité in Berlin, in einer von ihm durchgeführten Studie belegt. „Im Sommer 2020 haben sich die Zahlen weitestgehend normalisiert, sind aber gegen Ende des Jahres wieder deutlich zurückgegangen. Sie sind bis heute nicht wieder auf dem früheren Niveau, sondern noch immer bis zu etwa 20 % darunter.“
Jüngere und ambulant behandelbare Patienten kommen seltener
Die von Möckel erhobenen Daten aus Berlin zeigen, dass vor allem jüngere Patienten unter 60 Jahren seltener in den Notaufnahmen vorstellig wurden. Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gab es dabei nicht.
Der Rückgang war besonders stark bei den weniger dringlichen Fällen, also denjenigen, die nicht stationär aufgenommen wurden. Die Zahl schwerer erkrankter Personen, die im Krankenhaus verbleiben mussten, reduzierte sich weniger und hatte auch schneller, nämlich schon in Kalenderwoche 22, das normale Niveau wieder erreicht. Dies hat sich im zweiten Lockdown ähnlich entwickelt, als die Zahl der ambulant betreuten Patienten erneut deutlich sank. „Dass ein Fall ambulant behandelt wird, bedeutet nicht automatisch, dass der Patient oder die Patienten nicht schwer krank ist, sondern nur, dass keine akute Krankenhausbehandlung erforderlich war“, betont Möckel.
Verhängnisvolle Entwicklung beim akuten Herzinfarkt
Dies lässt sich gut am Beispiel des akuten Herzinfarktes beobachten. Mediziner unterscheiden hier zwischen Herzinfarkten, die im EKG eine ST-Streckenhebung zeigen (STEMIs) und solchen, bei denen diese Streckenhebung nicht auftritt (NSTEMIs). Die typischen Symptome für einen Herzinfarkt zeigen sich eher bei einem STEMI, während NSTEMIs mit einer großen Bandbreite auch untypischer und leichterer Symptome einhergehen.
Die Zahlen des Berliner Herzinfarktregisters zeigen, dass die Zahl der Herzinfarkte im Frühjahr 2020 gegenüber dem Durchschnitt der Vorjahre reduziert war. Betrachtet man die Zahlen im Detail, lässt sich erkennen, dass diese Entwicklung signifikant zulasten der NSTEMI-Fälle geht, nicht jedoch der STEMI-Fälle. Dies ist eine Entwicklung, die nicht nur in Berlin, sondern auch deutschland- und welt-weit beobachtet wurde. Notfallmediziner Möckel warnt: „Nur weil ein NSTEMI häufiger mit weniger schweren Symptomen einhergeht, darf nicht das Missverständnis entstehen, dass es sich dabei um ein harmloseres Krankheitsbild handle.“ Auch Ewen kann diese Beobachtung bestätigen: „Die Zahlen lassen uns vermuten, dass Patienten mit geringeren Symptomen nicht zum Arzt gegangen sind, sondern ihre Beschwerden viel mehr mit sich selbst zu Hause ausgemacht haben.“
Dies wiederum hat zur Folge, dass die Out-Of-Hospital-Mortalität im vergangenen Jahr deutlich an-gestiegen ist. 12 % mehr Menschen als in den Vorjahren starben außerhalb des Krankenhauses, allerdings nur selten an COVID-19. Nur 10 % der Reanimationen außerhalb der Kliniken standen mit COVID-19 in Verbindung. Im Krankenhaus waren es 16 %.
Eine Untersuchung aus Hessen zeigte außerdem, dass die Eingriffe in den Katheterlaboren in den Krankenhäusern des Bundeslandes während des Lockdowns im Frühjahr 2020 um 35 % zurückgingen. Gerade bei Fällen des akuten Koronarsyndroms, zu dem auch der akute Myokardinfarkt zählt, retten Kathetereingriffe Leben. Die kardiale Sterblichkeit stieg in Hessen im Beobachtungszeitraum übrigens um 11,8 % an.
Die beiden Kardiologen sind sich einig: „Es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig es ist, dass Patientinnen und Patienten mit Symptomen in die Notaufnahmen kommen, um sich behandeln zu lassen!“
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