Hygiene

COVID-19 Pandemie und beruflich bedingte Hauterkrankungen

22.04.2021 - Haben Beschäftigte im Gesundheitsdienst eine erhöhte Inzidenz von Hautirritationen durch das Verwenden von Schutzausrüstung?

Hauterkrankungen sind die häufigsten beruflich verursachten Erkrankungen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Erst danach folgen im großem Abstand Infektionen. Mit der Pandemie hat sich dieses allerdings gravierend geändert. Im Jahr 2020 wurden allein bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) 20.923 COVID-19 Fälle gemeldet. Das sind etwa 20mal so viele Infektionen als sonst jährlich gemeldet werden. Damit wurden Infektionen im Jahr 2020 wesentlich häufiger gemeldet als Hauterkrankungen, auf die sich 6.320 Verdachtsanzeigen bezogen (siehe Tab.).

Mund-Nasen-Bedeckung mit unerwünschten Nebenwirkungen

Mit dem Ausrufen der Pandemie im März 2020 wurden auch die AHA-Regeln (Abstand, Händehygiene und Alltagsmasken) sowie die Arbeitsschutzstandards für die einzelnen Branchen erarbeitet. Als Grundregel gilt, dass neben dem Abstandhalten verschiedene Formen von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) angewendet werden sollen. Für den nicht-medizinischen Bereich wurden als neue Maßnahmen das Tragen von Alltagsmasken oder von medizinischem Mund-Nasen-Schutz (mMNS) bei engem Kontakt zu anderen Menschen, z.B. Kunden im Supermarkt, Friseursalon, Pflicht. Im medizinischen Bereich wurden die Indikationen für das Tragen von mMNS und Atemmasken der Klasse FFP2 ohne Ausatemventil ausgedehnt. Als persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist zwar nur die FFP2-Maske einzustufen, für die es Regelungen zur Tragedauer und zu Pausen gibt.

Auch wenn zwischen den verschiedenen Formen der MNB unterschieden werden muss, so kann doch festgestellt werden, dass durch das vermehrte oder in vielen Branchen neuerliche Tragen von Alltagsmasken, MMNS oder FFP2-Masken, im Folgenden als MNB zusammengefasst, eine Arbeitserschwernis erfolgt. Unter der MNB kommt es zu Wärmestau und Schweißbildung bzw. Abscheidung von Kondenswasser, zur Erhöhung des Atemwiderstandes und zur mechanischen Belastung der Haut an den Kontaktstellen der MNB. Dabei scheinen besonders der Nasenrücken und die Ohren betroffen zu sein. Bisher sind allerdings unsere Kenntnisse über diese unerwünschten Nebenwirkungen der MNB in Abhängigkeit von der Form der verwendeten Abdeckung bzw. Maske begrenzt.

Belastung und Leistungsvermögen unter Maskenschutz

In der Literatur wird eine erhöhte Herzfrequenz beim Arbeiten mit MNB beschrieben. Allerdings beruhen diese Aussagen eher auf Fallbeschreibungen als auf systematischen Studien. An der Ludwig-Maximilian-Universität in München wird zurzeit eine Studie zur Herz-Kreislauf-Belastung durch das Tragen von mMNS und FFP2-Masken unter verschiedenen klimatischen Bedingungen durchgeführt. In einer Wärmekammer werden bei verschiedenen Temperaturen und Belastungsstufen auf dem Ergometer die Atemfunktion und die Herzfrequenz bei Probanden ohne Tragen von MNB und mit Tragen von mMNS oder FFP-2-Maske verglichen. Es wird vermutet, dass mit steigenden Temperaturen, die zusätzliche Arbeitserschwernis und der Grad der subjektiven Belästigung durch das Tragen von MNB steigt.

In einer ähnlichen Studie am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin in Bochum wird die Leistungsfähigkeit beim Tragen von FFP2-Masken unter Laborbedingungen geprüft. In einer Spiroergometrie wird das Leistungsvermögen der Probanden untersucht und anschließend ermittelt bei welcher Leistung beim Tragen von Masken 70 % des maximalen Leistungsvermögens erreicht wird. Aus den Studienergebnissen soll abgeleitet werden, nach welcher Arbeitszeit Tragepausen eingelegt werden sollten, um das Dauer-Leistungsvermögen der Beschäftigten nicht zu überschreiten.

Pausenregelung beim Tragen von FFP2-Masken beachten

Unabhängig von den laufenden Studien besteht für das Tragen von FFP2-Masken eine Pausenregelung. Nach 75 Minuten Arbeiten mit einer FFP2-Maske soll eine Pause für 30 Minuten eingehalten werden. Bei Masken mit einem Ausatemventil – die zum Schutz vor SARS-CoV-2-Übertragungen allerdings nicht empfohlen werden – soll nach zwei Stunden eine Pause gemacht werden. Dabei ist nicht unbedingt eine Arbeitspause, sondern eine Tragepause gemeint. Es können also Tätigkeiten durchgeführt werden, die kein Infektionsrisiko beinhalten und daher keine FFP2-Masken erfordern. Trotzdem ist diese Regelung im Gesundheitswesen oftmals nicht anwendbar, weshalb es auch Ausnahmen für diesen Bereich gibt oder die Regelungen zur Tragedauer von Atemschutz stillschweigend nicht berücksichtig werden. Durch die starke Ausdehnung des Tragens von FFP2-Masken stellt sich jedoch die Frage, ob dieses „kollektive Nicht-Hinsehen“ weiter toleriert werden kann.

Mit dem zweiten Lockdown und wohl auch wegen der besseren Verfügbarkeit von FFP2-Masken wurden die Indikationen für das Tragen von FFP2-Masken auch außerhalb des Gesundheitswesens deutlich ausgeweitet. Über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme kann vortrefflich debattiert werden, da es zwar eine gewisse Plausibilität für einen besseren Schutz durch FFP2-Masken gegenüber mMNS gibt, eine epidemiologisch überzeugende Begründung aus Studien, die Alltagsbedingungen berücksichtigen, gibt es jedoch nicht. Möglicherweise kompensiert die bessere Compliance der Beschäftigten beim angenehmer zu tragenden mMNS die besseren physikalischen Eigenschaften der FFP2-Masken bezüglich Filtrationsrate und Atemseitenstrom (Leckage). Dennoch ist zu konstatieren, dass FFP2-Masken nun sowohl außerhalb als auch innerhalb des Gesundheitswesens vermehrt eingesetzt werden. Umso mehr stellt sich also die Frage nach den unerwünschten Nebenwirkungen des Tragens von FFP2-Masken.

Anstieg von Handdermatosen während der Pandemie?

Zu Beginn der Pandemie wurde vor allem befürchtet, dass die Anzahl der beruflichen Handdermatosen durch das vermehrte Tragen von Handschuhen, häufigeres Händewaschen und die vermehrte Verwendung von Desinfektionsmitteln steigen wird. Der bereits oben zitierte Vergleich der gemeldeten Hauterkrankungen in den Jahren 2019 und 2020 erlaubt aber so einen Schluss nicht (Tab.). Allerdings ist dieser Vergleich wahrscheinlich nur begrenzt aussagekräftig. Es ist durchaus denkbar, dass durch die Pandemie die betriebsärztliche und auch die dermatologische Versorgung beeinträchtigt wurde. Zum einen gab es wichtigere Themen, z.B. Mitarbeit im Krisenstab, zum anderen haben die Beschäftigten möglicherweise verschiebbare Kontakte z.B. zum Betriebsarzt oder Dermatologen vermieden. Deshalb kann es zu einer Unterversorgung gekommen sein.

Hauterkrankungen durch das Tragen von MNS?

Am Anfang der Pandemie konnte der Bedarf an MNB insbesondere an mMNS und FFP2 nicht gedeckt werden. Das war die Phase der Alltagsmaske und des Revivals der Nähmaschine, die vom Dachboden heruntergeholt wurde. In der zweiten Phase wurde versucht, den Mangel an MNB durch den Import von Abdeckungen und Masken ungewisser Provenienz und unklarer Zertifizierung mit und ohne Honorar für Politiker zu decken. Aus dieser Phase stammen Fallberichte zu Unverträglichkeiten von MNB. In einigen Fällen konnten die Hautirritationen im Gesicht durch die Verwendung anderer Masken vermieden werden. Das führte zu der Interpretation, dass möglicherweise qualitativ minderwertige MNB für diese Hautirritationen verantwortlich sind. Unabhängig von der Qualität der Masken finden sich in der Literatur jedoch auch Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass mit der Tragedauer von Masken, die Häufigkeit und die Schwere von Hautirritationen im Gesicht bei den Beschäftigten zunehmen. Bei der BGW wurden im Jahr 2020 rund 270 Verdachtsanzeigen auf beruflich bedingten Hauterkrankungen im Gesicht aufgrund des Tragens von MNB gestellt. Zahlen aus dem Vorjahr liegen nicht vor.

Studie zu Gesichtsdermatosen am UKE

Daher stellt sich die Frage, ob durch das Tragen von MNB ein erhöhtes Risiko für Hautirritationen im Gesicht bzw. am Kopf entsteht. Diese Hautirritationen können z.B. durch eine Druckbelastung der Haltebände hinter den Ohren oder durch die Reibung der eng ansitzenden FFP2-Masken am Nasenrücken verursacht werden. Wärme und Feuchtigkeit unter der Maske sind wahrscheinlich die Ursache für die Verursachung oder Verschlimmerung von Akne. Um das tatsächliche Ausmaß des Problems zu untersuchen, führt die BGW in Kooperation mit dem Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am UKE eine Befragung zu Gesichtsdermatosen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen durch. Soviel kann aber jetzt schon gesagt werden. Zur Vermeidung von Hautirritationen im Gesicht sollte die Tragedauer der MNB begrenzt werden und die MNB gewechselt werden, wenn sie feucht ist. Sind bereits Hautirritationen aufgetreten, sollte geprüft werden, ob ein Wechsel der MNB mit besserer Passform oder von einem anderen Hersteller sinnvoll ist. Die Behandlung der Hautirritationen erfolgt in der Regel unspezifisch und Cortison-frei. Weitere Studien sind allerdings notwendig, um diese Empfehlungen zu untermauern. Unabhängig davon macht die Entwicklung der Fallzahlen den Bedarf an spezifischen Präventionsmaßnahmen, insbesondere im pflegerischen medizinischen Bereich, deutlich.

Weitere Infos: www.cvcare.de

Autor: Prof. Dr. Albert Nienhaus, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE)

Terminhinweis:
DEWU Deutscher Wundkongress & Bremer Pflegekongress 2021

„Beschäftigte im Gesundheitsdienst während der Covid-19-Pandemie: Prävalenz von Hautirritationen durch das Verwenden von Schutzausrüstung“

5.-7. Mai, virtuell

 

Kontakt

UKE Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52
20251 Hamburg

+49 40 7410-54768
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