Aus den Kliniken

COVID-19 und Senioren

23.03.2020 -

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) stellt konkrete Maßnahmen zum Schutz, zur Versorgung und zur Behandlung von älteren Menschen vor.

„Wir haben alle berechtigte Sorge, wie es mit der Versorgung unserer geriatrischen Patienten langfristig weitergeht“, sagt DGG-Präsident Prof. Hans Jürgen Heppner, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Helios Klinikum Schwelm. „Dabei sind wir jetzt auf die Unterstützung von jedem einzelnen und auf die konsequente Umsetzung sinnvoller Maßnahmen angewiesen, um das Voranschreiten der Infektionswelle abzufedern.“ Die geriatrischen, multimorbiden Patienten gehören zur Hochrisikogruppe. Die DGG hat daher Tipps zusammengestellt, wie beispielsweise mit hausärztlichen Besuchen in Pflegeheimen, der Komplettierung einer Pneumokokken-Impfung oder der Versorgung in der Familienpflege umgegangen werden kann.

Konkrete Maßnahmen zum Schutz und zur Versorgung älterer Menschen: Allgemeine Maßnahmen für ältere und alte Menschen

  1. Abstand halten zu anderen Personen, mindestens 1,5 Meter
  2. Hygiene: Hände regelmäßig mindestens 20 bis 30 Sekunden waschen
  3. Veranstaltungen meiden
  4. Impfungen komplettieren
  5. Notfallliste bereitlegen

Maßnahmen zur ambulanten Versorgung geriatrischer Patienten

  1. Praxiskontakte auf ein Mindestmaß beschränken
  2. Verdachtsfälle zur Diagnostik und gegebenenfalls Therapie eng mit den lokalen Gesundheitsbehörden absprechen
  3. Einweisungen in die Notfallambulanzen und Krankenhäuser auf zwingende Notfälle beschränken

Maßnahmen zur teilstationären Versorgung geriatrischer Patienten

  1. Tagespflegeeinrichtungen sollten ihre Aufnahmen auf das Notwendigste beschränken
  2. Täglich eine Risikoanamnese erheben
  3. Keine Aufnahmen von Anmeldungen mit Infektions-/Erkältungszeichen
  4. Geriatrische Tageskliniken sollten den Betrieb für die nächsten Wochen gänzlich einstellen
  5. Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen sollten nach Möglichkeit nur als Einzeltherapien beziehungsweise im häuslichen

Maßnahmen zur vollstationären Versorgung geriatrischer Patienten

  1. Ausführliche Anamnese, um mögliche Infektionskontakte zu identifizieren
  2. Umsetzung des Besuchsverbotes
  3. Keine elektiven oder plan- und verschiebbare Aufnahmen
  4. Auf frühe Anzeichen von Atemwegsinfektionen achten
  5. Pandemiepläne entsprechend der eigenen Krankenhausplanung umsetzen

Maßnahmen zur Versorgung geriatrischer Bewohner in Pflegeeinrichtungen

  1. Regelhafte Heimbesuche durch den Hausarzt vorrübergehend aussetzen
  2. Aufklärung der Mitarbeiter und Bewohner über die Risiken und Schutzmaßnahmen
  3. Besuchsverbote und Mindestabstand beachten
  4. Für Bewohner von Alten- oder Pflegeeinrichtungen gelten die gleichen Prinzipien wie bei der Prävention beziehungsweise beim Ausbruchsmanagement anderer Atemwegserkrankungen – so wie sie beim Robert-Koch-Institut hinterlegt sind

Maßahmen zur Versorgung geriatrischen Menschen in der Familienpflege

  1. Bei älteren Familienangehörigen, oder denen mit vorbestehenden Erkrankungen, sollten zur Infektionsvermeidung alle oben genannte Regeln berücksichtigt werden.
  2. Bei älteren oder chronisch kranken Familienmitgliedern, die auf Unterstützung angewiesen sind, müssen die Regeln zur Infektionsvermeidung selbstverständlich ebenfalls beibehalten werden.
  3. Es sollten sich vorrangig die Familienmitglieder mit dem geringsten Infektionsrisiko kümmern und nicht gerade diejenigen, die selbst Symptome einer Atemwegserkrankung aufweisen – auch wenn es diejenigen sind, die sich bisher immer gekümmert haben.

Weitere Behandlungsempfehlungen der DGG: Regelvisiten aussetzen: Maßnahmen für häusliche Besuche in Pflegeheimen

Wir müssen Vorkehrungen treffen, die für diese vulnerable Gruppe aber nicht in der Isolation enden dürfen. Eine wichtige Maßnahme ist, dass Regelvisiten bei Heim- und Hausbesuchen bis auf weiteres ausgesetzt werden. Es ist eine gute Entscheidung, regelhafte Besuche in Pflegeheimen ohne konkreten Behandlungsanlass nicht durchzuführen. So kann die weitere Infektionsverbreitung verhindert werden. Diese Empfehlung ist auf die kommenden zwei bis vier Wochen ausgelegt. Aber auch das sind willkürlich festgelegte Zahlen, die durchaus wieder geändert werden können. Wir gehen davon aus, dass diese Entscheidungen wieder gelockert und in Teilen zurückgenommen werden, sobald eine erste Entspannung bei der Ausbreitung des Virus zu erkennen ist.

Diese Abschätzung darf allerdings nicht dazu führen, dass notwendige Maßnahmen nicht ergriffen werden. In jedem Fall sollte zuerst mit der Pflegeeinrichtung beziehungsweise dem Patienten telefonisch und fremdanamnestisch geklärt werden, ob ein ärztlicher Hausbesuch in diesem Pflegeheim für den Patienten wirklich erforderlich ist – oder ob erste Therapiemaßnahmen auch ohne das Erscheinen des Arztes vor Ort eingeleitet werden können. Unerlässlich ist der Kontakt mit dem örtlichen Gesundheitsamt, um weitere Maßnahmen gemeinsam absprechen zu können. Eine unreflektierte Einweisung in die Notaufnahme löst das Problem keinesfalls.

Fehlende Schutzausrüstung: Hygiene und Logistik sind gefragt

In diesem Zusammenhang taucht immer wieder das Problem der unzureichenden persönlichen Schutzausrüstung auf. Dies ist bekannt – keine Einrichtung war und ist darauf vorbereitet. Allerdings können dieses Problem weder die medizinischen Fachgesellschaften noch die ambulant versorgenden Akteure vor Ort lösen. Hier ist Hygiene und Logistik gefragt: Die Wiederaufbereitung von bisher verwendetem Einmalmaterial muss in diesen Zeiten sicherlich diskutiert werden.

Risiko für schwere Verläufe: geriatrische Patienten

Entscheidend ist zu wissen, dass sich das erhöhte Risiko für schwere Verläufe vor allem auf Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen bezieht. Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt die folgende Risikogruppen:

  • ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren)
  • Raucher
  • Personen mit bestimmten Vorerkrankungen:
    • des Herzens (zum Beispiel koronare Herzerkrankung),
    • der Lunge (zum Beispiel Asthma, chronische Bronchitis),
    • Patienten mit chronischen Lebererkrankungen,
    • Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit),
    • Patienten mit einer Krebserkrankung,
    • Patienten mit geschwächtem Immunsystem (zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie beispielsweise Cortison).

Diese Auflistung erinnert an die definierten Risikogruppen für Influenza oder auch Pneumokokken-Erkrankungen.

Sehr sinnvoll: Komplettierung der Pneumokokken-Impfungen

Bei Impfstoffen erkennen wir nun die Problematik einer ausgelagerten und reduzierten Produktion. Der Versuch, Lagerkosten zu vermeiden, und das Ziel, „on demand“ zu produzieren, scheinen sich keinesfalls auszuzahlen. Wir geben ihnen recht, dass in manchen Hausarztpraxen und Apotheken nur noch wenige Vorräte an Impfstoffen vorhanden sind. In diesem Fall bleibt uns nur übrig zu hoffen, dass die Industrie in der Lage ist, ihre Produktion schnell den Bedürfnissen anzupassen. Wir wissen (Stand Freitag, 13.03.2020): Pneumovax von MSD ist derzeit nicht lieferbar, Prevenar von Pfizer steht kurz davor. Prevenar 13 kann aber eine Alternative bieten. Auch in diesem Fall bleibt uns nur übrig zu hoffen, dass die Industrie in der Lage ist, ihre Produktion schnell den Bedürfnissen anzupassen. Der Mangel an Impfstoff ändert aber nichts daran, dass die Empfehlungen

Pfelegende Angehörige: Risikokontakte in jedem Fall vermeiden

Bei den vulnerable Patienten, die im häuslichen Umfeld von ihren Familien versorgt werden, verhält es sich wie überall in der Allgemeinbevölkerung: Risikokontakte sind in jedem Fall zu vermeiden, pflegende Angehörige müssen sich derzeit – auch ohne begründeten Verdacht – aus dem sozialen Leben im Umfeld soweit es möglich ist zurückziehen, um ihre risikobehafteten Angehörigen nicht unnötig zu gefährden.

Alternativen zum direkten Kontakt: Videoschaltung, Life-Chats, Besuche vor dem Fenster im Ergeschoss

Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Versorgung der Bewohner in Langszeitpflegeeinrichtungen. Hier wurden mittlerweile die Maßnahmen zur Infektionsprävention enorm verschärft und reichen nun bis hin zum Besuchsverbot. Dies ist sicherlich sinnvoll, dennoch muss auf Familien- und Freundeskontakte nicht verzichtet werden. Es gibt genügend Möglichkeiten, um Alternativkontakte zu schaffen. Dazu gehören regelmäßige Videoschaltungen, Live-Chats, Social Media oder der Besuch vorm Fenster im Erdgeschoss einer Pflegeeinrichtung.

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