Aus den Kliniken

Darmbakterien steuern die Darmbewegung

07.02.2020 -

Darmbakterien unterstützen eine gesunde Verdauung, indem sie den Nervenzellen im Darm helfen, die Kontraktion und Entspannung der Muskelwand des Dickdarms zu regulieren.

Dies haben Forschende des Crick-Instituts in London, der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital Bern entdeckt.

Damit Nahrung durch den Darm wandern und der Kot ausgestoßen werden kann, muss der Darm den Inhalt systematisch vorwärtsbewegen, indem er ihn über seine Länge nach und nach zusammendrückt. Diese Kontraktion und Entspannung der Muskeln im Dickdarm werden durch Nervenzellen im Darm reguliert. Anomalien der Darmbewegung verursachen häufig Krankheiten wie das Reizdarmsyndrom oder die nach einer Operation auftretenden Störungen der Darmfunktion. Nun haben Forschende des Crick-Instituts in London, des Department for BioMedical Research der Universität Bern (DBMR) und des Inselspitals, Universitätsspital Bern entdeckt, wie diese Nervenzellen – und somit die Darmbewegung – durch bestimmte Darmbakterien beeinflusst werden. Dabei handelt es sich um einen erstmals beschriebenen Mechanismus.


Die Nadel im Heuhaufen

Der Darm enthält Billionen von Bakterien, die durch die Produktion von Stoffen wie Vitaminen und Aminosäuren die Funktion vieler Organe in unserem Körper, einschließlich des Gehirns, beeinflussen. Zudem weist der Darm mehr Nerven auf als das Rückenmark. Es ist bereits belegt, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Vorhandensein bestimmter Bakterien im Dickdarm und der Geschwindigkeit, mit der sich die Nahrung durch den Darmtrakt bewegt. Bisher war jedoch unklar, inwiefern Darmbakterien für das Funktionieren der Millionen von Nervenzellen im Verdauungssystem zuständig sind.

Den Forschenden um Prof. Andrew Macpherson vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Inselspitals, Universitätsspital Bern, sowie um Dr. Yuuki Obata, Dr. Brigitta Stockinger und Dr. Vassilis Pachnis vom Crick Institute in London ist es nun gelungen, gewisse von Darmbakterien produzierte Stoffe zu identifizieren, die auf Nervenzellen einwirken, die wiederum für die Darmbewegung zuständig sind. Dabei bestand die Schwierigkeit darin, herauszufinden, welche Stoffe für die Signalgebung in den Nervenzellen verantwortlich sind. „Das Nervensystem im Darm ist ein extrem kompliziertes Netzwerk, das sich nur schwer von den anderen Zellen in der Darmstruktur trennen lässt“, erklärt Andrew Macpherson, Ko-Letztautor der Studie. „Zudem werden viele verschiedene Stoffe produziert, so dass man nach einer Nadel im Heuhaufen sucht.“

Bakterien aktivieren Rezeptor

Um die Wirkung von Darmbakterien auf die Darmbewegung zu untersuchen, setzten die Forschenden keimfreie Mäuse ein, deren Darm nicht von Bakterien besiedelt ist, und verglichen diese mit Tieren mit Darmbakterien. Sie entdeckten, dass die keimfreien Tiere tatsächlich eine reduzierte Darmbewegung aufwiesen im Vergleich zu Tieren, die mit gutartigen Bakterien besiedelt waren. „Dabei stellte sich heraus, dass ein spezieller Rezeptor, der Arylkohlenwasserstoffrezeptor AhR, bei den Darmnervenzellen durch die Anwesenheit von Darmbakterien „eingeschaltet“ wird“, sagt Yuuki Obata vom Crick Institute, Hauptautorin der Studie. Dass AhR für die Funktion von Immun- und anderen Zellen im Darm sehr wichtig ist, war bereits bekannt. „Unsere Arbeit zeigt, dass dieser Rezeptor auch von Darmnervenzellen verwendet wird, um die Anwesenheit von Bakterien zu erkennen und die Darmbeweglichkeit zu regulieren – und so eine gesunde Verdauung zu fördern“, erklärt Vassilis Pachnis, Ko-Letztautor am Crick Institute.

Möglicher Therapieansatz

„Störungen der Darmbewegung sind extrem häufig und verursachen viel Leid bei Patienten nach chirurgischen Eingriffen oder bei Personen, die am Reizdarmsyndrom erkrankt sind“, sagt Macpherson. „Unsere Ergebnisse liefern eine Erklärung, warum bestimmte Patienten, deren Darm mit anderen Bakterienstämmen besiedelt ist, für diese Darmprobleme anfälliger sind“, so Macpherson weiter. Brigitta Stockinger vom Crick Institute, Ko-Letztautorin, ergänzt: „Wir hoffen, dass in Zukunft die Aktivität von AhR in den Nervenzellen gezielt verändert werden könnte, um die Folgen einer abnormen Darmbeweglichkeit zu lindern, die häufig mit Magen-Darm-Erkrankungen einhergeht.“

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