„Das ist wirklich einmalig - auch, wenn man schon 46 Jahre dabei ist"
12.02.2021 - Interview mit dem Landesleiter der Bereitschaften des DRK Landesverbandes Sachsen, Ralf Gräser, zum neuen Impfzentrum Zwickau.
Seit Anfang Januar wurden deutschlandweit über 400 Impfzentren mit medizinischem Personal und Impfstoff ausgestattet. Zuständig für die Planung und Verteilung des Impfstoffs sind das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundesländer. Die Standorte der Impfzentren bestimmen die Kommunen selbst, meist werden Veranstaltungs- und Messehallen genutzt, da hier schon optimale Voraussetzungen herrschen. In Sachsen werden die 13 Impfzentren vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Sachsen organisiert: jeweils eins in den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz sowie ebenfalls jeweils eins in den zehn Landkreisen. Besucht hat die Redaktion das Impfzentrum Zwickau, das im Januar für vier DRK-Kreise gleichzeitig in Betrieb genommen wurde.
M&K: Während in Deutschland die meisten Menschen im Dezember letzten Jahres ihr Weihnachtsmenü geplant haben, stand das DRK vor der Herausforderung Impfzentren einzurichten. Wie macht man aus einer Eventlocation ein Impfzentrum?
Ralf Gräser: Indem man erstmal die Eventlocation fragt, ob man das dort umsetzen darf. Es gehören mehrere Partner dazu, die nicht einfach so von heute auf morgen bereitstehen. Die Stadthalle Zwickau stand aber bereit, weil, wie jeder aus den Medien weiß, zurzeit der Kulturbetrieb überall ruht. Die Stadthalle Zwickau wurde ausgewählt, weil sie erstens verkehrsmäßig hervorragend angebunden und zweitens als Objekt top ausgerüstet ist: Die Lüftungsanlage wälzt die gesamte Raumluft hier jede Stunde einmal komplett um, wir haben im gesamten Gebäude Fußbodenheizung. Wir greifen auf eine hervorragende Infrastruktur zurück, wie bestehende Notausgänge, ausreichend Sanitäreinrichtungen sowie zertifizierte Verträge mit Security, mit Messebauern und anderen Dienstleistern. So war es einfacher für uns, als wenn man irgendetwas aus dem Boden stampfen und einkaufen hätte müssen. Sicherlich ist es trotzdem eine sportliche Leistung gewesen, in der Kürze der Zeit alles, was gefordert worden ist, auch zu aktivieren.
Wie lange haben Sie für alle Vorbereitungen benötigt?
Gräser: Bei unserem ersten Gespräch Anfang November habe ich gefragt, ob das Team der Stadthalle sich vorstellen könnte, ein Impfzentrum zu werden. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass das DRK Sachsen Objekte in Sachsen sucht, in die Begutachtung gibt und die Angebote vorbereitet. Den Auftrag zur Einrichtung erhielt der DRK Kreisverband Zwickau-Land, der sich mit dem KV Zwickau, Hohenstein-Ernstthal und Glauchau diese Aufgabe teilt. Der Termin vom Sächsischen Ministerium für Soziales und Gesundheit war der 15. Dezember, wir hatten also ungefähr vier Wochen Zeit, das Objekt so einzurichten, wie wir es vorfinden. Da ging es einerseits um die korrekte Ausstattung, die Besorgung dieser und aller „Nebensachen“ wie beispielsweise Winterdienst, Abfallentsorgung usw. und dann stand noch besonders die Frage nach Helfern im Raum.
Eine gute Überleitung zur nächsten Frage, gleich nach der Logistik: Wie kommt das DRK sachsenweit an das notwendige Personal?
Gräser: Alle Mitarbeiter wurden über einen landesweiten Aufruf des DRK rekrutiert. In Chemnitz hat das die z.B. Wirtschaftsförderung übernommen. Es gibt aber auch Kreisverbände, die das allein organisiert haben. Tatsächlich haben sich über 3.000 Leute gemeldet, für die 13 Impfzentren brauchten wir 300 Mitarbeiter. Da sieht man die positive Resonanz, die in der Bevölkerung herrscht, eine Hilfsorganisation wie das DRK zu unterstützen. Prinzipiell ist es so, dass alle Leute im Impfzentrum festangestellt sind, es gibt also keine ehrenamtlichen Strukturen, die sind aber in Wartestellung. Sobald hier jemand beispielsweise krankheitsbedingt ausfällt, können die Ehrenamtlichen das berufliche Personal sofort für einen kurzen Zeitraum ersetzen.
Gibt es gewisse Vorgaben, die deutschlandweit einheitlich sind, die man in einem Impfzentrum einhalten muss?
Gräser: Es gibt eine Vorgabe, wie eine Impfstrecke in Abschnitte aufgeteilt werden muss. Alle Zentren beginnen im Eingangsbereich mit Temperaturmessungen und mit einem Corona-Test-Abstrich bei erhöhten Temperaturen oder unklarer Lage. Der Wartebereich im Eingang muss vor allem sicher sein, gerade für Personen, die vielleicht schon zehn Minuten vor ihrer Impfung da sind. Nach Testung der Patienten folgt die offizielle Anmeldung, ausgestattet von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) mit Anmeldechipkartenleser und allem, was dazugehört. Weitere Posten einer Impfstrecke sind überall gleich: es muss einen Raum für das Arztgespräch geben, separierte Impfkabinen, ein Lager und einen Wartebereich am Ende, denn die „Impflinge“ werden hier anschließend noch ca. 15 Minuten beobachtet. Im Ausgangsbereich steht Personal, damit die Leute auch ordnungsgemäß das Objekt verlassen und sich keiner verirrt.
In dieser Einrichtung gibt es das alles mal Zwei, also zwei parallele Impfstrecken. In anderen Objekten laufen sogar drei oder vier Impfstrecken parallel. Wir haben hier zwei komplette Strecken mit vier Impfplätzen und können das aber noch einmal aufstocken. Der Durchlauf pro Impfstrecke beträgt pro Patient erfahrungsgemäß etwa eine halbe Stunde. Das Arztgespräch und das Impfen gehen dabei am schnellsten. Danach ist eine Viertelstunde Wartezeit vorgegeben. Das ist im Prinzip wie bei der Blutspende, wo eine halbe Stunde Ruhe empfohlen wird.
Stimmt es, dass der Impfstoff bei minus 70 Grad geliefert wird?
Gräser: Nein, das ist nicht richtig. Der Impfstoff kommt im aufgetauten Zustand bei uns an. Bei minus 70 Grad werden die Impfstoffe nur in den Zentrallagern vom Hersteller bzw. Versender gelagert. Hier im Impfzentrum wird er bei Kühlschranktemperatur zwischen 3 und 4 Grad aufbewahrt. Dort ist er fünf Tage haltbar und innerhalb dieses Zeitraums zu verspritzen. Wichtig ist, dass an den Tagen immer so viele Dosen aufgezogen werden, dass der Impfstoff auch vollständig aufgebraucht wird und nichts weggeworfen wird.
Neben dem Impfstoff benötigt das Fachpersonal für die Impfung noch einiges an Materialien: Spritzen, Pflaster, Tupfer, Desinfektionsspray. Und das alles steril, sauber und griffbereit. Wie bewahren Sie all das auf? Gibt es da direkte Sicherheitsvorkehrungen?
Gräser: Wir haben feste Lager im Hintergrundbereich, aber keine großen Lagerkapazitäten. Logistisch ist alles fest getimt und hervorragend organisiert, es wird sofort nachgeliefert, wenn irgendetwas im Lager ausgehen sollte. Verantwortlich dafür ist eine Sicherheitsingenieurin und für die Logistik ein Objektleiter.
Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter hier vor Ort?
Gräser: Mit den gleichen Maßnahmen wie unsere Patienten. Die Mitarbeiter betreten morgens das Impfzentrum und müssen zweimal in der Woche einen PCR-Test vornehmen lassen. Das ist so vorgeschrieben. Bei jedem wird früh Temperatur gemessen. Das ist deshalb so streng, weil wir im Falle einer Covid-19-Erkrankung beim Personal diese Einrichtung für den gesamten Landkreis Zwickau schließen müssten.
Können Sie ganz kurz den Ablauf schildern, wie die Impfung erfolgt?
Gräser: Ein Patient registriert sich online nach Priorität und dann kommt er mit einer Einladung durch die KV oder das Onlineportal zu einem fest vergebenen Termin. Am Eingang geht er unverzüglich zur Temperaturmessung, füllt dort bereits seine Daten aus. Er muss angeben, ob er angemeldet ist oder ohne Anmeldung kommt. Es kommen nämlich auch ein paar Unangemeldete, die aber in der Priorisierungsgruppe 1 liegen, wie z.B. Senioren. Das muss alles logistisch bewältigt werden und auch genügend Impfstoff muss vorrätig sein. Danach geht der Patient in den Wartebereich, wo er den Anamnesebogen ausfüllt, den er beim Check-In erhält. Vom Wartebereich geleiten Helfer vom DRK dann weiter zur Anmeldung, dort werden die Unterlagen geprüft, die Chipkarte eingelesen und noch einmal der Personalausweis vorgezeigt. Es folgt das freiwillige Arztgespräch. Auf der Einwilligungserklärung müssen drei Punkte entweder mit „ja“ oder „nein“ angekreuzt werden: Bedarf an einem Arztgespräch, Wunsch nach Impfung und Einwilligung zur Impfung. In der Impfkabine wird dann aufgeklärt, in welchen Arm die Impfung erfolgen soll. Das ist das kürzeste Prozedere von allen und tut überhaupt nicht weh. Danach kann der Patient in den Wartebereich gehen, einen Tee oder Wasser trinken. Im Check-Out bekommt jeder sofort einen Termin für die Zweitimpfung, die nach 21 Tagen mit dem derzeitigen Impfstoff von Biontech/Pfizer erfolgt.
Schicken Sie von der Stadthalle aus auch mobile Teams?
Gräser: Es starten von hier aus täglich zwei mobile Teams, die in Altersheimen unterwegs sind. Wir haben in Sachsen durch die hohe Inzidenz viele Heime, zu denen die Impf-Teams am dringendsten versorgen sollen. Das wird von uns jeweils am Vorabend geplant und organisiert und dann kann es aber passieren, dass es dort, in genau diesem Pflegeheim, plötzlich einen Corona-Ausbruch gibt. Dann stehen die Kollegen mit 100 Spritzen da und wissen nicht, wo sie damit hin sollen. Die Dosen werden wieder zurückgebracht oder es muss nun schnell ein anderes Pflegeheim angefahren werden. Hier sind wir in der Organisation dann stark gefragt.
Hochachtung, dass Sie das alles für die Impfzentren ehrenamtlich machen.
Gräser: Wir sind alle sehr mit dem DRK verbunden. Irgendwann wird es eine Feierstunde geben, für die, die das alles hier bewerkstelligt haben. Wir haben hier wirklich ein ganz tolles Team und mit den Partnern eine ganz verantwortungsvolle Zusammenarbeit. Das fängt bei der Oberbürgermeisterin an, das geht über die Mitarbeiter der Stadthalle, den Stadtordnungsdienst, die Polizei, also alle, die hier unten auch mitspielen. Das ist einfach großartig. Wir haben beim DRK wertvolle Grundsätze wie Menschlichkeit und Miteinander, die spürt man hier und das ist wirklich einmalig – auch, wenn man wie ich schon 46 Jahre dabei ist. Mich persönlich macht es stolz, dass wir so eine anspruchsvolle Aufgabe als Team bewältigen und ausführen dürfen.
Der Beitrag ist bereits unter www.abfallmanager-medizin.de erschienen.
Autorin: Nadine Faßhauer, Leipzig
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