Medizin & Technik

Deutsche Medizintechnik rechnet mit schwachem Wachstum fürs Gesamtjahr 2024

07.11.2024 - Investitionsstau, Kostensteigerungen und überbordende Regulatorik belasten das Geschäft, doch Potenzial ist auf dem Weltmarkt weiter vorhanden.

Nach Daten des Statistischen Bundesamtes lag der Umsatz der deutschen Medizintechnikindustrie im Zeitraum Januar bis August 2024 nominal um 1,6 Prozent über dem Vorjahresniveau. Gleichzeitig sind die Erzeugerpreise um knapp drei Prozent gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten legte um 2,2 Prozent zu. Für das Gesamtjahr rechnet der Branchenverband SPECTARIS mit einer ähnlichen Entwicklung. Dies entspräche dann einem Gesamtumsatz von rund 41 Milliarden Euro und etwa 165.000 Beschäftigten.

„Nach Umsatzzuwächsen von fünf Prozent oder mehr in den letzten Jahren zeigt sich jetzt eine Entwicklung, die wir leider befürchtet haben: Insbesondere im Inland gerät der Wachstumsmotor Medizintechnik ins Stocken. Zusätzlich steht die Ertragslage vieler Medizintechnikunternehmen aufgrund der nach wie vor hohen Kosten und eines anhaltenden Investitionsstaus im deutschen Gesundheitswesen weiter unter Druck“, betont Marcus Kuhlmann, Leiter der Medizintechnik im Deutschen Industrieverband Spectaris anlässlich der Pressekonferenz zur internationalen Leitmesse Medica in Düsseldorf.

Auf dem deutschen Markt stellt die finanzielle Schieflage vieler deutscher Kliniken eine Herausforderung dar, bei den Pflegeeinrichtungen sieht das Bild nicht anders aus. Investitionen in moderne Medizintechnik, die den Patientinnen und Patienten zugutekommen, werden zurückgehalten. Der jüngste Bruch der Ampel-Regierung in Berlin erhöht die Planungsunsicherheit noch weiter. Hinzu kommt ein Bürokratieaufwand, der nicht zuletzt durch die europäische Medizinprodukteverordnung ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen hat, hohe Kosten verursacht und dringend benötigte Personalkapazitäten bindet. Sorgen bereitet der Branche auch die geplante pauschale Beschränkung von Hochleistungswerkstoffen auf Basis von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), wodurch die Gefahr besteht, dass zahlreiche Medizinprodukte vom Markt verschwinden.

Chancen werden vor allem auf den internationalen Märkten gesehen. Im Ausland verzeichnete die deutsche Medizintechnik in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres ein Plus von rund 3,5 Prozent. Bis 2028 rechnet die Unternehmensberatung Frost & Sullivan selbst im konservativen Szenario mit einem jährlichen Wachstum des Weltmarktes für Medizintechnik von 6,4 Prozent. „Wachstumschancen sind also weiter vorhanden. Damit die Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger werden und dieses Potenzial vollumfänglich erschließen können, sind jedoch innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen erforderlich. Die Politik muss hier schnell handeln“, ergänzt Kuhlmann.

Ausgehend von den Exportzahlen des Statistischen Bundesamtes des ersten Halbjahres 2024 konnten die deutschen Medizintechnikausfuhren in andere EU-Länder um fünf Prozent gesteigert werden. Auch die Exporte in die USA, dem mit Abstand wichtigsten Exportmarkt deutscher Medizintechnik, verzeichneten ein leichtes Wachstum. Das Geschäft in China zeigt sich dagegen schwierig: Die Exporte in Richtung der Volksrepublik verzeichneten einen Rückgang um 15 Prozent. Gespannt und durchaus mit Sorge schaut die Branche daher auf die Auswirkungen des Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl in Bezug auf die weitere Entwicklung und Richtung der Handelspolitik der beiden größten Volkswirtschaften USA und China.

Grundsätzlich sind die Unternehmen nach Einschätzung von Spectaris vor dem Hintergrund ihrer hohen Innovationsfähigkeit noch gut positioniert. Bei den Anmeldungen beim Europäischen Patentamt lag Deutschland im Jahr 2023 mit 1.380 Anmeldungen hinter den USA (6.089 Anmeldungen) und vor der Schweiz (1.010 Anmeldungen) auf Platz 2. Neben dem Megatrend Digitalisierung spielt beispielsweise die Robotik im Bereich Medizintechnik eine immer wichtigere Rolle. Um diese Entwicklung zu nutzen, bietet das SPECTARIS-Trendforum Robotics am 11. Dezember 2024 in Berlin die Gelegenheit, sich zu vernetzen und Informationen zu aktuellen Trends zu erhalten.

Die Medizintechnik-Branche (Hersteller von medizintechnischen Geräten und Medizinprodukten inkl. Kleinstunternehmen) beschäftigte im Jahr 2023 laut Gesundheitswirtschaftlicher Gesamtrechnung des WifOR-Instituts in Deutschland insgesamt rund 212.300 Menschen und erwirtschaftete eine Bruttowertschöpfung von 18,2 Mrd. Euro. Nach der Wirtschaftsstatistik gab es 2023 in Deutschland 1.480 Medizintechnik-Hersteller mit mehr als 20 Beschäftigten, die über 161.000 Mitarbeitende beschäftigten und einen Gesamtumsatz von über 40 Milliarden Euro erzielten (55 Mrd. Euro inkl. Kleinstunternehmen). 68 Prozent des Medizintechnik-Umsatzes stammen aus dem Auslandsgeschäft. Rund 9 Prozent des Umsatzes werden in Forschung und Entwicklung investiert. 93 Prozent der Unternehmen sind KMU.

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