Aus den Kliniken

Diabetische Nierenerkrankung: Ursache und möglicher Therapieansatz identifiziert

11.10.2024 - Forschende der Universitätsmedizin Leipzig haben einen neuen Mechanismus entschlüsselt, der eine zentrale Rolle in der Entwicklung der diabetesbedingten Nierenerkrankung spielt.

Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht ein Gerinnungsprotein. Dieses ist bereits im frühen Stadium der Erkrankung in Urinproben Betroffener nachweisbar und kann als Marker für die Diagnose dienen. Seine Konzentration lässt Rückschlüsse auf die Schwere der Erkrankung zu. Ein neuer Behandlungsansatz könnte in der gezielten Hemmung dieses Gerinnungsproteins bestehen. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissenschaftler*innen im renommierten Fachjournal Nature Communications.

Die diabetische Nierenerkrankung – eine Begleiterkrankung des Diabetes – gilt als die weltweit häufigste Ursache für chronische Nierenerkrankungen und Nierenversagen. Sie geht mit Veränderungen der Struktur sowie der Funktionen der Niere einher und führt schließlich zu Nierenschäden.

Signalmechanismus löst oxidativen Stress aus

Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Leipzig konnte nun einen Signalmechanismus identifizieren, der die Schädigung der Nierenzellen verursacht. Daran beteiligt ist der Gerinnungsfaktor FXII (F12), auch Hageman-Faktor genannt. „Dieser wird bei erhöhtem Blutzucker vermehrt im Körper gebildet”, erläutert Ahmed Elwakiel, Erstautor der Studie und Wissenschaftler an der Universitätsmedizin Leipzig. Unabhängig von seiner normalen Funktion in der Blutgerinnung entfaltet FXII an den tubulären Epithelzellen der Nieren eine andere Wirkung: Über einen Rezeptormechanismus bildet er mit zwei weiteren Proteinen, die unterschiedliche Funktionen im Körper haben, einen Komplex, der wie ein molekularer An-Aus-Schalter funktioniert. Dieser gibt das Signal, vermehrt freie Sauerstoff-Radikale zu bilden. Oxidativer Stress und DNA-Schädigung der Zelle sind das Ergebnis. „Anders als normalerweise in der Zellkommunikation bleibt der Schalter jedoch an, es gibt keine Pause”, so Ahmed Elwakiel. Auf Dauer kann der kontinuierlich zunehmende Schaden weder aufgefangen noch repariert werden. Die Niere funktioniert dann nicht mehr richtig. Mit der Zeit verschlimmert sich das Problem.

Gerinnungsfaktor als diagnostischer Marker geeignet

„In unserer Studie zeigen wir, dass FXII auch im Urin von Diabetes-Patientinnen und -Patienten mit Nierenerkrankung nachweisbar ist”, erläutert Prof. Dr. Berend Isermann, Senior-Autor der aktuellen Publikation. „Dabei korreliert die FXII-Konzentration mit der Schwere der Erkrankung: umso höher der Wert, desto mehr ist die Niere bereits geschädigt. Daher eignet sich der Wert als diagnostischer Marker”, so der Leiter des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik. Bereits im Anfangsstadium sei FXII nachweisbar und somit auch ein wichtiger Indikator für die Erfolgsaussichten einer Behandlung.

Für das Vorkommen von FXII im menschlichen Organismus und sein Zusammenspiel mit der Diabetes-Erkrankung analysierten die Forscher*innen klinische Werte, Nieren-Biopsien sowie Urinproben mehrerer menschlicher Kohorten: darunter aus der LIFE Adult-Studie der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig sowie der HEIST-DiC-Kohorte der Universität Heidelberg.

Möglicher Therapie-Ansatz

Auch im Mausmodell zeigte sich der Zusammenhang zwischen FXII und der Beeinträchtigung der Nierenfunktion deutlich: Hierfür verglichen die Wissenschaftler*innen die Nierenfunktion von diabetischen Mäusen, die FXII bildeten, mit Mäusen, in denen sie die Herstellung von FXII vorübergehend blockiert hatten. „Die Nierenfunktion der Mäuse, die FXII bildeten, war deutlich schlechter”, so Elwakiel. Auch eine Hemmung der FXII-Herstellung nach Nierenschädigung konnte die Nierenfunktion weitgehend verbessern. Somit könnte der von den Wissenschaftlern entdeckte Ansatz auch bei bereits etabliertem Nierenschaden einen heilenden Effekt haben. „Eine weitere Herangehensweise ist, die Bildung des gesamten signalauslösenden Komplexes zu verhindern”, so der Pharmakologe. In in-vitro-Zellexperimenten konnte der Mechanismus so gestoppt werden.

Negative Nebenwirkungen auf die Blutgerinnung durch die Hemmung von FXII seien nicht zu erwarten, so die Autor*innen der Studie. „Der Organismus verfügt über verschiedene Blutgerinnungsfaktoren, er braucht FXII nicht unbedingt. Aus anderen Studien wissen wir, dass seine Hemmung keine verstärkten Blutungen zur Folge hat”, so Elwakiel.

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