Die menschlichen Helfer von SARS-CoV-2
17.12.2020
- Natürliche Variation beeinflusst virusrelevante Proteine
Proteine, ermöglichen als Rezeptoren dem Virus den Eintritt in die Wirtszelle oder helfen ihm bei seiner Vermehrung.
Wissenschaftler von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und vom Berlin Institute of Health (BIH) haben nun gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien, Deutschland und den USA in einer großen Studie die entsprechenden Gene der Helferproteine untersucht. Dabei stießen sie auf eine Vielzahl an Varianten, die die Menge oder die Funktion der Proteine beeinflussen und damit auch ihre Fähigkeit, das Virus zu unterstützen. Sie verraten somit mögliche Zielstrukturen für neue Medikamente.
Eine Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 verläuft, wie jede Virusinfektion, nach einem bestimmten Schema ab: Zunächst binden die Viren an Rezeptor-Proteine auf der Oberfläche der menschlichen Wirtszellen in Rachen, Nase oder Lunge, anschließend gelangen sie in die Zelle hinein, wo sie sich mithilfe der Wirtszellmaschinerie vermehren. Die neu gebildeten Viruspartikel bringen die befallene Zelle zum Platzen und infizieren weitere Zellen. Sobald das Immunsystem das Geschehen bemerkt, kommt ein Abwehrmechanismus in Gang, mit dem Ziel, sowohl die Viren als auch virusbefallene Zellen zu zerstören und zu entfernen. Läuft alles seinen geregelten Gang, ist die Infektion normalerweise nach zwei Wochen ausgestanden. Für all diese Prozesse ist das Virus allerdings auf Proteine des Menschen bzw. Wirtes angewiesen.
Geregelter Gang außer Kontrolle
„Bei schweren COVID-19-Verläufen ist dieser geregelte Gang außer Kontrolle geraten und das Immunsystem verursacht eine überschießende Entzündungsreaktion, die nicht nur virusbefallene Zellen angreift, sondern auch gesundes Gewebe“, sagt Prof. Dr. Claudia Langenberg, BIH Professorin für Computational Medicine und Leiterin der jetzt publizierten Untersuchung. „Natürlich vorkommende Variationen der Gene, die den Bauplan für diese menschlichen Eiweiße beeinflussen, können ihre Konzentration oder Funktion verändern und somit eine Ursache für den unterschiedlichen Verlauf der Erkrankung sein“, sagt Prof. Langenberg. Das Team kennt sich aus mit genetischen Varianten, die die Konzentration oder Struktur von Proteinen und anderen Molekülen im menschlichen Blut beeinflussen. „Als molekulare Epidemiologen untersuchen wir die Vielfalt in den Genen, also den Bauanleitungen der Proteine ganzer Bevölkerungsgruppen, um so Anfälligkeiten für Krankheiten aufzudecken, deren Ursache im Zusammenspiel vieler kleiner Abweichungen liegt“, erklärt die Wissenschaftlerin, die erst im September von der Medical Research Council Epidemiology Unit an der University of Cambridge ans BIH wechselte. „Diese Erfahrungen und Datensätze wollten wir nun für die COVID-19-Epidemie nutzen und der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung stellen.“
Natürlich vorkommenden Varianten
„Wir haben 179 Proteine, von denen bekannt war, dass sie bei einer SARS-CoV-2-Infektion beteiligt sind, auf ihre natürlich vorkommenden Varianten untersucht“, berichtet Dr. Maik Pietzner, Erstautor der Studie und Wissenschaftler bei Prof. Langenberg im Labor. „Wir konnten dabei schon auf Ergebnisse zurückgreifen, die auf Proben von den ersten COVID-19-Patientinnen und -Patienten der Charité beruhten.“ Das war möglich durch die enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie der Charité, die dazu schon zuvor Ergebnisse publizieren konnte. Das Team von Prof. Langenberg konnte Daten einer umfangreichen Bevölkerungsstudie nutzen, die MRC-Fenland-Kohorte, die Informationen von mehr als 10.000 Studienteilnehmenden enthält. Dabei entdeckten sie 38 Zielstrukturen für bereits verfügbare Medikamente sowie Hinweise darauf, dass bestimmte Proteine, die mit dem Virus interagieren, auch das Immunsystem beeinflussen. „Unsere Ergebnisse helfen zudem, Risikofaktoren für mitunter schwere Verläufe von COVID-19 besser zu verstehen, so konnten wir zeigen, dass Proteine der Blutgerinnung von der gleichen genetischen Variante beeinflusst werden, die auch das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, erhöht und die ursächlich die Blutgruppe 0 bestimmt“, berichtet Dr. Pietzner.
Die Ergebnisse hat das Team sofort auf einem Webserver, der mit Kollegen des Helmholtz Zentrum München entwickelt wurde, öffentlich zur Verfügung gestellt (https://omicscience.org/apps/covidpgwas/). Seither nutzen Wissenschaftler in aller Welt die Daten, um Zielstrukturen für neue Medikamente zu identifizieren oder um den Verlauf von COVID-19 besser zu verstehen. „Noch bevor unsere Arbeit offiziell veröffentlicht wurde, sind bereits Artikel erschienen, die unsere Erkenntnisse nutzen“, freut sich Prof. Langenberg. „Genau das haben wir uns erhofft!“
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