IT & Kommunikation

Die Uhr läuft ab: KHZG in der Antragsphase

19.03.2021 - Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) soll nicht nur Impulse geben, sondern bei der Umsetzung der Maßnahmen helfen, konkret mit Mitteln, aber auch mit Fristen und Auflagen.

Ein Musterland der Digitalisierung ist Deutschland nicht gerade. Vielfach stehen andere, oft kleinere Länder mustergültig da. Manchmal liegt das an der Größe, und manchmal an der Historie. Finnland führte in den 90er Jahren bei der Verbreitung von Handys, weil fünf Millionen Finnen einfach schneller versorgt sind als 82 Millionen Deutsche. Einige afrikanische Länder haben flächendeckend modernste Mobilfunknetze – nachdem es dort vorher nicht einmal ernstzunehmende drahtgebundene Telefonie gab. Vielfach kämpft Deutschland hier also mit seiner langjährigen Technologieführerschaft aus dem vorigen Jahrhundert. Es gab ja Kupfer und Glasfaser und Kabelfernsehen und lange Zeit hat das genügt.

Zu lange hat man sich auf diesen Erfindungen ausgeruht, um nun auch spezifisch die Krankenhäuser mit einer Digitalisierungskampagne zu überziehen und – damit das auch geregelt passiert – das Ganze in Gesetzesform gegossen: Das „Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ trat im Oktober 2020 in Kraft. Der Reklamename lautet Krankenhauszukunftsgesetz oder kurz KHZG. Vom Charakter her ist es ein Mantelgesetz, das Änderungen in verschiedenen anderen Gesetzen zusammenfasst. Ein Kernelement des Gesetzes ist die Digitalisierung in Krankenhäusern.

Tatbestände erfüllen, aber wie?

Art und Umfang der Förderung regelt sich an den Fördertatbeständen. Damit beschreiben die einzelnen Artikel und Paragraphen der beteiligten Gesetze, im Besonderen die Krankenhausstrukturfonds-Verordnung, wie die Förderung konkret aussieht. Diese Fördertatbestände definieren auch Voraussetzungen, die ein Haus erfüllen muss, um Mittel zu erhalten.

So bringt das Konzept der Fördertatbestände unter Umständen einen Nachteil mit sich: Häuser, die bereits gut digitalisiert sind, bekommen möglicherweise weniger Mittel. So richtig genießen werden diese Förderung vor allem große Häuser, denn diese haben oft schon eine digitale Infrastruktur, für die sich leicht ein Ausbauvorhaben formulieren lässt. Sie haben die Voraussetzungen zur Umsetzung und werden somit eher von den Bestimmungen und der versprochenen Förderung profitieren. Dafür gibt es aber auch den Gedanken der Leuchtturmprojekte, mit denen alle Häuser mit einem besonders innovativen Ansatz ihre Digitalisierung fördern lassen können.

Das KHZG soll Standards für die Förderung von Krankenhäusern und insbesondere für Digitalisierung schaffen, und es soll allen zugute kommen. Prof. Dr. Dr. rer. nat. Felix Balzer, seit Jahresanfang Leiter des Instituts für Medizinische Informatik der Charité, kommentierte gegenüber dieser Zeitschrift: „Ein Vorteil des Gesetzes ist, dass die Fragestellung nach dem Bedarf die ganze Klinik betrachtet. Die Digitalisierung ist dringend notwendig und mit dem KHZG sind die Fördermöglichkeiten festgelegt. Es soll also nicht mehr nur dort Mittel geben, wo es brennt.“

Intersektorale Zusammenarbeit nicht durchdacht

Was das KHZG weitgehend außer Acht lässt, sind die niedergelassenen Ärzte, Pflegeeinrichtungen und Reha-Kliniken. Diese müssen sich weiterhin dem anpassen und unterordnen, was sich in Sachen eGA, Digitalisierung, Interoperabilität und auch hinsichtlich der Datenmodelle für den Datenaustausch mit den Krankenhäusern seitens der Krankenhäuser und Krankenversicherungen entwickelt wird. Sie müssen dann immer wieder neue IT-Systeme und -Lösungen in ihren Praxen und Einrichtungen implementieren, jedoch ohne den Komfort einer staatlichen Förderung.

Dr. Balzer erläutert: „Die intersektorale Zusammenarbeit sollte beispielsweise über Apps geschaffen werden, mit der zum Schluss Krankenhausärztin, Patientin und niedergelassene Ärztin eine gemeinsame Datenbasis haben und Dokumente, auch über eine eGA, sicher austauschen können“, und Martin Peuker, CIO der Charité, ergänzt: „Damit solche Apps aber von allen Beteiligten nutzbar sind steht die Netzwerk-Infrastruktur eigentlich noch vor der Beschaffung neuer App, Computer und Software.“

Das beschreibt exemplarisch Aspekte, die sich nicht per Gesetz ändern lassen: Manches Haus mit Stahlbeton kann mit einem WLAN nur schwer ausleuchtet werden. Also müssen viel mehr Netzwerkkabel verlegt werden als in den meisten Neubauten. Das schränkt die Nutzungsmöglichkeiten einer App womöglich schon wieder ein. Andere Häuser, oft die mit sehr viel Tradition, haben noch recht verwinkelte Altbauten aus dem 19. oder 20. Jahrhundert als Basis, ebenfalls eine Hürde für den Netzwerkausbau. Auch die flächendeckende Versorgung mit hohem Datendurchsatz ist noch lange nicht vorhanden und bringt Digitalisierungsprojekte von Krankenhäusern wie auch Unternehmen aus der Wirtschaft an ihre Grenzen.

Hilft der Blick über den Tellerrand?

Wenn es um die Digitalisierung geht, gibt es immer wieder den Ansatz, über den Tellerrand zu schauen und sich an anderen Industriezweigen zu orientieren, wie bei der „Collaboration“: der abteilungs- und bereichsübergreifenden Zusammenarbeit. In den 90ern verbreitete sich dieses Konzept im Bereich von Konstruktion und Entwicklung. Dort gab es dann auch schnell gemeinsam genutzte Daten-Pools. Langsam schwappte das Konzept in den Bereich der Büroarbeit hinüber und inzwischen kämpfen Menschen in allen Branchen mit gemeinsam genutzten Datenbeständen in der Cloud und haben dort so manche Probleme.

Auch bei den Endgeräten gibt es solche Entwicklungen, die die Digitalisierung im Krankenhaus vorantreiben könnten. Ein Beispiel sind Tablets. Was für Marketing, Vertrieb und privaten Gebrauch praktisch ist, hat im klinischen Umfeld seine Tücken. Dr. Balzer: „In Digitalisierungsprojekten gibt es viele Aspekte zu betrachten. So auch bei den Tablets: Passt es in die Kitteltasche? Lässt es sich richtig reinigen, ohne dabei beschädigt zu werden? Reicht die Akkuladung soweit, dass das Gerät im Ernstfall nicht versagt? Ist der Datenschutz gesichert?“ Damit zumindest der letztere Aspekt von der Förderung gewürdigt wird, sieht das KHZG vor, dass 15% der Mittel in die Informationssicherheit investiert werden müssen.

Ein erster Schritt

Der allererste Schritt ist die Anmeldung eines Projekts innerhalb einer vom jeweiligen Bundesland festlegten Meldefrist, und in manchen Ländern sind diese Fristen zum Redaktionsschluss bereits abgelaufen. Gleichzeitig impliziert das Gesetz, dass die Digitalisierung bei allen rasch voranschreitet, denn wie in den häufig gestellten Fragen des Bundesministerium für Gesundheit beantwortet wird: „Konkrete Vorgaben hinsichtlich des Abschlussdatums der Projekte bestehen nicht, allerdings gilt ab dem 1. Januar 2025 ein Abschlag in Höhe von bis zu 2% des Rechnungsbetrags für jeden voll- und teilstationären Fall, sofern ein Krankenhaus nicht sämtliche in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 6 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung aufgezählten digitalen Dienste bereitstellt.“ 4,3 Mrd. € stellt das Krankenhauszukunftsgesetz bereit: 3 Mrd. vom Bund und 1,3 Mrd. € von den Ländern und den Trägern. Das sind rund 2,5 Mio. € pro Haus. Damit diese Mittel der Digitalisierung auch genutzt werden, ist also zügiges Handeln angesagt.

Autor: Holm Landrock, Dresden

Terminhinweis:

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