Auszeichnungen

Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung

09.06.2020 -

Der Mailänder Arzt und Forscher Alessandro Aiuti erhält den mit 2,5 Mio. Euro dotierten Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2020.

Die aktuelle Coronavirus-Pandemie verdeutlicht, wie gefährlich uns Virusinfektionen werden können. Unabhängig von der derzeitigen Situation gibt es Personen, deren Körper wehrlos ist gegen Infektionen, weil ihr Immunsystem diese nicht bekämpfen kann – sie leiden an Immunschwächekrankheiten wie ADA-SCID (Adenosine-Deaminase-Severe Combined ImmunoDeficiency) oder dem Wiskott-Aldrich-Syndrom. Der Mailänder Arzt und Forscher Prof. Dr. Alessandro Aiuti, der am San Raffaele-Telethon Institut für Gentherapie (SR-Tiget) und an der Vita Salute San Raffaele Universität arbeitet, wird nun für seine bahnbrechenden Erfolge bei der Entwicklung von Gentherapien mit dem Else Kröner-Fresenius-Preis für Medizinische Forschung 2020 ausgezeichnet, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 2,5 Mio. Euro.

Bei der seltenen Immunkrankheit ADA-SCID, die ausschließlich junge Kinder betrifft und in Europa jährlich etwa 15-mal auftritt, sorgt ein Defekt des ADA-Gens im Erbgut für eine Störung der Lymphozyten-Entwicklung. Der Körper der jungen Patienten ist dadurch wehrlos gegen Infektionen. „Ohne wirksame Therapie überleben die Kinder selten länger als zwei Jahre, da für sie jede Infektion gefährlich werden kann“, erläutert Aiuti. Der Standard für die Therapie ist eine Knochenmarktransplantation von einem Spender, dessen Knochenmarkzellen mit denen des Patienten genau übereinstimmen. Nur für eine Minderheit von Patienten steht jedoch ein passender Spender zur Verfügung. „Solche Kinder profitieren inzwischen von unseren Fortschritten im Bereich der Gentherapie. Bisher haben wir mit der von uns entwickelten Therapie 36 Kinder aus 19 Ländern behandelt. Bei mehr als 80 Prozent hat die Behandlung so angeschlagen, dass keine Enzym-Ersatztherapie oder Transplantation benötigt wird. Diese Errungenschaft wurde durch den außerordentlichen Einsatz und das außergewöhnliche Engagement der SR-Tiget-Forscher und des klinischen Teams im Verlauf von 25 Jahren ermöglicht“, erläutert Aiuti. Alle Patienten sind immer noch am Leben. 

Für diese Erfolge und seine anderen Arbeiten auf dem Gebiet der Gentherapie wurde Alessandro Aiuti nun mit dem Else Kröner-Fresenius-Preis für Medizinische Forschung 2020 der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) ausgezeichnet. Der internationale Forschungspreis ist mit 2,5 Mio. Euro einer der höchst dotierten medizinischen Wissenschaftspreise weltweit. „Der noch junge Preis wird in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Er ehrt Forscherinnen und Forscher für bahnbrechende Beiträge in den biomedizinischen Wissenschaften. Ein großer Teil des Preisgeldes fließt in die Forschung des Preisträgers und soll dazu beitragen, auch in Zukunft weitere wegweisende Ergebnisse und medizinische Durchbrüche zu erzielen“, betont Prof. Dr. Michael Madeja, wissenschaftlicher Vorstand der EKFS.

Über die Preisvergabe entschied eine zehnköpfige internationale Jury, die sich aus renommierten Forschern auf den Gebieten der Genomeditierung und Gentherapie sowie aus Vertretern der Wissenschaftskommission der EKFS zusammensetzt. Die Juryvorsitzende Prof. Dr. Hildegard Büning, Präsidentin der European Society for Gene and Cell Therapy (ESGCT), begründet die Jury-Entscheidung: „Alessandro Aiuti ist ein wirklich herausragender Arzt und Wissenschaftler. Seine Arbeit hat maßgeblich zur Entwicklung und der erfolgreichen Behandlung von seltenen, genetisch bedingten Erkrankungen wie SCID beigetragen. Auch Patienten mit anderen vererbbaren Krankheiten können nicht zuletzt dank seiner Beiträge vermutlich in Zukunft erfolgreich behandelt werden.“

Gentherapie als Arzneimittel zugelassen

Nach erfolgreichen klinischen Studien wurde die für ADA-SCID-Patienten entwickelte Gentherapie in Europa als Arzneimittel zugelassen. Sie gilt als eine der wichtigsten Ergebnisse der Entwicklung von Gentherapien weltweit. Bei der Behandlung werden dem Patienten bestimmte Blutstammzellen (CD34+) entnommen und ihre DNA modifiziert. Dafür werden die Zellen außerhalb des Körpers mithilfe eines viralen Vektors behandelt. Dieser bringt die korrekte Version des Gens für das ADA-Enzym in das Erbgut der entnommenen Zellen ein. Die genetisch veränderten Zellen werden per Infusion zurück in den Blutkreislauf des Patienten gebracht. Ein Teil der modifizierten Zellen siedelt sich dann wieder im Knochenmark an. Der Patient verfügt nun über korrekt funktionierende Blutstammzellen, die Lymphozyten zur Abwehr von Infektionen produzieren – und das vermutlich ein Leben lang.

Alessandro Aiuti will mit dem Preisgeld der EKFS die Erfolgsgeschichte fortschreiben, die Therapien weiter optimieren und Mechanismen der Heilung besser beschreiben. Eine weitere große Herausforderung sieht der Wissenschaftler darin, das erworbene Wissen über die erfolgreichen Gentherapien aus Mailand auf möglichst viele andere genetische Erkrankungen zu übertragen. Neben der Therapie für ADA-SCID hat das San Raffaele Telethon Institut für Gentherapie auch Gentherapien für vier weitere Erbkrankheiten entwickelt, darunter das Wiskott-Aldrich-Syndrom und die metachromatische Leukodystrophie. Insgesamt wurden bis heute mehr als 100 Patienten aus 35 verschiedenen Ländern behandelt.

Zur Person

Alessandro Aiuti wurde 1966 in Rom geboren, wo er an der dortigen La Sapienza Universität Medizin studierte. Nach einem Aufenthalt an der Harvard Medical School in Boston, promovierte er 1996 an der La Sapienza Universität in Human Biology. Seit 1997 ist er am San Raffaele Scientific Institute in Mailand tätig, wo er inzwischen auch an der Vita Salute San Raffaele Universität als Professor lehrt. Zudem ist er stellvertretender Direktor am San Raffaele Telethon Institute for Gene Therapy und Direktor der Pädiatrischen Immunhämatologie am San Raffaele Krankenhaus. Aiuti ist Autor zahlreicher und vielbeachteter Publikationen. Im Laufe seiner Karriere erhielt er zahlreiche Preise von nationalen und internationalen Einrichtungen. Aiuti ist Mitglied im Vorstand der European Society of Gene and Cell Therapy und seit 2019 Mitglied des EMA Committee for Advanced Therapies.

Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung

Der anlässlich des 25. Todestages von Else Kröner im Jahr 2013 ins Leben gerufene internationale Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung wird in wechselnden Bereichen der biomedizinischen Wissenschaften vergeben und ist mit 2,5 Mio. Euro einer der höchst dotierten weltweit. Mit ihm werden Forscher ausgezeichnet und gefördert, die auf ihrem Gebiet bedeutende wissenschaftliche Beiträge geleistet haben und deren Arbeit auch in Zukunft wegweisende Ergebnisse und medizinische Durchbrüche erwarten lässt.


 

Kontakt

Else Kröner-Fresenius-Stiftung

Am Pilgerrain 15
61352 Bad Homburg v.d.H.

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