Aus den Kliniken

Enzyminhibitor verlangsamt Tumorwachstum

22.09.2022 - Forschungsteam der Universität Jena entdeckt neuartigen Ansatz zur Behandlung bestimmter B-Zell-Lymphome.

Einen neuartigen Therapieansatz zur Behandlung bösartiger Tumore des Lymphsystems hat ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Forschenden des Universitätsklinikums Mainz, der Universität Regensburg und des IRCM in Montreal (Kanada) entdeckt. Wie das Team um PD Dr. Christian Kosan vom Institut für Biochemie und Biophysik zeigt, führt die Behandlung bestimmter B-Zell-Lymphome mit dem Enzym-Inhibitor „Marbostat 100“ zu einem deutlich verlangsamten Wachstum der Tumorzellen. Ihre Ergebnisse stellen die Forschenden in der renommierten Fachzeitschrift „Oncogene“ vor (https://doi.org/10.1038/s41388-022-02450-3).

B-Zell-Lymphome sind Tumore bestimmter Immunzellen (B-Lymphozyten). Diese zu den weißen Blutkörperchen gehörenden Zellen produzieren normalerweise Antikörper und sind für eine effektive Immunabwehr des Körpers unerlässlich. Verwandeln sich B-Lymphozyten in Tumorzellen ist häufig ein bestimmtes Gen mit Namen „MYC“ beteiligt, sagt Christian Kosan. „Dieses Gen regt die Zellen zunächst dazu an, schneller zu wachsen und sich zu teilen, was zu weiteren Mutationen und so letztlich zur Tumorbildung führen kann.“

Transkriptionsfaktor „Myc“ spielt eine zentrale Rolle bei der Tumorgenese

Das von „MYC“ kodierte Eiweiß „Myc“ ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor. „Dieser bindet an die DNA einer Zelle und reguliert so die Aktivität seiner Zielgene“, erläutert Kosan, der „Myc“ und seine Funktionen bereits seit längerem erforscht. Eine Vielzahl menschlicher Gene werden von „Myc“ direkt oder indirekt reguliert. In Tumoren, wie aggressiven B-Zell-Lymphomen, ist die Menge an „Myc“ stark erhöht. „Unser Ziel war es daher, die Funktion von ,Myc‘ gezielt zu blockieren und so die beschleunigte Zellteilung der Tumorzellen herunterzuregulieren“, so Christian Kosan. Da das „Myc“-Eiweiß selbst für Wirkstoffe nur schwer zugänglich ist – es ist relativ klein und bietet auf der Oberfläche nur wenige spezifische Andockstellen für andere Moleküle – nutzten die Forschenden einen Umweg: Sie steuerten „Myc“ nicht direkt an, sondern ein Enzym, das mit „Myc“ interagiert und dessen Funktion reguliert.

In der nun vorgelegten Arbeit konnte das Team um Christian Kosan zeigen, dass die spezifische Hemmung dieses Enzyms (Histon-Deacetylase 6) zu einem signifikanten Absinken der „Myc“-Konzentration in den Tumorzellen führt. Die Forschenden haben dafür menschliche B-Zell-Lymphom-Zelllinien mit dem Enzyminhibitor „Marbostat 100“ behandelt und festgestellt, dass vier von fünf Tumorzelllinien absterben. „Außerdem konnten wir zeigen, dass das „Myc“-Eiweiß in Abhängigkeit von Konzentration und Behandlungszeitraum des Enzyminhibitors in den Tumorzellen abgebaut wird“, so Kosan. Und mehr noch: In Versuchen mit Mäusen, die aufgrund einer besonderen Mutation B-Zell-Lymphome entwickeln und versterben, führte eine Behandlung mit „Marbostat 100“ zu einer deutlich höheren Lebenserwartung. Von 15 tumorerkrankten Tieren haben 14 den gesamten Untersuchungszeitraum überlebt.

Kombinationstherapie zur Behandlung aggressiver Tumoren

Christian Kosan und seine Kolleginnen und Kollegen wollen die neu gewonnenen Erkenntnisse nun auch auf andere Tumorarten übertragen. „Wir wissen bereits, dass ,Myc‘ nicht nur bei B-Zell-Lymphomen, sondern auch bei vielen anderen Krebsarten eine Rolle spielt.“ Daher wollen die Forschenden untersuchen, ob der Einsatz von „Marbostat 100“ auch zur Behandlung anderer Tumorzellen geeignet sein könnte. Langfristiges Ziel sei es, eine Kombinationstherapie zur Behandlung aggressiver Krebsarten zu entwickeln. Bisher werden B-Zell-Lymphome mit aggressiven Chemotherapeutika behandelt, die aber meist ebenso starke Nebenwirkungen haben. „Wir wollen versuchen, durch Therapeutika wie den Enzyminhibitor „Marbostat 100“, das Tumorwachstum so zu verlangsamen, dass die Chemotherapeutika in geringerer Dosierung oder über einen kürzeren Zeitraum verabreicht werden können und damit auch geringere Nebenwirkungen zu erwarten sind“, sagt Christian Kosan.

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