Aus den Kliniken

Erlanger Post-COVID-Zentrum nimmt Arbeit auf

02.12.2022 - Mindestens jeder zehnte COVID-19-Erkrankte hat auch noch Wochen oder Monate nach der Viruserkrankung mit anhaltenden oder neu aufgetretenen Beschwerden zu kämpfen.

Starke Müdigkeit nach Belastung sowie Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit und Atemnot, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Angstzustände und depressive Verstimmungen sind nur einige der möglichen Symptome eines Post-COVID-Syndroms. Um Patientinnen und Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsverläufen eine zentrale Anlaufstelle zu bieten, hat das Uniklinikum Erlangen jetzt ein interdisziplinäres Post-COVID-Zentrum eingerichtet.

„Das Zentrum ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, um der wachsenden Zahl von teils verzweifelten Post-COVID-Patientinnen und -Patienten zu begegnen“, erklärte Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Erlangen, bei der Eröffnung. „Damit leistet das Uniklinikum Erlangen seinen Beitrag dazu, das bisher noch kaum erforschte Post-COVID-Syndrom besser zu verstehen. Unser neues Angebot wird sich deshalb nicht nur auf die Diagnostik und die Therapie konzentrieren, sondern auch darauf, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Post COVID zu gewinnen.“ Da die Post-COVID-Diagnostik und -Therapie derzeit noch nicht über die Krankenkassen abgerechnet werden kann, sind die Behandlungskapazitäten derzeit auf die Neuaufnahme ausgewählter Patientinnen und Patienten beschränkt. „Wir gehen für unser Gesundheitssystem in Vorleistung“, sagte Prof. Iro.

Interdisziplinäre Spezialsprechstunde

Unter dem Dach des neuen Zentrums engagieren sich u. a. Mitarbeitende der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. (TR) Yesim Erim), der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. univ. Georg Schett) und der Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. Friedrich E. Kruse) des Uniklinikums Erlangen. Bei Bedarf werden weitere Fachdisziplinen hinzugezogen. So erhalten Post-COVID-Patientinnen und -Patienten genau die Diagnostik und Therapie, die individuell am besten für sie geeignet ist. Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, Sprecherin des Post-COVID-Zentrums des Uniklinikums Erlangen, sagte: „Die meisten Nachwirkungen einer COVID-19-Erkrankung bessern sich nach vier bis acht Wochen deutlich. Unser Angebot richtet sich deshalb an Menschen, deren Beschwerden auch zwölf Wochen nach Erkrankungsbeginn noch bestehen. Diese Patientinnen und Patienten sollten zuerst ihre haus- oder fachärztliche Praxis kontaktieren. Die Kolleginnen und Kolleginnen füllen vorab einen Fragebogen aus, der auf unserer Homepage zugänglich ist, und überweisen dann bei Bedarf an unser Post-COVID-Zentrum. So sieht es auch die S1-Leitlinie Long/Post COVID vor, nach der wir uns richten.“

Je nach Symptomatik werden in der Post-COVID-Ambulanz des Uniklinikums Erlangen verschiedene Untersuchungen veranlasst. Zur Diagnostik gehören u. a. die Optische Kohärenztomografie-Angiografie (OCT-A) zur Untersuchung der kleinen Blutgefäße der Augen, Blutanalysen, ein psychosomatisches Gespräch und die psychometrische Testung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Zum Abschluss erhalten die Patientinnen und Patienten eine erste diagnostische Einordnung und konkrete Therapieempfehlungen.

Mehr als nur psychisch

Sprecherin Prof. Erim betonte: „Post COVID ist keine ausschließlich psychische oder psychosomatische Erscheinung und darf nicht automatisch als solche eingestuft werden. Trotzdem wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit für Post COVID steigt, wenn Menschen mit bekannten psychischen Beschwerden an COVID-19 erkranken.“

Forschende gehen derzeit davon aus, dass jeder dritte Post-COVID-Betroffene psychische Auffälligkeiten zeigt. Dazu gehören Angst, Depression, posttraumatische Belastungsstörungen, erhebliche Schwäche und Erschöpfbarkeit (Fatigue), Schlaf-, Stress- und Zwangsstörungen sowie Somatisierungen. Bei Letzteren haben die Betroffenen schwerwiegende körperliche Beschwerden, die über das Maß hinausgehen, das bei ihrem körperlichen Befund zu erwarten wäre.

Erste Untersuchungen des Teams um PD Dr. Dr. Bettina Hohberger von der Augenklinik des Uniklinikums Erlangen hatten 2021 gezeigt, dass COVID-19 die Mikrozirkulation des Auges verändert, das heißt, dass die Viruserkrankung die Durchblutung kleinster Netzhautgefäße stört. Da die Forschenden das Auge als Fenster zum Körper betrachten, nehmen sie derzeit an, dass von einem verringerten Blutfluss in der Netzhaut auf eine mangelhafte Durchblutung des gesamten Organismus und damit auf die Post-COVID-Symptomatik geschlossen werden kann. Die OCT-A-Untersuchung soll zu einem objektiven Messinstrument für Durchblutungsveränderungen im Zusammenhang mit COVID-19 ausgebaut werden.

Bei manchen Post-COVID-Betroffenen lässt sich SARS-CoV-2 in den Atemwegen, in einzelnen Organen oder im Verdauungstrakt noch monatelang nachweisen. Man spricht hier von Viruspersistenz. Forschende vermuten zudem, dass verschiedene Autoantikörper – Eiweiße, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten – im Blut von COVID-19-Erkrankten langwierige Symptome mitverursachen könnten. Da entsprechende Messungen jedoch bisher noch nicht ausreichend standardisiert und evaluiert sind, stellt die Weiterentwicklung dieser Methoden eine wichtige Forschungsaufgabe dar.

Symptome entscheiden über Therapie

Das Post-COVID-Syndrom ist derzeit noch eine Ausschlussdiagnose, das heißt: Es gibt keine eindeutige organische Erklärung für die Symptome, und die Diagnose wird gestellt, indem alle Krankheitsbilder ausgeschlossen werden, die die Beschwerden der Patientin oder des Patienten erklären könnten. „Eine kausale Therapie steht uns aktuell leider noch nicht zur Verfügung“, erklärte Yesim Erim bei der Eröffnung der neuen Ambulanz. „Aber es gibt erste Hinweise dafür, dass eine multimodale psychosomatische Behandlung, eine lungenfachärztliche und neurologische Rehabilitation sowie weitere Maßnahmen zu einer deutlichen Besserung führen und die Lebensqualität steigern können.“ Je nachdem, welche Beschwerden die Patientinnen und Patienten konkret haben, empfehlen die Erlanger Expertinnen und Experten entsprechende Therapieoptionen nach dem aktuellen Stand der Forschung. Sie informieren die Patientinnen und Patienten außerdem gern über aktuelle Forschungsprojekte in Erlangen und prüfen, wer dafür infrage kommt. „Es gibt für Studien bestimmte Einschlusskriterien, die streng erfüllt sein müssen, um qualitativ hochwertige Daten zu erhalten. Am Ende profitiert die große Zahl von Betroffenen von einer wissenschaftlich einwandfreien Arbeit“, erläuterte Prof. Erim.

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