Erster Leitfaden für sicheren Off-Label-Einsatz von Medikamenten
15.08.2013 -
Wollen Ärzte Krebsmedikamente außerhalb ihrer Zulassung einsetzen (Off-Label-Use), müssen sie zahlreiche rechtliche Vorgaben beachten. Ein Team des Universitätsklinikums Heidelberg aus Klinikapotheke, Kooperationseinheit Klinische Pharmazie und Stabsstelle Qualitätsmanagement und Medizincontrolling entwickelte erstmals einen Leitfaden zur Abklärung einer geplanten Off-Label-Behandlung: Er zeigt auf, ob der jeweilige Patient nach relevanten Prüfkriterien für diese Therapie in Frage kommt.
In die elektronischen Verordnungssysteme für Krebsmedikamente integriert, sichert ein solches System eine hohe Behandlungsqualität sowie die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Das Projekt ist nun mit dem Innovationspreis 2013 des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) ausgezeichnet worden. Der von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH gestiftete Preis ist mit 10.000 € dotiert.
Wenn etablierte Therapien nicht greifen
In der Krebsmedizin werden Medikamente häufig dann außerhalb ihrer zugelassenen Anwendungsgebiete oder Dosierungen eingesetzt, wenn die etablierten Therapien versagen oder ausgeschöpft sind. Die Off-Label-Behandlung muss allerdings zur Sicherheit des Patienten sorgfältig abgewogen werden, da es dazu meist nur wenige verlässliche klinische Daten gibt. Außerdem kann eine solche Off-Label-Therapie für die Klinik teuer werden: Zweifelt die Krankenkasse an der Notwendigkeit des Einsatzes, kann sie die Kostenübernahme verweigern - und gerade bei Chemotherapien fallen dann erhebliche Kosten an.
"Sowohl im Sinne des Patienten als auch zur Absicherung der Finanzierung ist es sinnvoll, bereits vor Therapiebeginn zu prüfen, ob die Off-Label-Behandlung für den jeweiligen Patienten geeignet, sicher und gerechtfertigt ist", erklärt Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Apotheke am Universitätsklinikum. Diese Abklärung ist mühsam und zeitaufwändig. In Zukunft hilft dabei der neue Leitfaden, der die wesentlichen sozialrechtlichen Prüfkriterien berücksichtigt. Wichtige Fragen sind u.a.: Wird der Einsatz des Medikaments zu diesem Zweck durch bisherige Erfahrungen und Empfehlungen gestützt? Gibt es Sicherheitsbedenken? Könnte der Patient stattdessen in eine klinische Studie eingeschlossen werden? Sind tatsächlich alle etablierten Therapiealternativen ausgeschöpft?
Vorherige Abklärung sichert Kostenübernahme durch Krankenkassen
Der Leitfaden erwies sich bei der rückwirkenden Überprüfung einiger am Universitätsklinikum durchgeführten Off-Label-Behandlungen als praktikabel und zuverlässig. Im nächsten Schritt soll er als software-gesteuerter Informationsdienst in das elektronische Verordnungssystem für Chemotherapeutika integriert werden. Auf diese Weise wird die geplante Therapie bereits bei der Eingabe in das Verordnungssystem überprüft und der behandelnde Arzt auf unbeabsichtigte zulassungsüberschreitende Verschreibungen hingewiesen. Gleichzeitig macht das Programm dann auch auf mögliche Schwierigkeiten und Therapiealternativen aufmerksam. "Das kann passieren, wenn ein Medikament z.B. nur für bestimmte Stadien einer Krebserkrankung klinisch geprüft und zugelassen ist, und bei neuen Medikamenten", erklärt Projektleiter Dr. Tilman Schöning, stellvertretender Apothekenleiter am Universitätsklinikum.
"Wir sind überzeugt, dass dieses Instrument den behandelnden Ärzten mehr Sicherheit im Umgang mit Off-Label-Behandlungen geben kann und dabei hilft, die beste Therapie für den Patienten auszuwählen", so Schöning. Entwickelt wurde der neue Handlungsalgorithmus für die Verordnung einer Chemotherapie von der Pharmazeutin Pia Galuschka im Rahmen ihrer Diplomarbeit, wissenschaftlich betreut von Dr. Tilman Schöning und mit fachlicher Unterstützung von Dr. Markus Thalheimer, Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement und Medizincontrolling, Dr. Hanna Seidling, Kooperationseinheit Klinische Pharmazie, und Dr. Torsten Hoppe-Tichy.
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