Aus den Kliniken

Forschungserfolg: Hilfe für Kinder mit Erdnussallergie

25.05.2023 - Pflaster mit Erdnussprotein können bei Kindern unter vier Jahren langfristig das Risiko schwerer allergischer Reaktionen senken. Das zeigt eine Studie unter Beteiligung des Universitätsklinikum Frankfurt. Die Ergebnisse wurden jetzt im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Immer mehr Kleinkinder in den westlichen Ländern leiden unter einer Erdnussallergie, auch in Deutschland. Gleichzeitig sind Erdnüsse oder Spuren davon in zahlreichen Lebensmitteln enthalten. Die strenge Kontrolle der Ernährung und die ständige Angst vor einem sogenannten anaphylaktischen Schock bei zufälligem Essen von Erdnussallergen belasten Kinder und Eltern. Eine Heilung ist nicht möglich. Therapien zur Desensibilisierung sind zwar verfügbar, aber nur für ältere Kinder und Jugendliche.

Eine großangelegte internationale Studie unter Beteiligung des Universitätsklinikum Frankfurt hat sich nun der jüngsten Betroffenen angenommen. Sie erprobte eine Immuntherapie mit Erdnussallergen-beschichteten Pflastern für Kinder zwischen einem und drei Jahren mit Erdnussallergie. Mit Erfolg: Die Reaktionsschwelle konnte im Median um 900 mg Erdnussprotein (Äquivalent zu drei Erdnüssen) nach zwölf Monaten Therapie angehoben werden, während in der Placebo-Gruppe, die nur eine „Schein-Therapie“ erhalten hatte, im Median keine Anhebung der Reaktionsschwelle zu beobachten war.

Hoffnung für Kinder und Familien

„Die Studie gibt Hoffnung für Kleinkinder mit Erdnussallergie und für ihre Familien. Die Pflasterbehandlung hat sich als wirksam und sicher erwiesen. In einer weiteren Studie wird nun die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil des Pflasters bei vier- bis siebenjährigen Erdnussallergikern untersucht“, erklärt PD Dr. Katharina Blümchen aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, die an der Studie beteiligt war. Der Herausgeber des New England Journal of Medicine bezeichnete die Resultate ebenso als „gute Neuigkeiten für Kleinkinder mit Erdnussallergie“.

Prof. Dr. Jan-Henning Klusmann, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikum Frankfurt, ergänzt: „Die Ergebnisse bedeuten einen echten Fortschritt in der Behandlung von Kleinkindern mit Erdnussallergie. Sie sind zudem ein Zeichen der erstklassigen Patientenversorgung in unserer Abteilung für Pneumologie, Allergologie, Infektiologie und Gastroenterologie. Durch die Möglichkeit, an international wegweisenden Studien teilzunehmen, können die hier betreuten Kinder fortschrittliche Therapien teils Jahre vor der eigentlichen offiziellen Zulassung des Medikaments erhalten.“

Hohe Alltagstauglichkeit, geringes Risiko

Studien haben nachgewiesen, dass die frühe Einnahme von Erdnuss bei der Beikost das Risiko für eine spätere Entstehung einer Erdnussallergie reduziert. Das Immunsystem scheint also im frühen Alter gut formbar. Immuntherapien, bei denen die Betroffenen z.B. kleine Dosen des Allergens täglich zu sich nehmen, um damit eine Desensibilisierung und Anhebung der Reaktionsschwelle zu bewirken, sind bislang nur für Kinder und Jugendliche mit Erdnussallergie über vier Jahren zugelassen. Bei dieser Therapie müssen sich Familien an teils aufwändige Einnahmepläne halten, und es kann zu Nebenwirkungen kommen.

Die aktuelle Studie setzt daher Pflaster mit dem Allergen ein, die einmal täglich zwischen den Schulterblättern aufgeklebt werden. Diese müssen auch zum Baden oder Schwimmen nicht abgenommen werden und sind so im Alltag einfacher zu handhaben. Die Dosis, die das Pflaster enthält (250µg Erdnussprotein), liegt weiter unter z.B. der Erhaltungsdosis der oralen Immuntherapie (300 mg Erdnussprotein), also der Menge, die mindestens regelmäßig eingenommen werden muss, damit die Therapie nachhaltig wirkt.

Studie an 51 Standorten

Die Studie wurde von 2017 bis 2022 an 51 Standorten in acht Ländern durchgeführt, 307 Kleinkinder haben die Studie vollständig absolviert. Frankfurt war einer von drei Standorten in Deutschland. Alle Probanden erhielten einmal täglich über ein Jahr lang ein Pflaster. Bei gut einem Drittel handelte es sich um ein Placebo. Alle Kinder reagierten zu Beginn allergisch auf eine Dosis von 300 mg Erdnussprotein oder weniger – dem Äquivalent einer einzelnen Erdnuss.

Ziel der Studie war, diese Auslöserdosis auf 1.000 mg zu heben, falls die Kinder zu Beginn auf mehr als 10 mg allergisch reagierten bzw. die Auslöserdosis auf 300 mg zu heben, wenn die Kinder ursprünglich auf 10 mg oder weniger reagierten. Dieses Ziel erreichten 67 Prozent der Kinder in der Interventionsgruppe, die Pflaster mit dem Allergen erhielt, und 33,5 Prozent in der Placebogruppe.

Dass auch bei den Kindern mit Placebos eine Verbesserung festgestellt wurde, kommt nicht unerwartet. Studien zeigen, dass etwa 29 Prozent der betroffenen Kinder bis zum Alter von sechs Jahren aus ihrer Allergie herauswachsen. Allerdings untermauern die weiteren Ergebnisse der aktuellen Studie die Wirksamkeit der Desensibilisierung.

Deutliche Verbesserung, wenige Nebenwirkungen

In der Gruppe, bei der die Pflaster tatsächlich das Erdnussprotein enthielten, lag die mediane Veränderung der Auslöserdosis bei 900 mg, in der Placebogruppe bei 0 mg. Zudem konnten in der Interventionsgruppe gut 37 Prozent der Kinder am Ende der Studie in der oralen Provokation eine gesamte Menge von 3.444 mg Erdnussprotein konsumieren, bis eine allergische Reaktion auftrat. In der Placebogruppe waren es nur 10 Prozent.

Sogenannte unerwünschte Ereignisse traten im Studienzeitraum bei beinahe allen Kindern auf – also auch in der Placebogruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Hautreaktionen um das Pflaster, allerdings nahmen diese mit der Zeit ab. Insgesamt kam es zu 23 systemisch-allergischen Reaktionen ‒ 19 in der Gruppe, die das Pflaster mit Erdnussallergen erhielt, und vier in der Placebogruppe. Nach Einschätzung des jeweiligen Studienarztes waren davon vier auf die Behandlung mit dem Erdnusspflaster zurückzuführen. Das entspricht 1,6 Prozent aller berichteter Nebenwirkungen in der Interventionsgruppe. Alle diese Reaktionen waren mild oder moderat. Die Studie konnte also auch die Sicherheit der Pflastertherapie belegen.

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