Aus den Kliniken

Frühe rhythmuserhaltende Behandlung

02.08.2021 - Patienten mit Vorhofflimmern und Herzschwäche profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung.

Eine Subgruppen-Analyse der EAST – AFNET 4 Studienpopulation hat gezeigt: Eine frühzeitig begonnene rhythmuserhaltende Behandlung ist vorteilhaft für Patienten mit Herzschwäche und kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern. Dr. Andreas Rillig, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg, präsentierte die Ergebnisse am 30.07.2021 beim Kongress der US-amerikanischen Heart Rhythm Society (HRS) [1], [2].

Vorhofflimmern und Herzschwäche sind zwei kardiovaskuläre Volkskrankheiten, die häufig gemeinsam auftreten. Ungefähr 30 % aller Patienten mit Vorhofflimmern leiden an Herzschwäche. Patienten mit beiden Erkrankungen tragen ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen wie Tod, Schlaganfall oder Verschlechterung einer bestehenden Herzschwäche. Aktuelle Studien legen nahe: Bei Patienten mit Vorhofflimmern und Herzschwäche kann eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Katheterablation die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), ein Maß für die Pumpfunktion des Herzens, verbessern. Allerdings sind weitere wissenschaftliche Daten notwendig, um diese Effekte für unterschiedliche Schweregrade der Herzschwäche zu klären.

Die EAST – AFNET 4 Studie hat untersucht, ob eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnosestellung Vorhofflimmern begonnen wird, den Zustand der Patienten verbessert. Das Hauptergebnis der Studie, welche im vorigen Jahr publiziert wurde [3], zeigte einen Nutzen des frühen Rhythmuserhalts für alle Patienten: Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der EAST – AFNET 4 Studie wurden 2789 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt“ und „übliche Behandlung“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.

Jetzt analysierten die EAST – AFNET 4 Wissenschaftler, ob die vorteilhaften Auswirkungen des frühen Rhythmuserhalts auch auf die Subgruppe der Patienten mit Herzschwäche übertragen werden können. Studienleiter Prof. Paulus Kirchhof vom Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg, erklärt: „Rhythmuserhalt ist ein wichtiger Bestandteil der Vorhofflimmertherapie bei Patienten mit Herzschwäche. Allerdings ist bisher unklar, ob eine rhythmuserhaltende Behandlung auch den Patienten nützt, deren linksventrikuläre Funktion noch erhalten oder nur geringfügig eingeschränkt ist. Um diese Frage zu beantworten, haben wir bei allen EAST – AFNET 4 Studienpatienten mit Herzschwäche die Wirkung des frühen Rhythmuserhalts untersucht.“

Die Analyse umfasst 798 Patienten mit Herzschwäche (785 mit bekannter LVEF bei Studieneinschluss). Die Mehrheit, 442 Patienten, hatte eine Herzschwäche mit erhaltener linksventrikulärer Funktion (LVEF ≥50%), 211 eine Herzschwäche mit mäßig beeinträchtigter Pumpfunktion (LVEF 40-49%), und 132 eine Herzschwäche mit reduzierter linksventrikulärer Funktion (LVEF <40%). 396 Patienten gehörten der Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ an, 402 der Gruppe „übliche Behandlung“.

Während des medianen Beobachtungszeitraums von 5,1 Jahren ereignete sich der primäre Studienendpunkt (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall oder Krankenhausaufenthalt wegen Verschlechterung der Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom) bei Patienten mit Herzschwäche in der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ (94/396) weniger häufig als bei Patienten mit Herzschwäche in der Gruppe „übliche Behandlung“ (130/402).

Die frühe rhythmuserhaltende Therapie bei Patienten mit Herzschwäche erwies sich als sicher. Der primäre Sicherheitsendpunkt (Tod, Schlaganfall oder Komplikationen der rhythmuserhaltenden Therapie) ereignete sich bei 71 von 396 Patienten der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ (17,9%) und bei 87 von 402 Patienten der Gruppe „übliche Behandlung“ (21,6%). In beiden Gruppen verbesserte sich die linksventrikuläre Funktion.

Dr. Rillig fasst zusammen: „Die Ergebnisse dieser Analyse verdeutlichen den Nutzen einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung für alle Patienten mit Herzschwäche der EAST – AFNET 4 Studie. Früher Rhythmuserhalt entweder mit antiarrhythmischen Medikamenten oder durch Katheterablation sollte allen Patienten mit Vorhofflimmern angeboten werden, die Symptome einer Herzschwäche oder eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion haben.“
 

EAST – AFNET 4 Studie

EAST – AFNET 4 ist eine wissenschaftsinitiierte Studie, in der zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindern kann als die übliche Behandlung.

Insgesamt 2789 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patienten in beiden Gruppen erhielten eine leitlinienkonforme Therapie, bestehend aus der Behandlung ihrer kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.

Alle Patienten der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation. Sobald bei einem Patienten dieser Gruppe Vorhofflimmern erneut auftrat, wurde die Therapie intensiviert mit dem Ziel, den normalen Sinusrhythmus durch eine Katheterablation und/oder antiarrhythmische Medikamente wiederherzustellen und möglichst dauerhaft zu erhalten.

Patienten der Gruppe „übliche Behandlung“ erhielten nur dann eine rhythmuserhaltende Therapie, wenn diese notwendig war, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz leitlinienkonformer frequenzregulierender Behandlung auftraten.

Literatur

[1] Rillig A, Ozga A, Magnussen C, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation and heart failure. Abstract HRS congress 2021

[2] Rillig A, Magnussen C, Ozga, Suling A, Brandes A, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Eckardt L, Elvan A, Goette A, Gulizia M, Haegeli LM, Heidbuchel H, Kuck KH, Ng GA, Szumowski L, van Gelder IC, Wegscheider K, Kirchhof P. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation. 2021; (published ahead of print). DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323

[3] Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316. DOI: 10.1056/NEJMoa2019422
 

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