Gesundheitspolitik

Hannoversche Kliniken warnen vor dem finanziellen Kollaps

11.06.2012 -

Acht Kliniken aus Hannover schlagen Alarm: Den Krankenhäusern droht der finanzielle Kollaps, weil die permanent steigenden Personal- und Sachkosten über das deutsche Gesundheitssystem nicht refinanziert werden. Die Lage der Kliniken hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert - unabhängig von der Trägerschaft besteht eine akute Finanznot. Daher haben die Kliniken drei Forderungen aufgestellt:

  • Die jährliche Steigerung der Lohnkosten durch Tariferhöhungen muss sich umgehend in den Fallpauschalen widerspiegeln. Bislang werden in der Finanzierung der Krankenhäuser Tarifsteigerungen - wenn überhaupt - erst nach zwei Jahren berücksichtigt.
  • Die stetige Steigerung der Sachkosten - Medizinprodukte, Arzneimittel, Energie - muss künftig ebenfalls in den Fallpauschalen berücksichtigt werden. Für diese drastischen Preissteigerungen erhalten die Kliniken bisher keinerlei Ausgleich.
  • Medizinische Leistung muss in jedem Bundesland gleich honoriert werden. Niedersachsen darf kein Bundesland für "Billigmedizin" sein. Bislang gibt es in den Bundesländern unterschiedlich hohe sogenannte Landesbasisfallwerte. In Niedersachsen fällt dieser deutlich niedriger als in anderen Bundesländern aus. So erhält eine Klinik in Hamburg oder Rheinland-Pfalz für dieselbe Therapie bis zu 20 Prozent mehr Erlöse als ein Krankenhaus in Niedersachsen.

 

Sowohl das Kinderkrankenhaus auf der Bult als auch die Vinzenzkrankenhaus gGmbH, das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus, die Sophienklinik, die Medizinische Hochschule Hannover, die Diakonische Dienste Hannover gGmbH mit dem Friederikenstift, der Henriettenstiftung und dem Annastift haben am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf die dramatische Entwicklung aufmerksam gemacht. Mehr als 23 000 Mitarbeitende haben allein im vergangenen Jahr in den hannoverschen Kliniken 220.000 Patienten stationär und noch einmal mehr als 450.000 Patienten ambulant versorgt. Der Gesamtumsatz lag bei rund 1 Mrd. Euro.

Im deutschen Gesundheitssystem wird die Behandlung jedes Patienten - außer in der Psychiatrie und Geriatrie - mit einer Fallpauschale abgerechnet. Die Preise für eine solche Pauschale sind per Verordnung festgelegt und können von den Kliniken nicht beeinflusst werden. Die Kosten der Kliniken steigen aber schneller als die Erlöse.

Die Ärztlichen Direktoren und Geschäftsführer der an der Pressekonferenz beteiligten Häuser kritisierten diese folgenschwere Entwicklung. "Das derzeitige Finanzierungssystem des Gesundheitswesens ist so aufgebaut, dass nur die Häuser weiter existieren werden, die in immer kürzerer Zeit immer mehr Patienten behandeln", sagte MHH-Vizepräsident Dr. Andreas Tecklenburg, zuständig für das Ressort Krankenversorgung. "Dieser Zwang, mit gleich bleibenden Ressourcen immer mehr machen zu müssen, ist Gift für eine patientenzentrierte Behandlung. Pflegende und Ärzte haben immer weniger Zeit für die Patienten, weil sie immer schneller arbeiten müssen. Wir alle müssen die Politik davon überzeugen, dass Investitionen in das Gesundheitssystem Investitionen in die Zukunft sind.

Dr. Utz Wewel, Sprecher der Geschäftsführung der DDH, spricht sich ausdrücklich für Lohnerhöhungen aus, um die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abzukoppeln. Er fordert jedoch die vollständige Refinanzierung durch die Bundesregierung. Die in Aussicht gestellte Nachfinanzierung sei völlig unzureichend.

Michael Hartlage, kaufmännischer Geschäftsführer des Vinzenzkrankenhauses, warnt in diesem Zusammenhang vor einem Qualitätsproblem:

"Wenn die Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern nicht an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben, wird es zukünftig schwierig, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Folge wäre, aufgrund der entstehenden Personalnot eine Verschlechterung der pflegerischen Betreuung. Das ist nicht unser Ziel und kann auch nicht Ziel der Gesundheitspolitik sein."

Dr. Thomas Beushausen, Vorstand und Ärztlicher Direktor des Kinderkrankenhauses auf der Bult, streicht die besondere Situation seines Hauses heraus. Demnach ist die Kinder- und Jugendmedizin noch personalintensiver als die Erwachsenenmedizin. Deshalb trifft uns und die Mitarbeitenden die chronische Unterfinanzierung besonders hart. "Wenn die Politik nicht umsteuert, wird es zu massiven Abstrichen in der Pflege und Behandlung kommen müssen. Unsere Reserven sind aufgebraucht."

Auch für das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus wird es nun richtig eng. Geschäftsführerin Birgit Huber beklagt, dass "die politischen Maßnahmen der letzten beiden Jahre völlig unzureichend" waren und verlangt ein sofortiges Umdenken der Politik.

Carlo Brauer, ärztlicher Geschäftsführer der Sophienklinik, führt hierzu ergänzend aus, dass die "Änderungen im Krankenhausfinanzierungsrecht zu schwer schulterbaren Belastungen führen. Leidtragende werden dauerhaft die Patienten sein, wenn die Politik nicht umgehend gegensteuert."

Gemeinsam kritisieren die Geschäftsführer, dass die maßgeblichen gesundheitspolitischen Entscheider die wirtschaftliche Lage als auch die Stimmung und harte Arbeitsrealität in den Krankenhäusern nicht wahrnehmen.

 

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