Herausragende Forscher in der Onkologie mit dem Deutschen Krebspreis ausgezeichnet
30.03.2023 - Der Preis der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebsstiftung zählt zu den höchsten Auszeichnungen in der Onkologie und wird jährlich in den Sparten „Klinische Forschung“, „Translationale Forschung“ und „Experimentelle Forschung“ vergeben.
Für ihre exzellenten Arbeiten in der Krebsmedizin und -forschung erhalten Prof. Dr. Alexander Kleger (Universitätsklinikum Ulm), Prof. Dr. Christian Reinhardt (Universitätsklinikum Essen), Prof. Dr. Nadia Harbeck (Brustzentrum, Frauenklinik, LMU Klinikum München), Prof. Dr. Ulrike Nitz (Westdeutsche Studiengruppe Mönchengladbach) sowie Prof. Dr. Angelika Eggert (Charité – Universitätsmedizin Berlin) den Deutschen Krebspreis 2023.
Klinische Forschung, die die Brustkrebstherapie weltweit verändert
Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums am LMU Klinikum München, und Ulrike Nitz sind maßgeblich für den Aufbau der Westdeutschen Studiengruppe (WSG), die große deutschlandweite klinische Studien zur Behandlung des frühen Brustkrebs durchführt, verantwortlich. Gemeinsam haben sie beim frühen Brustkrebs herausragende wissenschaftliche Leistungen zur Vermeidung von Über-/Untertherapie mit Chemotherapie und bei der Entwicklung von modernen Deeskalationsstrategien erbracht. Die von den beiden entwickelten personalisierten Therapiekonzepte haben Eingang in die deutschen Leitlinien und den Behandlungsalltag gefunden.
Die Auszeichnung mit dem deutschen Krebspreis für klinische Forschung 2023 bezieht sich insbesondere auf ihre wissenschaftlichen Leistungen im Rahmen der WSG Plan-B und WSG ADAPT-Nachfolge-Studie. Bei der häufigsten Form von Brustkrebs, der hormonempfindlichen Erkrankung, wurde durch präzise Risikoeinschätzung mittels genetischem Fingerabdruck des Tumors (PlanB) in Kombination mit dem individuellen Ansprechen auf eine kurze präoperative Behandlung (ADAPT) gezeigt, dass der Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie ohne Beeinträchtigung der Heilungschancen bei den Betroffenen möglich ist. Gemeinsam mit den zeitgleich laufenden amerikanischen Studien ist damit für diese große Patientinnengruppe eine ausreichende Datengrundlage geschaffen, um die Behandlungsstandards nachhaltig und sicher zu ändern. ADAPT liefert darüber hinaus wichtige Entscheidungshilfen, insbesondere bei der Behandlung junger Brustkrebspatientinnen.
Für andere Formen von Brustkrebs ist die ADAPT-Studie weltweit die erste Studie beim frühen Mammakarzinom, die subtyp-spezifische Therapiekonzepte zur Therapie-Deeskalation einsetzt. Die frühen Ergebnisse zeigen, dass insbesondere solche Patientinnen, bei denen bereits nach einer kurzen präoperativen zielgerichteten Behandlung kein Resttumor in der Brust postoperativ mehr nachweisbar ist, Kandidatinnen sind, denen erfolgreich eine Standardchemotherapie erspart werden kann. Diese Erkenntnisse haben weltweit das Design einer weiteren Generation von Folgestudien geprägt.
Mit den laufenden Nachfolgestudien der Westdeutschen Studiengruppe wird das Konzept des Verzichts auf Chemotherapie bei gleichbleibenden Heilungschancen für die Patientinnen weiter optimiert. Die Studien umfassen international einzigartige Therapiekonzepte. Die hohen Zahlen der Studien-Patientinnen zeigen die hohe Akzeptanz dieser Konzepte bei Betroffenen und Brustzentren in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass positive Ergebnisse die gelebte Behandlungspraxis weiter maßgeblich beeinflussen werden.
Durch ihre wegweisende Forschung haben Ulrike Nitz und Nadia Harbeck die Therapierealität für Frauen mit frühem Brustkrebs weltweit verändert – dafür erhalten sie als Team den Krebspreis 2023 in der Kategorie „Klinische Forschung“.
Von der Forschung in die Versorgung: Behandlung von Neuroblastomen verbessern
Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Angelika Eggert, der Krebspreisträgerin für „Translationale Forschung“, liegt auf dem Neuroblastom, dem dritthäufigsten Tumor bei Kindern. Sie hat wegweisende Forschungsarbeiten zur molekularen Pathogenese und Präzisionsmedizin dieses Tumors geleistet. Insbesondere beschäftigt sie sich mit der molekularen Charakterisierung von Hochrisiko- und Rezidiv-Neuroblastomen. Sie entdeckte unter anderem eine starke Heterogenität in der Ausprägung krebsrelevanter Gene in Biopsien, die an unterschiedlichen Stellen des Tumors entnommen wurden. Daraus ergeben sich weitreichende Folgen für die zukünftige molekulare Diagnostik und Therapiewahl. Zudem identifizierte sie neue Angriffspunkte für molekular gezielte Therapieansätze. Auch eröffnen von ihrem Team entwickelte Methoden neue minimal-invasive Ansätze für das Therapiemonitoring und die Früherkennung von Rezidiven.
Angelika Eggert ist Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité in Berlin, koordiniert als Standortsprecherin die Berliner Krebsforschung im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung und ist eine der vier Direktor*innen des im Aufbau befindlichen NCT-Standorts Berlin.
Exzellente Grundlagenforschung: DNA-Reparaturmechanismen und Bauchspeicheldrüsenkrebs
In der Kategorie „Experimentelle Forschung“ erhalten Christian Reinhardt und Alexander Kleger den Deutschen Krebspreis für ihre wegweisenden, innovativen Forschungsansätze.
Professor Christian Reinhardt ist Direktor der Klinik für Hämatologie und Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Essen. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf Signalweiterleitungsprozessen im Bereich der DNA-Schadensantwort (DNA Damage Response, DDR) und der Genomstabilisierung. Mit seiner Grundlagenforschung hat er wichtige Beiträge zum Verständnis verschiedener DNA-Reparaturmechanismen und Zellzyklus-Restriktionspunkte innerhalb des DDR-Netzwerks geleistet. Da Krebs durch genetische Veränderungen, die unter anderem bei Zellteilungs- und Reparaturmechanismen auftreten können, entsteht, trägt er mit seiner Forschung dazu bei, das Verständnis von Krebserkrankungen zu verbessern und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Zudem hat Christian Reinhardt ein neues Syndrom – das UBQLN4-Syndrom – beschrieben und dessen Genetik aufgeklärt. Seine Daten zeigen, dass eine vermehrte Produktion des Proteins UBQLN4 bei verschiedenen Tumoren zur Steigerung der Mutationsfrequenz beiträgt. Seine Forschung hat auch zu präklinischen und klinischen Studien zur Wirksamkeit von Pharmakotherapien für Patient*innen mit rezidivierter und refraktärer chronisch lymphatischer Leukämie geführt. Mit seinem Wechsel nach Essen ruht ein neuer Forschungsschwerpunkt auf der Biologie der aggressiven Lymphome, für die er gemeinsam mit dem Team der Klinik neue, genetisch getriggerte Therapieoptionen entwickelt.
Professor Alexander Kleger, Direktor des Instituts für Molekulare Onkologie und Stammzellbiologie am Universitätsklinikum Ulm sowie Leiter der Sektion für Interdisziplinäre Pankreatologie, Klinik für Innere Medizin I, konzentriert sich in seiner Forschung vor allem auf Bauchspeicheldrüsenkrebs. In seinem Institut werden innovative Krankheitsmodelle für die Entwicklung von personalisierten Therapien generiert, um die zugrunde liegenden Ursachen von Bauchspeicheldrüsenerkrankungen zu entschlüsseln. In Maus- und Organoidmodellen untersucht er das Ausschalten von DNA-Reparaturgenen für das genomisch instabile duktale Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse. So hat er bereits präklinische Therapieregime entwickelt, die nur die DNA-Reparatur-defekten-Tumorzellen abtöten sollen. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschung sind Organoide, im Labor gezüchtete Mini-Organe, die einen bestimmten Zelltyp nachahmen. Diese Organoide können dann für die Forschung an den jeweiligen Organen oder Tumoren genutzt werden. Das Team von Alexander Kleger war eines der ersten, denen es gelang exokrine Bauchspeicheldrüsen-Organoide, also Zellstrukturen ausschließlich bestehend aus Zellen des Pankreasganges bzw. des Drüsengewebes, aus menschlichen pluripotenten Stammzellen zu züchten. Diese dienen dazu die Entstehung von Krebsvorstufen besser beobachten zu können und maßgeschneiderte „Modelltumore“ für die weitere Forschung zu schaffen. Da das Pankreaskarzinom zu den aggressivsten Tumorformen zählt, sind die experimentellen Arbeiten von Alexander Kleger auch klinisch von hoher Relevanz.