„Humaninsuline müssen verfügbar bleiben!“
30.01.2025 - In Deutschland zeichnet sich eine problematische Entwicklung für die Versorgung mit Insulin ab: Mit Novo Nordisk hat ein weiterer Hersteller angekündigt, seine bisher verfügbaren Humaninsuline vom Markt zu nehmen.
Damit wird es nur noch ein verbleibendes Präparat geben – wobei auch hier damit zu rechnen ist, dass die Produktion eingestellt werden wird. In einem gemeinsamen Statement fordern die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Famlienmedizin (DEGAM) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) die Politik auf, hier frühzeitig entgegenzusteuern.
Therapeutische Optionen gehen verloren, Kosten steigen
Bisher werden sowohl Humaninsuline als auch Insulinanaloga in der Behandlung eingesetzt, der Anteil der Humaninsuline liegt bei rund 20 Prozent. Auf der anderen Seite profitieren andere Patientengruppen von Insulinanaloga. Beides hat seine Berechtigung. „Es gibt in der Diabetes-Therapie kein ‚One-Size-fits-all‘: Für die einen passt das eine, für die anderen das andere Medikament besser. Wenn es keine Humaninsuline mehr gibt, gehen uns in der Praxis wichtige Therapieoptionen für bestimmte Patientengruppen verloren. Dadurch verschlechtert sich die Versorgung – bei gleichzeitig steigenden Kosten, da Insulinanaloga rund zwei Drittel teurer sind. Die geschätzten Mehrkosten würden sich auf rund 44 Millionen Euro belaufen“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die Intention des Statements, das von der DEGAM (AG Diabetes, Leitung Dr. Til Uebel) federführend erarbeitet wurde.
Die DEGAM weist außerdem darauf hin, dass es bis heute keine wissenschaftliche Evidenz für einen für alle geltenden Vorteil von Insulinanaloga gegenüber dem Humaninsulin gibt. Es konnte bisher auch nicht ausgeschlossen werden, dass Insulinanaloga möglicherweise mitogene Effekte (Effekte auf die genetische Zellteilung) haben könnten.
Spielraum für politisches Eingreifen nutzen
Gemeinsam mit der AkdÄ fordert die DEGAM die Politik auf, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, um Humaninsuline dauerhaft verfügbar zu halten. „Wir müssen alle Beteiligten frühzeitig dafür sensibilisieren, dass es sehr problematisch wäre, wenn Humaninsuline ganz vom Markt verschwinden“, so Martin Scherer weiter. Humaninsuline wurden nicht zuletzt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Liste notwendiger Medikamente (essential drugs) aufgenommen.
Auch wenn der politische Handlungsspielraum gegenüber der pharmazeutischen Industrie in einem solchen Fall eher begrenzt ist, gibt es doch Möglichkeiten, regulierend einzugreifen oder Incentives zu setzen, wie bei anderen Arzneimittelengpässen auch. Zum Beispiel könnte die Politik interessierte Hersteller in anderen Ländern durch Abnahmegarantien unterstützen.
Abschließend ein kurzer Blick zurück: 1923 hatten die Entwickler der ersten Insuline ihr Patent an die Universität Toronto für einen Dollar verkauft, weil sie keinen Profit mit diesem lebensrettenden Medikament machen wollten. Auch wenn diese Zeiten lange zurückliegen, tut es gut, sich daran zu erinnern, dass es bei Arzneimitteln nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um medizinethische Aspekte geht.
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