Hygiene

Hygiene geht uns alle an

03.03.2021 - Infektionsprävention fordert konstruktive Lösungsoptionen, bei deren Umsetzung alle Akteure gemeinsam in der Pflicht sind.

Die Corona-Virus-Pandemie mit den damit verbundenen Herausforderungen und der Ausnahmesituation, mit der wir derzeit konfrontiert sind, zeigt deutlich: Hygiene geht uns alle an. Eine Tatsache, die Experten und den im Gesundheitswesen Tätigen bereits lange bekannt ist. Mit einem nie dagewesenen Nachdruck hat dieses Virus die Notwendigkeit eines effektiven Infektionsschutzes durch Hy-gienemaßnahmen in den Mittelpunkt gerückt und damit zugleich das Bewusstsein für eine regelmäßige präventive Hände- und Flächenhygiene in der breiten Öffentlichkeit ausgebildet. Darüber hinaus ist es innerhalb kürzester Zeit geübte Praxis geworden, präventiv einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Infektionsprävention – vor allem im stationären Sektor stärken

Die positiven Effekte sind faktisch belegbar, indem sich die strikte Einhaltung der Corona-bedingten Hygieneregeln beispielsweise auf die Zahlen der gemeldeten Grippe-Infektionen auswirken. So wurden in der 51. Kalenderwoche des vergangenen Jahres 23 neue Infektionen mit Influenza-viren gemeldet. Das ist nur ein Bruchteil der im gleichen Zeitraum des Jahres 2019 gemeldeten 692 bestätigten Influenzafälle.

Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Infektionsprävention insbesondere in den Einrichtungen des Gesundheitswesens weiterhin im Fokus stehen und stetig verbessert werden muss. Etwa 10.000 bis 15.000 Menschen versterben laut aktuellen Schätzungen jedes Jahr in Deutschland an einer nosokomialen Infektion infolge eines Krankenhausaufenthalts. Diese Zahl könnte und müsste deutlich niedriger sein: Denn rund jede dritte dieser Infektionen gilt als vermeidbar. Die Verhinderung von Krankenhausinfektionen ist und bleibt daher eine der zentralen Herausforderungen.

Unumstritten ist, dass die konsequente Umsetzung von Präventionsmaßnahmen das effektivste Mittel zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen ist. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, wie sie nachfolgend dargestellt sind, gilt es fortzuführen.

DART 2030 – ein erfolgreicher ­Aktionsplan wird verlängert Mit dem vor fünf Jahren gestarteten nationalen Aktionsplan einer Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) sollen insbesondere Therapieoptionen erhalten und verbessert, Infektionsketten frühzeitig unterbrochen, Infektionen vermieden sowie Forschung und Entwicklung unterstützt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat seit 2017 zum Schwerpunkt „Antibiotika-Resistenzen und nosokomiale Infektionen“ zahlreiche Projekte gefördert, deren Ergebnisse in weitere Maßnahmen einfließen sollen. An einer zehnjährigen Fortführung des Programms wird derzeit von Seiten der Bundesregierung intensiv gearbeitet. DART 2030 soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Inhaltlich soll der Schwerpunkt auf den sachgerechten Antibiotikaeinsatz, die stärkere Implementierung von Leitlinien und Empfehlungen sowie auf Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika und alternativer Therapiemöglichkeiten gelegt werden. Vorgesehen ist auch die Einbindung von Fachgesellschaften, Verbänden und den Ländern.

Hygienepersonal – zusätzliche Mittel, Stellen, Qualifizierung

Um die Krankenhäuser bei der Erfüllung der Anforderungen an die Ausstattung mit Hygienepersonal zu unterstützen, werden mit dem Krankenhaus-Hygieneförderprogramm zudem seit 2013 neben Personaleinstellungen auch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Beratungsleistungen gefördert. Nach einer ersten Verlängerung im Jahr 2016 wurde das Programm 2019 um weitere drei Jahre verlängert.

Laut Statistik des GKV-Spitzenverbandes haben insgesamt 1.361 Krankenhäuser im Zeitraum von 2013 bis 2019 etwa rund 540 Mio. € zur Verbesserung der personellen Ausstattung mit Hygienepersonal erhalten. Damit haben ca. 94 % der anspruchsberechtigten Krankenhäuser zusätzliche Mittel bekommen. Der Großteil der finanziellen Unterstützung wurde mit ca. 391 Mio. € in die Neueinstellung von Hygienepersonal, der internen Besetzung neu geschaffener Stellen sowie der Aufstockung vorhandener Teilzeitstellen investiert. Ausreichend qualifiziertes Personal ist ein wesentlicher Baustein zur Infektionsprävention.

Digitalisierung – von Apps, Aufbereitung bis zur Robotik

Wir können aber noch mehr tun: Zum Beispiel den Digitalisierungsschub, den unser Gesundheitswesen derzeit erfährt, auch im Bereich der Infektionsprävention nutzen. Gute Ansätze gibt es viele, so z. B. eine App-Lösung zur Prozessbeobachtung und -dokumentation, die die Kliniken bei der Einführung von Versorgungspfaden und Standard-Arbeitsanweisungen (SOPs) unterstützt. Durch eine visuelle Abbildung der Arbeitsabläufe können die Pflegekräfte und das ärztliche Personal die Hygieneempfehlungen deutlich besser umsetzen. Die vorgegebenen SOPs können dabei an die hausinternen Standards angepasst und erweitert werden.

Zu den positiven Beispielen zählen auch autonome und mobile Reinigungsroboter, die zur Flächendesinfektion eingesetzt werden, E-Learning-Schulungsprogramme für das medizinische Personal und das Infektionspräventive Krankenzimmer sowie die automatisierte Aufbereitung von Ultraschallsonden bei Prostata-Biopsien – alles Projekte, die die Patientensicherheit im stationären Alltag merklich erhöhen können. Letzteres Projekt der Charité Berlin ist bereits vom Aktionsbündnis Patientensicherheit ausgezeichnet worden.

Infektiologie – Facharztanerkennung statt Zusatz­bezeichnung

In der aktuellen Corona-Pandemie haben wir gesehen, dass Fachärzte für Infektiologie einen besonderen Stellenwert in unserem Gesundheitssystem haben. Sie tragen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Patientensicherheit bei: Studien belegen, dass die Sterblichkeit von Patienten mit schweren Infektionen durch das rasche Hinzuziehen von infektiologisch weitergebildeten Ärzten deutlich reduziert werden kann. Bisher ist die Infektiologie lediglich als Zusatzbezeichnung verankert und kann mit einer Facharzt-anerkennung in den Fachgebieten Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Kinder- und Jugendmedizin erworben werden. Hier gilt es, schnellstmöglich eine eigenständige Facharztausbildung zu implementieren, um klinische Expertise und Forschung in Deutschland auf höchstem Niveau zu verankern. Die Bundesärztekammer ist hierzu bereits mit den zuständigen Fachgesellschaften in Gesprächen.

Denn eines ist sicher: Die Infektionsprävention wird auch zukünftig eine große Herausforderung bleiben und zahlreiche konstruktive Lösungsoptionen erfordern. Wie erfolgreich die Bekämpfung von Infektionen in Zukunft sein wird, hängt vom Grad der Umsetzung ab. Und hier sind alle Akteure gemeinsam in der Pflicht.

Autor:
Prof. Dr. Claudia Schmidtke, MdB,
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange
der Patientinnen und Patienten

Kontakt

Geschäftsstelle der Patientenbeauftragten der Bundesregierung

Friedrichstr. 108
10117 Berlin
Deutschland

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