Hygienemaßnahmen bei MRSA-Ausbrüchen auf dem Prüfstand
03.01.2024
- Welche Hygienemaßnahmen sind in nosokomialen MRSA-Ausbrüchen sinnvoll und angemessen?
„MRSA-Ausbrüche in Krankenhäusern sind in Deutschland bis heute ein relevantes Problem – auch in Deutschland“, sagt Prof. Dr. Ralf-Peter Vonberg vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Was weiß man generell über MRSA-Ausbrüche? Laut der Outbreak-Database sind von den weltweit gemeldeten 3735 nosokomialen Ausbrüchen 237 MRSA-Ausbrüche, also rund 8%. Die meisten Ausbrüche wurden aus den USA und aus Großbritannien berichtet. Betrachtet man die Abteilungen in Krankenhäusern, findet man die meisten Ausbrüche in der Chirurgie gefolgt von der Neonatologie und der Inneren Medizin. Neun Patienten sind üblicherweise von einem MRSA-Ausbruch betroffen (Median). Laut Outbreak-Database ist die genaue Quelle der Ausbrüche erstaunlicherweise in den meisten Fällen unbekannt.
„Wenn ein Ausbruch erst spät erkannt wird und schon viel Zeit vergangen ist, ist es schwierig, rückwirkend Quellen zu finden“, stellte Prof. Dr. Vonberg auf dem Krankenhaushygienetag der MHH im August in Hannover fest. Ansonsten sind meistens Menschen die Quelle, in erster Linie Patienten, in seltenen Fällen auch das Personal. Der Transmissionsweg, sofern er bekannt ist, ist direkter Kontakt. „Das ist der Grund, warum wir die Händehygiene und die Händedesinfektion so propagieren“, so Vonberg.
Zwei Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut sind in diesem Zusammenhang relevant: zum einen Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA und zum anderen Empfehlungen zum Ausbruchsmanagement und zum strukturierten Vorgehen bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen.
Wichtig: vor dem Ausbruch tätig werden
Grundsätzlich ist es laut KRINKO beim Ausbruchsmanagement wichtig, bereits proaktiv tätig zu werden, also schon vor dem Ausbruch. Es sollten alle Dinge geklärt werden, die bei einem Ausbruch relevant werden wie z.B., ab wann von einem „Ausbruch“ die Rede ist, wer muss sich dann im Team einbringen, wen muss man informieren, wen kontaktieren? Hier gehört natürlich das mikrobiologische Labor dazu und auch das Gesundheitsamt, da diese Ausbrüche meldepflichtig sind, und gegebenenfalls die Presse.
Wenn es wirklich zu einem Ausbruch gekommen ist, empfiehlt die KRINKO zunächst alle Fälle zu ermitteln und eine Line-List zu erstellen, mit der Angabe welche Eigenschaften die betroffenen Patienten aufweisen. „Hier kann man eventuell schon Gemeinsamkeiten erkennen, waren etwa alle Patienten im selben Operationsraum oder wurden von derselben Krankenpflegekraft betreut? Stellt man fest, es gibt Gemeinsamkeiten, ist das eine Möglichkeit nach der Quelle zu suchen“, erklärt Vonberg.
Weitere Maßnahmen sind je nach Erreger Ortsbegehungen durch die Krankenhaushygiene, das Prüfen von Arbeitsabläufen sowie die Entnahme von Proben für die Mikrobiologie, z.B. von Oberflächen. In Anbetracht des Erregers gilt es zu schauen, was sind wahrscheinliche Erregerquellen und wie kann man prüfen, ob diese in diesem Fall eine Rolle gespielt haben.
„Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, sollte der Ausbruch auch publiziert werden, damit andere davon lernen können“, empfiehlt Vonberg. Dies sei allerdings sein persönlicher Wunsch und stehe so nicht in der KRINKO-Empfehlung.
Auch außerhalb eines Ausbruchsfalles gibt die Kommission grundsätzlich Empfehlungen zum Umgang mit MRSA. So wird schon seit langem empfohlen, dass Patienten, die MRSA-positiv sind, in einem Einzelzimmer untergebracht werden. Es sollte Schutzkleidung getragen werden, wenn man beim Patienten tätig wird. Außerdem wird Surveillance empfohlen, Risikopatienten sollten abgestrichen werden und es sollten in ausgewählten Bereichen Aufnahmescreenings stattfinden. Die Händehygiene steht natürlich immer im Fokus. Und bei einer Besiedlung wird dekolonisiert.
Auch ist bekannt, dass Fortbildung und Netzwerken, also der Austausch zwischen verschiedenen Gruppen und Standorten, hilfreich ist beim Thema MRSA. Ebenfalls wichtig ist das Antibiotic Stewardship (ABS), also der rationale und verantwortungsvolle Einsatz von Antibiotika.
All diese Maßnahmen werden von der KRINKO empfohlen und gelten als Richtlinie für Krankenhäuser. „Man kann auch von dieser Richtlinie abweichen, es handelt sich ja um kein Gesetz. Gibt es aber hinterher ein Problem, sollte man die Abweichung jedoch sehr gut begründen können“, rät Vonberg. Das Krankenhaus ist dann in der Pflicht nachzuweisen, warum es in diesem speziellen Fall vertretbar und angemessen war, von der Richtlinie abzuweichen. Ein Beispiel wäre, dass eine Unterbringung eines MRSA-Patienten im Einzelzimmer nicht möglich war, weil im Haus aktuell kein Einzelzimmer frei war.
Die KRINKO rät auch dazu, bei einer Häufung von MRSA-Fällen ein Prävalenz-Screening auf der Station vorzunehmen und eine Genotypisierung anzustreben. Sollte auch Personal in diese Untersuchung einbezogen werden, sollte man allerdings schon im Vorfeld festlegen, wie dann mit positiven Personen umzugehen ist. Hier ist z.B. das Personalmanagement wichtig, ein Mitarbeiter darf nicht ohne Grund von einer Tätigkeit ferngehalten werden, er hat ein Recht darauf, seinen Beruf auszuüben. Auf der anderen Seite haben aber auch die Patienten ein Recht darauf geschützt zu sein. „Das sind zwei Rechtsgüter, die man gegeneinander abwägen muss und schauen, was ist machbar und was nicht“, sagt Vonberg. So könnte man beispielsweise positive Mitarbeiter weiterarbeiten lassen, sie aber patientenfern einsetzen.
Kein routinemäßiges Personal-Screening
Die KRINKO äußert sich auch hinsichtlich der Untersuchungen von Personal im Falle eines MRSA-Ausbruchs. Ein routinemäßiges Personal-Screening wird ausdrücklich nicht empfohlen. Begründung: Symptomlose MRSA-positive Mitarbeiter sind in der Regel kein Grund für einen Ausbruch.
„Wenn Sie einen Ausbruch haben und streichen die Mitarbeiter ab und finden bei einem einen MRSA-Erreger in der Nase und stellen aufgrund der Genotypisierung fest, es ist auch wirklich der MRSA, den Sie gerade bei den anderen Patienten gefunden haben, ist immer noch nicht klar, ob der Erreger vom Mitarbeiter auf den Patienten übertragen wurde oder ob sich der Mitarbeiter am Patienten angesteckt hat“, erklärt Vonberg.
Wenn man jedoch nachweislich MRSA-positive Mitarbeiter findet, empfiehlt die KRINKO eine Dekolonisation dieser Mitarbeiter, eine Gefährdungsbeurteilung ihrer Tätigkeit sowie Kontrollabstriche nach Dekolonisation.
Schaut man sich nun an, welche Hygienemaßnahmen bei MRSA-Ausbrüchen weltweit am häufigsten durchgeführt werden, stellt man fest, dass das Screening von Personal relativ weit vorne steht – nämlich an zweiter Stelle nach dem Screening von Patienten. „Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das nach deutscher Empfehlung eigentlich nicht routinemäßig gemacht werden sollte“, so Vonberg, der persönlich auch empfehlen würde, von einem Personal-Screening erst einmal abzusehen. Er selbst hatte mit seinem Team schon in einer Studie aus dem Jahr 2006 die Relevanz des Personals bei MRSA-Ausbrüchen untersucht. Hier fand man bei 191 MRSA-Ausbrüchen lediglich drei Fälle, in denen asymptomatisch besiedelte Personen einen Ausbruch verursacht hatten.
Auffällig ist, dass weltweit die Häufigkeit von MRSA in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ist. Es gibt Länder wie die Niederlande, die sehr wenige Fälle haben oder die USA mit sehr vielen Fällen. Gibt es hier einen Zusammenhang mit dem Aufwand an eingesetzten Hygienemaßnahmen? Eine Untersuchung aus dem Jahr 2021 unter Mitwirkung von Vonberg zeigte, dass der Aufwand an Hygiene, der betrieben wird, nicht abhängig davon ist, ob es ein Land ist mit viel oder wenig Fällen und es hier generell kein Schema gibt. „Das war überraschend, das hatten wir so auch anders vermutet“, so der Wissenschaftler.
Autorin: Alexandra Höß, Hamburg
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