Hygiene

Infektionsprävention durch viruzides Gurgeln und viruziden Nasenspray

03.03.2021 - Zum Schutz vor viralen Infektionen bei medizinischem Personal im Besonderen und der Bevölkerung im Allgemeinen

Zur Prävention von COVID-19 müssen alle infrage kommenden hygienischen Präventionsmaßnahmen wie Abstandswahrung, Kontaktminimierung, unterstützt durch Homeoffice, Verwendung persönlicher Schutzmaßnahmen, Belüftung von Innenräumen, Hände- und Flächendesinfektion einschließlich der Inanspruchnahme der Schutzimpfung ausgeschöpft werden. Da ein großer Teil der Infizierten das Virus schon vor Auftreten erster Symp-tome freisetzt, ist es sinnvoll, die Viruslast bereits prophylaktisch an den Eintrittspforten zu reduzieren, um die Wahrscheinlichkeit des Angehens der Infektion herabzusetzen und ihren Schweregrad abzuschwächen.

Antiseptisches Gurgeln und nasale Antiseptik sind zu Unrecht aus der Mode gekommene Präventionsmaßnahmen. Im Unterschied zu Europa hat das tägliche Gurgeln in Japan zur Infektionsprävention respiratorischer Infektionen eine lange Tradition und wurde vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt während der Schweinegrippe-Pandemie 2009 propagiert und erneut seit COVID-19 der Bevölkerung zur täglichen Durchführung empfohlen. Bekannt ist die Selbstreinigung anregende und die Austrocknung vorbeugende Wirkung salzhaltiger Luft auf die Atemwege. Die Befeuchtung der Schleimhäute von Mund und Nase wirkt der Anhaftung von Viren entgegen und ist selbst ohne Anwendung viruzid wirksamer Lösungen und Sprays präventiv wirksam.

Mit Beginn der pandemischen Ausbreitung von COVID-19 wurden zunächst Laboruntersuchungen zur viruziden Wirksamkeit infrage kommender Lösungen und Sprays durchgeführt, deren Ergebnisse durch Anwendungsstudien gestützt werden.

Wirksamkeit bei diversen Viren im Laborversuch

Wirksam gegen SARS-CoV-2 sind Carragelose (Rotalgenextrakt), Povidon-Iod (PVP-Iod) > 0,23 %, ätherische Öle in wässriger und ethanolischer Lösung, Octenidindihydrochlorid in Kombination mit Phenoxyethanol, Ethanol in Kombination mit Ethyllaurylarginat und Formulierungen auf Basis von Cetylpyridiniumchlorid. Ferner sind grüner Tee, Granatapfel- und Aroniasaft, wenn auch deutlich geringer, viruzid wirksam. Ebenso ist Salbeiextrakt gegen, Herpes-, Grippe und verschiedene Coronaviren wirksam; damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 gegeben. Durch Gurgeln mit Kochsalzlösung (2 %–3 %) 3mal/d kommt es zur Verkürzung der Infektion. Durch Herabsetzung der Virusausscheidung wurde die Erkrankungshäufigkeit selbst bei im Haushalt lebenden Personen um 35 % reduziert.

Auch durch Gurgeln mit grünem Tee wurde das Auftreten von Virusgrippeerkrankungen um 30 % herabgesetzt. Da Influenzaviren und SARS-CoV-2 in der Chemoresistenz vergleichbar sind, ist eine präventive Wirksamkeit auch gegen SARS-CoV-2 anzunehmen. Durch Nasenspray auf Basis von Carragelose wurde sowohl die Anzahl Erkrankter als auch die Erkrankungsdauer deutlich verkürzt.

Gegen Lippenherpes war Salbeiextrakt so wirksam wie das Virostatikum Aciclovir. Auch die Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen war hoch wirksam.

Präventive Wirksamkeit auch bei COVID-19

Bei Patienten im Stadium 1 (präsymptomatisches Stadium, 1–2 Tage vor Symptombeginn nach erfolgter Infektion) wurde die virale Clearance sowohl durch 1 % PVP-Iod als auch durch die Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen signifikant erhöht. Auch nach Erkrankungsbeginn konnte die Viruslast durch 1 % PVP-Iod gesenkt werden.

Empfehlungen für die ­Bevölkerung

Unter Berücksichtigung des Wissensstandes lassen sich folgende Empfehlungen ableiten.
In Japan wird der Bevölkerung in regionalen Clustern und bei einer 7-Tage-Inzidenz >50/100.000 Einwohner empfohlen, morgens und abends 0,23 % wässrige PVP-Iod-Lösung zum Gurgeln und als Nasenspray anzuwenden. Da entsprechende Handelsprodukte in Deutschland nicht verfügbar sind, kommt alternativ Gurgeln mit ätherischen Ölen in Kombination mit Ethanol oder bei Alkoholunverträglichkeit auf wässriger Basis in Betracht. Als Nasenspray sind Produkte auf Carragelosebasis eine Alternative. Ist die Inzidenz <50/100.000 EW, sind Kochsalzlösung oder grüner Tee eine Alternative. Zum Gurgeln mit Kochsalzlösung wird ein gestrichener Teelöffel Kochsalz in 100 ml lauwarmem Wasser gelöst. Davon wird etwa die Menge eines Schnapsglases in den Mund genommen. Jeweils vor dem Einatmen ist das Gurgeln zu unterbrechen und der Vorgang etwa drei Minuten lang zu wiederholen, morgens, abends und wenn möglich, mittags. Für die Nase sind Sprühprodukte auf Kochsalzbasis geeignet. Bei selbst Ansetzen kann die Lösung durch Einatmen in die Nase eingesogen werden.

Ein Präventionsschwerpunkt ist die Anwendung vor gemeinschaftlichen Aktivitäten in Einrichtungen der Altenpflege oder Rehabilitation, bei Familien­treffen (in der erlaubten Größenordnung), beruflichen Zusammenkünften, Gottesdiensten, Beerdigungen usw. In Schulen und Kindergärten kann Kindern und Betreuern Gurgeln mit grünem Tee oder Kochsalzlösung bei gleichzeitiger Anwendung von Nasenspray auf Basis von Carragelose empfohlen werden. Werden Nasensprays auf Kochsalzbasis ausgewählt, sollen diese wegen der Gefahr einer Gewöhnung und chronischen Schleimhautschädigung weder Konservierungsmittel noch abschwellende Wirkstoffe enthalten.

Auch bei Langzeitanwendung gibt es für Carragelose, ätherische Öle in alkoholischer oder wässriger Lösung, Kochsalzlösung, grünen Tee und 0,23 %–1,25 PVP-Iod keinen Anhalt für Risiken.

Prä- und Postexpositions­prophylaxe für Mitarbeiter

In Deutschland, Portugal, Malta und von der Weltgesundheitsorganisation wird vor zahnärztlicher Behandlung Gurgeln mit 0,2 % PVP-Iod empfohlen, in Belgien mit 1 % PVP-Iod.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) empfiehlt für medizinisches Personal vor Aerosol-erzeugenden Maßnahmen, z. B. zahnärztliche und Hals-Nasen-Ohren-Behandlung, Intubation, Bronchoskopie und nicht-invasive Beatmung, die Spülung der Mundhöhle mit 1,25 %iger wässriger PVP-Iod-Lösung in Verbindung mit Gurgeln. Die Lösung kann gemäß NRF 15.13 in der Apotheke hergestellt und in Sprayflaschen abgefüllt werden, solange kein Handelsprodukt verfügbar ist. Bei Kontraindikation gegen Iod (Hyperthyreose oder Iod-Allergie) kommt die Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen oder von
Phenoxyethanol mit Octenidin in Betracht.

Seit März 2020 wird die Präexpositionsprophylaxe vor Aerosol-erzeugenden Maßnahmen in der Universitätsmedizin Greifswald mit 1,25 % wässriger PVP-Iod-Lösung und bei Kontraindikation mit der Kombination ätherische Öle/Ethanol durchgeführt. Bisher gab es keinen Hinweis auf Unverträglichkeit und keine bekannt gewordene Übertragung von SARS-CoV-2 vom Patienten auf behandelnde Ärzte bzw. Zahnärzte.

Nach bekannt gewordenem Kontakt mit SARS-CoV-2 positiven Trägern (z. B. auch via Corona-Warn-App) empfiehlt die DGKH für 7 (bis 14) Tage Gurgeln mit verdünntem Betaisodona-Mund-Antiseptikum (3 ml zu 100 ml Wasser) oder als Apothekenherstellung mit 0,23 %iger wässriger PVP-Iod-Lösung, bei Kontraindikation Gurgeln mit Ethanol und ätherischen Ölen sowie Nasenspray auf Basis von Carragelose (Kramer A, Eggers M. Prevention of respiratory viral infections by virucidal mucosal antisepsis among medical staff and in the community. Hyg Med 2020; 45(9): 1–9)

Autoren:
Prof. Dr. Axel Kramer, Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald und Priv.-Doz. Dr. Maren Eggers,
Labor Prof. G. Enders MVZ GbR, Stuttgart

Kontakt

Universitätsmedizin Greifswald

Fleischmannstr. 8
17489 Greifswald
Deutschland

+49 3834 86 0
+49 3834 86 5010

Top Feature

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier

Top Feature

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier