Gesundheitspolitik

Inkontinenzpatienten müssen trotz Gesetz für Hilfsmittel zuzahlen

23.04.2018 -

Am 11. April 2017 trat das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz in Kraft. Die Zielrichtung der damaligen Bundesregierung war unmissverständlich: die Qualität der Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln bei Verträgen und Ausschreibungen der Krankenkassen steigern.

Ein Jahr danach sind Patienten immer noch gezwungen, private Aufzahlungen zu leisten. Denn die Vergütung vieler Krankenkassen ist weiterhin nicht ausreichend. Dies ergab eine aktuelle Analyse von Paul Hartmann Deutschland. Dringender Handlungsbedarf ist geboten – zum Wohle der Patienten.

Unabhängige Organisationen, wie die Deutsche Kontinenz Gesellschaft oder der Medizinische Dienst der Krankenkassen, gehen übergreifend davon aus, dass Inkontinenzpatienten etwa 100 Windeln monatlich benötigen. Eine realistische Monatspauschale für die Versorgung von Versicherten mit saugenden Inkontinenzprodukten liegt bei mindestens 25 Euro. Enthalten sind dabei Produktions-, Personal- sowie Logistikkosten. Nur dann sind Versorger nicht gezwungen, Aufzahlungen von Patienten zu verlangen. „Unsere Analyse zeigt deutlich, dass es bei der Vergütung der Krankenkassen deutliche Schwankungen gibt. Teilweise liegt die Monatspauschale bei nur zehn Euro. Der Patient hat dann die Wahl: private Aufzahlung oder ein eventuell auslaufendes Produkt nehmen. Bei einer tabuisierten Einschränkung wie Inkontinenz entscheiden sich viele für die Aufzahlung“, so Raimund Koch, gesundheitspolitischer Sprecher von Paul Hartmann Deutschland.

Seit 2013 sinkt die monatliche Vergütung – trotz HHVG

Im Durchschnitt zahlen Krankenkassen Monatspauschalen von 17,77 Euro. 2013 waren es noch knapp 23 Euro. Kassen, wie die AOK Baden-Württemberg, unterstützen auch heute mit Pauschalen von über 24 Euro die Patienten – ein realistischer Wert für eine gute Versorgung. Manche zahlen allerdings nur knapp die Hälfte dieses Betrags (DAK mit 12,50 Euro/ Monat). Einige Krankenkassen reduzierten die Vergütung trotz Gesetz sogar deutlich. „Wir konnten feststellen, dass Monatspauschalen um bis zu 4,90 Euro gesenkt wurden. Die höheren Anforderungen des HHVG spiegeln sich nicht in der Vergütung wider. Die Problematik der Unterversorgung und Aufzahlung bei saugenden Inkontinenzprodukten, die das HHVG lösen sollte, dürften sich demnach nicht geändert haben“, erklärt Raimund Koch.

Gesetz ist richtig – Handlungsbedarf bleibt weiterhin bestehen

Die Intention des HHVG und dessen Inhalte sind richtig und im Sinne der Patienten. Die Umsetzung ist in einigen Aspekten bereits gelungen, wie beispielsweise die Anpassung der Qualitätskriterien im Hilfsmittelverzeichnis in einigen Produktgruppen. „Allerdings besteht weiterer dringender Handlungsbedarf, da Inkontinenzpatienten auf eine qualitativ hochwertige Versorgung angewiesen sind. Inkontinenz ist eines der größten Tabuthemen in der Gesellschaft. Diese Einschränkung tangiert die Würde des Menschen. Eine unzureichende Versorgung kann zu peinlichen Momenten führen und zu Ausgrenzung“, so Koch abschließend.

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