Internationale Forschergruppe um Yvonne Kaußner erhält David-Sackett-Preis 2023
30.03.2023 - Mit dem Wissenschaftspreis des EbM-Netzwerks wird in diesem Jahr ein allgemeinmedizinisches Team für eine Studie zur Vermeidung von Antibiotika bei Blasenentzündung ausgezeichnet. Die Arbeit der Forschergruppe trägt dazu bei, den Antibiotika-Verbrauch zu reduzieren und Antibiotika-Resistenzen zu vermeiden.
Harnwegsinfekte sind bei Frauen häufig, meist aber unkompliziert. Zur Behandlung werden immer noch sehr gerne Antibiotika verschrieben. Denn aus Studien weiß man, dass Antibiotika die Symptome schneller reduzieren können. Sicherlich aber könnten manche Patientinnen auch ohne Antibiotika gut behandelt werden. Da Bakterien immer häufiger Antibiotika-Resistenzen entwickeln, wäre es sehr wichtig, diese Medikamente gezielter und insgesamt seltener einzusetzen – gerade bei unkomplizierten Harnwegsinfekten sonst gesunder Frauen. Trotz der allgemeinen Empfehlung, auch eine Behandlung ohne Antibiotika anzubieten, wird pro Jahr etwa 3 Mio. Frauen in Deutschland ein Antibiotikum verschrieben. Ein Grund hierfür ist die Sorge, dass die einfache Harnwegsinfektion zu einer Nierenbeckenentzündung führt, was aber nur selten passiert. Hilfreich wäre es vor allem, besser verstehen zu können, in welchen Fällen Antibiotika notwendig und in welchen Fällen sie überflüssig sind.
Die Forschergruppe um Yvonne Kaußner (Institut für Allgemeinmedizin, Universität Würzburg) und die beiden Gruppenleitenden Ildikó Gágyor (Institut für Allgemeinmedizin, Universität Würzburg) und Tim Friede (Institut für Medizinische Statistik, Universitätsmedizin Göttingen) hat daher die vorhandenen 9 Studien einer detaillierten Metaanalyse unterzogen. Anstatt von jeder Studie nur das Gesamtergebnis zu betrachten, wurden von fast allen Studien die Daten aller Einzelpatientinnen zusammengetragen. Ein solcher Ansatz erfordert eine Kooperation mit den internationalen Forschergruppen, die diese früheren Studien durchgeführt hatten. Mit finanzieller Unterstützung des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) gelang es den Forschenden aus Würzburg und Göttingen, die Daten von über 3500 Studienpatientinnen zusammenzuführen. Erstmals konnte so im Detail untersucht werden, welche Faktoren eher für oder gegen eine Antibiotika-Gabe sprechen. Wenn bei einer Frau mit Harnwegsinfekt Blutspuren (Erythrozyten) oder Bakterien im Urin nachweisbar sind, scheitert eine Antibiotika-freie Behandlung deutlich häufiger. Sind aber weder Blut noch Bakterien vorhanden, haben die Antibiotika keinen erkennbaren Vorteil. Insgesamt – so die Arbeitsgruppe – ließe sich mit einer Antibiotika-freien Behandlungsstrategie der Antibiotika-Einsatz um fast zwei Drittel vermindern.
In ihrer Laudatio lobte Christiane Muth (Universität Bielefeld), wie erfolgreich nicht nur die internationale Kooperation gelungen sei, sondern auch wie gut Patientinnen selbst am Projekt beteiligt wurden: Ein Patientenbeirat aus dem Bürgerforum des bayerischen hausärztlichen Forschungsnetzes (BayFoNet) hatte der Forschergruppe erklärt, welche Behandlungsziele bei Harnwegsinfekt aus Sicht betroffener Frauen besonders wichtig sind. Für die hausärztliche Behandlung hätten die Analysen direkte Praxisrelevanz, so Frau Muth. Der David-Sackett-Preis wurde dem Team um Yvonne Kaußner auf dem EbM-Kongress am 22.03.2023 in Potsdam verliehen. Das EbM-Netzwerk vergibt den mit 2.000 € dotierten David-Sackett-Preis jährlich für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Evidenz-basierten Medizin und Gesundheitsversorgung.
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