Kardiologen begrüßen Aufnahme von Kardio-CT in die Versorgung, sehen aber qualitative Probleme
25.01.2024 - Zur Abklärung eines Verdachts auf koronare Herzerkrankung (KHK) soll die Computertomographie der Herzkranzgefäße (CCTA) ab sofort in die Kassenleistungen eingeschlossen werden.
Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 18. Januar beschlossen. Kardiolog*innen begrüßen die Aufnahme der Methode, sehen aber auch Risiken, da der Beschlusstext nicht weit genug geht.
Die Computertomographie der Herzkranzgefäße (CCTA) wird in Zukunft das bevorzugte Mittel sein, um das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung (KHK) bei begründetem Verdacht abzuklären. Bisher war noch unklar, wie die Methode im ambulanten Bereich erbracht werden kann. Jetzt hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen entsprechenden Beschluss gefasst. (https://www.g-ba.de/beschluesse/6418/)
Kardiolog*innen sollen nur bei unklaren Fällen einbezogen werden
Die vom G-BA beschlossenen Neuregelungen zur Diagnostik der chronischen KHK sehen zwar vor, dass sowohl Radiolog*innen als auch Kardiolog*innen die Methode anwenden können. Durch die Strahlenschutzverordnung wird diese Leistung aber am Ende nach jetzigem Stand nur von wenigen Kardiolog*innen erbracht werden können. Im Falle der Leistungserbringung durch Radiolog*innen heißt es in § 3.7 des Beschlusstextes zur Beteiligung der Kardiologie: „Die Entscheidung zum weiteren Vorgehen insbesondere bei unklaren oder komplexen Befunden sollte nach Möglichkeit interdisziplinär mindestens unter Einbeziehung radiologischer und kardiologischer Fachexpertise erfolgen.“
Die Kardiologie wird damit in vielen Fällen von der initialen Diagnosestellung, Befundung und Befundinterpretation einer der tödlichsten Herzkrankheiten ausgeschlossen und bestenfalls in Ausnahmefällen einbezogen – und das, obwohl Kardiolog*innen den Beschwerde- und Krankheitsverlauf der Patient*innen besonders gut beurteilen können und für einen optimalen Behandlungsstandard stehen.
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädiert für interdisziplinäre Teams
„Wir freuen uns natürlich, dass der G-BA die CCTA in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen hat. Gleichzeitig geht der Beschluss aber nicht weit genug. Kardiolog*innen sind speziell darauf geschult, die Indikation für eine Koronardiagnostik zu stellen, die Ergebnisse der CCTA in einen klinischen Gesamtkontext zu betten und daher die richtigen Maßnahmen sowohl diagnostisch als auch therapeutisch einzuleiten. Radiolog*innen können das aufgrund der fehlenden klinischen Ausbildung nicht“, sagt Prof. Holger Thiele, Präsident der Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK). „Die für uns logische Entscheidung wäre ein Kooperationsmodell gewesen, das beide Disziplinen von Anfang bis Ende involviert. Jetzt droht eine Überdiagnostik und bei Ausschluss der Kardiologie eine suboptimale Versorgung und Therapie der Patient*innen mit einer KHK, die zur Patientengefährdung führen kann.“
Studien: Bessere Überlebensrate für Patient*innen bei Einbezug der Kardiologie
Die KHK ist mit rund fünf Millionen Betroffenen in Deutschland die häufigste Erkrankung des Herzens. Für rund 120.000 Menschen verläuft sie hierzulande jedes Jahr tödlich. Das sind mehr Todesfälle als die fünf tödlichsten Krebsarten (Lunge/Bronchien, Bauchspeicheldrüse, Brustdrüse, Prostata, Dickdarm) zusammen hervorbringen. Menschen mit einer KHK haben erwiesenermaßen eine deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit und niedrigere Infarktrate, wenn aus den Befunden der CCTA die richtigen Konsequenzen gezogen werden und die richtige Therapie eingeleitet wird (siehe hierzu bspw. die SCOT-HEART-Studie).
Patient*innen drohen diagnostische Spießroutenläufe und unnötige Operationen
Viele reale Patientenfälle zeigen, dass die Diagnosestellung von Hausärzt*innen und die Durchführung der CCTA von Radiolog*innen alleine zu unnötiger Folgediagnostik führen.
Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die KHK schnell fortschreitet und durch zu späte Konsultation der Kardiolog*innen, etwa das Risiko für einen Herzinfarkt nicht eingedämmt wird. Auch hat der Patient einen Anspruch darauf, dass Therapieentscheidungen verhindert werden, die gar nicht indiziert sind, z. B. im Extremfall eine Bypass-Operation.
Der G-BA sollte den Beschluss dringend überdenken
Ein Kooperationsmodell bedeutet nicht nur eine bessere Diagnostik und damit mehr Sicherheit bei einer der tödlichsten Krankheiten in Deutschland. Den Betroffenen werden außerdem lange Wartezeiten und unnötige Diagnoseverfahren erspart. Die DGK sieht es daher als dringlich an, dass Qualitätssicherungskriterien nicht nur für die CCTA eingeführt werden, sondern für den gesamten Prozess der KHK-Diagnostik und -Therapie. Nach dem G-BA-Beschluss muss der erweiterte Bewertungsausschuss die Vergütung der CT-Koronarangiografie im vertragsärztlichen Vergütungssystem abbilden. Hier sollten Qualitätssicherungsmaßnahmen für die CCTA und die gemeinsame Erbringung durch Kardiolog*innen und Radiolog*innen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet werden. In Anbetracht der schlechten Prognose der KHK und zur optimalen Versorgung der Patient*innen muss die Kardiologie zwingend vom Anfang der Diagnostik bis zur Therapie involviert werden.
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Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK)
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