Aus den Kliniken

Kathetergestützter Aortenklappenersatz auch für jüngere und risikoärmere Patienten geeignet

15.04.2024 - Die deutschlandweite DEDICATE-DZHK6-Studie zeigt, dass die schonendere kathetergestützte Therapie der Aortenklappenstenose (TAVI) für Patient*innen mit niedrigem und mittlerem Operationsrisiko eine zusätzliche Behandlungsoption darstellt.

Die deutschlandweite DEDICATE-DZHK6-Studie unter Federführung des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zeigt, dass die schonendere kathetergestützte Therapie der Aortenklappenstenose (TAVI) für Patient*innen mit niedrigem und mittlerem Operationsrisiko eine zusätzliche Behandlungsoption darstellt. Im Vergleich zum chirurgischen Aortenklappenersatz (SAVR) ist das Risiko mit Blick auf die Gesamtsterblichkeit und die Entwicklung von Schlaganfällen nach dem Eingriff etwa halb so hoch. Die Studie wurde heute im renommierten Fachmagazin New England Journal of Medicine veröffentlicht.

„Nach der Auswertung der Einjahresdaten konnten wir zeigen, dass die kathetergestützte Intervention dem operativen Klappenersatz gleichwertig ist. Dafür haben wir uns die Gesamtsterblichkeit und Schlaganfälle nach dem Eingriff als zentrale Kriterien in den beiden Patient*innengruppen angeschaut. Die Ergebnisse waren so überraschend eindeutig, dass sie die Therapie der Aortenklappenstenose auch bei jüngeren Patient*innen und solchen mit einem niedrigen Operationsrisiko künftig stark beeinflussen werden“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums und wissenschaftlicher Berater des Davoser Forschungszentrums für Kardiologie der Kühne-Stiftung (Cardio-Care).

Eine Aortenklappenstenose ist einer der häufigsten Herzklappenfehler, bei der die Aortenklappe der linken Herzkammer den Blutfluss in die Aorta durch Verengungen oder Entzündungen behindert. In der DEDICATE-DZHK6-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit des kathetergestützten sowie des chirurgischen Aortenklappenersatzes zur Behandlung einer Aortenklappenstenose bei Patient*innen mit mittlerem bis niedrigem operativen Risiko verglichen. Es sollte die Frage beantwortet werden, welches der beiden Verfahren die bessere Versorgungsform für diese Patient*innengruppe darstellt.

Im Zeitraum von Mai 2017 bis September 2022 wurden an 38 deutschen Herzzentren insgesamt 1.414 Patien*innen in die industrieunabhängige Studie eingeschlossen, deren Nachbeobachtungszeitraum auf fünf Jahre ausgelegt ist. Die für die Studie ausgewählten Patient*innen wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt und erhielten entweder einen kathetergestützten Aortenklappenersatz oder einen chirurgischen Klappenersatz. Das Durchschnittsalter betrug 74 Jahre, 57 Prozent der Teilnehmenden waren Männer. Um in der DEDICATE-Studie die klinische Versorgungsrealität in Deutschland abzubilden, konnten die Heart Teams der jeweiligen Klinik innerhalb der beiden Studiengruppen über die Behandlungsdetails wie Klappenauswahl selbst entscheiden.

Kathetergestützter Klappenersatz auch bei jüngeren Patient*innen eine Behandlungsalternative

Die Forschenden stellten im Rahmen der Studie fest, dass bei Patient*innen mit kathetergestützter Therapie die Gesamtsterblichkeit und das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ein Jahr nach dem Eingriff um 47 Prozent geringer lag als bei Patient*innen mit chirurgischem Aortenklappenersatz. Daher stellt die kathetergestützte Therapie der Aortenklappenstenose auch bei Patient*innen mit mittlerem bis niedrigem operativen Risiko eine gute Behandlungsoption dar. Ebenso konnten die Patient*innen nach der kathetergestützten Therapie das Krankenhaus schneller verlassen und wiesen insgesamt eine bessere Lebensqualität auf. „Wir werden künftig noch analysieren, ob bestimmte Untergruppen besondere Risiken oder Vorteile aus dem einen oder anderen Ansatz ziehen konnten“, sagt Studienkoordinator Prof. Dr. Moritz Seiffert, Leiter der Medizinischen Universitätsklinik II des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil.

„Der chirurgische Herzklappenersatz wird auch weiterhin für viele Patient*innen eine gute Behandlungsmöglichkeit sein. Doch jetzt stehen unseren interdisziplinären Heart Teams in der Kardiologie und Herzchirurgie für jüngere Patient*innen mit geringem Risiko mehr Auswahlmöglichkeiten in der Behandlung zur Verfügung. Wir können gemeinsam entscheiden, welcher Eingriff für die Patient*innen individuell die beste Behandlungsoption ist. Natürlich sind wir auch auf die Fünfjahresdaten unserer Studie gespannt“, sagt Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner, stellvertretender Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums und Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz- und Gefäßchirurgie des UKE.

Behandlung der Aortenklappenstenose

Mit fortschreitendem Alter kann es durch degenerative Veränderungen an den Taschen der Aortenklappe zu Verengungen kommen. Können sich die Klappen nicht mehr richtig öffnen und schließen, muss der Herzmuskel mehr Kraft aufwenden, um Blut in den Körperkreislauf zu pumpen. Mögliche Folgen sind Veränderungen der Muskulatur der linken Herzkammer und eine Abnahme der Herzleistung. Mit einer steigenden Lebenserwartung nimmt auch die Anzahl der Patient*innen mit Aortenklappenstenose zu. Der chirurgische Aortenklappenersatz galt als geplanter Eingriff lange als Standardbehandlung mit niedriger Morbidität und Mortalität. Doch bei Patient*innen im höheren Alter mit vielen Begleiterkrankungen und einem hohen Operationsrisiko empfahlen die Leitlinien verschiedener Länder das kathetergestützte Verfahren, bei dem die neue Klappe durch die Leistenarterie oder einen kleinen Schnitt im Bereich der Brustwand in das Herz eingeführt wird. Die DEDICATE-Studie zeigt nun, dass dieser minimalinvasive Aortenklappenersatz auch für jüngere Patient*innen eine gleichwertige Alternative zum chirurgischen Eingriff bedeutet und dass sich diese Ergebnisse auf die Patient*innenpopulationen und das Gesundheitsumfeld in vielen Industrieländern übertragen lassen. „Um unter Einbeziehung der Studienergebnisse eine auf die Patient*innen optimal ausgerichtete Therapieform zu ermöglichen, ist gleichwohl eine gemeinschaftliche Entscheidungsfindung zwischen Kardiologie, Herzchirurgie und den jeweiligen Patient*innen grundlegend“, sagt Prof. Blankenberg.

Deutschlandweite Studie DEDICATE

An der DEDICATE-DZHK6-Studie sind insgesamt 38 deutsche Herzzentren beteiligt. Die statistische Studienmethode wurde federführend von Prof. Dr. Andreas Ziegler, wissenschaftlicher Direktor des Davoser Forschungszentrums für Kardiologie der Kühne-Stiftung (Cardio-Care), entwickelt. Die Studie wird vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und der Deutschen Herzstiftung gefördert sowie von den kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften und der Kühne-Stiftung unterstützt.

Kontakt

UKE Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52
20251 Hamburg

+49 40 7410-54768
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