IT & Kommunikation

KI auf dem Weg zur Zukunftsfähigkeit

09.07.2024 - Weil sie der menschlichen Intelligenz überlegen ist, wird Künstliche Intelligenz die Medizin in bisher unerwarteter Dimension verändern.

Jahrzehntelang hatten Künstliche Intelligenz (KI) und Medizin nichts miteinander zu tun. Das eine war ein kleiner Zweig der Informatik, das andere eine jahrtausendealte berufliche Tätigkeit. So multiplex wie die Anwendungen sind heute auch die Anforderungen an KI-Systeme in der Medizin. Methoden der KI werden eingesetzt, um komplexe Zusammenhänge datengetrieben zu lernen und die Grenzen klassischer mathematischer Modelle zu überwinden. Dabei sind die Unempfindlichkeit gegenüber Störungen und unvollständigen Daten sowie die Interpretierbarkeit der Algorithmen von essenzieller Bedeutung. Durch die Anwendung von Algorithmen können verschiedene Forschungsdatensätze miteinander vernetzt und mit hoher Geschwindigkeit analysiert werden. KI unterscheidet sich von allen anderen Datentechnologien dadurch, dass sie Informationen so verarbeitet, wie es Gehirne auch tun. In künstlichen neuronalen Netzwerken laufen Eingangssignale über Milliarden von Synapsen und generieren Ausgangssignale. Bereits heute gibt es sehr viele Einsatzgebiete, in denen die KI schneller lernen kann als ein einzelner Arzt. Ersetzt werden Ärzte durch KI nicht. Jedoch gilt, dass Ärzte mit KI besser und schneller sein werden als Ärzte ohne KI.

Expertenwissen durch Algorithmen

In der Gesundheitsversorgung gilt KI heute als Schlüsseltechnologie. KI-gestützte Verfahren und Methoden können dazu beisteuern, die richtige Diagnose zu stellen, beispielsweise indem Algorithmen auf das Erkennen bestimmter Erkrankungen bei CT-Aufnahmen trainiert werden. Auf der Basis der eingegebenen Symptome und Befunde können Ursachen und die individuell jeweils aussichtsreichste Therapie aufgezeigt werden. Um KI erfolgreich im Klinikalltag einsetzen zu können, braucht es jedoch Vertrauen und Akzeptanz sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten. Grundsätzlich gilt in der Medizin: Wann immer Entscheidungen schwierig sind, gilt die im Konsens gefundene Expertenmeinung. In der Tagesroutine der medizinischen Versorgung von Krebspatienten gilt die Beratung z. B. im Tumor Board. Komplizierte Fälle werden etwa wöchentlich von den beteiligten Fachärzten - Chirurgen, Internisten, Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten der Klinik - gemeinsam besprochen. Ganz nach dem Grundsatz: Wissenschaft schafft Wissen. „Zu ihren Aufgaben gehört auch das Verschieben von vorhandenen Grenzen dessen, was man weiß. Wenn es gesichertes Wissen gibt, dann braucht man keine Meinung, auch nicht die von Experten, sondern kann sein Handeln auf Fakten stützen. Alternative Meinungen gibt es, alternative Fakten nicht“, so Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Neurowissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie an der Universität Ulm.

Vielseitigkeit von KI-Lösungen

KI nimmt in den verschiedenen Bereichen der Medizin eine immer wichtigere Rolle ein, während Einsatzszenarien immer lebhafter werden. Health- und Symptom-Checker-Apps erfassen Daten in standardisierter Form und helfen dadurch, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und die Effektivität von Behandlungsmethoden zu erhöhen. Medizinische Bildgebungsverfahren können immer genauere Aussagen treffen und Mediziner bei der Diagnosefindung unterstützen. Auch beim Screening im Hinblick auf Lungenkrebs, dem Krebsleiden mit etwa 1,8 Mio. Toten pro Jahr, wird KI von Radiologen eingesetzt. So wird vermieden, dass etwas übersehen wird. KI muss trotz vieler unbekannter Umstände robust funktionieren. Beispielsweise beim Sleep Staging werden EEG-Daten ausgewertet, die während des Schlafes aufgenommen werden. Die Herausforderung besteht u.a. darin, trotz unterschiedlicher Bedingungen und Messgeräte für alle Patienten zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Anhand unzähliger EEG-Messungen wird demonstriert, wie zuverlässig und robust KI sein kann. KI kann helfen, den Bestand an Blutprodukten effizient zu verwalten und den Bedarf vorauszusagen. Auch bei der Auswahl geeigneten Spenderblutes können Digitalisierung und KI einen wichtigen Beitrag leisten, wie die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mitteilt. Beispiel Deep-Learning-basierte Hirntumorsegmentierung: Wie KI-Methoden Hirntumore in räumlichen 3D-MRT-Bildfolgen zuverlässig und zeiteffizient pixelgenau automatisiert abgrenzen können, zeigt eine Software-Demonstration zur KI-basierten Tumor-Segmentierung. Die Deep-Learning-basierte-Bildanalyse ermittelt wesentliche Kenngrößen des Gehirntumors wie dessen Volumen, Position und Intensitätswerte automatisch und liefert die Grundlage für eine quantitative Auswertung und Bewertung der Entwicklung der Wucherung. In hybriden Bildverarbeitungssystemen werden Methoden der KI mit medizinischen Bildverarbeitungsverfahren und Visualisierungstechniken zur ärztlichen Unterstützung kombiniert. Beispiel „Implementierung in der Vorsorge-Koloskopie“: Bei der endoskopischen Untersuchung des Dickdarms im Rahmen der Darmkrebs-Vorsorge setzen die Ärzte der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR bereits ein System mit integrierter KI im klinischen Alltag ein. Es unterstützt die endoskopierenden Ärzte während der Untersuchung bei der Detektion und Charakterisierung von Polypen im Dickdarm.

Vorhersage von Dekompensationen

Damit Pflegende und Ärzte auf Intensivstationen sich mehr auf ihre Patienten konzentrieren können, sollen Techniken der KI bei der Analyse der vielfältigen Patientendaten unterstützen. Hier setzt das Projekt RIDIMP des Bremer Klinikverbunds Gesundheit Nord und des DFKI-Forschungsbereichs „Cyber-Physical Systems“ an. Mediziner der Gesundheit Nord definieren dazu zwei numerische Scores, die sich aus vielen Einzelparametern wie Sauerstoffsättigung, Puls oder Medikamentengaben zusammensetzen und den Zustand des Kreislaufs bzw. der Atmung anhand der Daten auf einer Skala von 0 (unkritisch) bis 9 (höchst kritisch) beurteilen. Diese Werte werden wiederum verwendet, um vorliegende historische Patientendaten zu bewerten und daraus mit Techniken des maschinellen Lernens eine Vorhersage für den Wert der Scores in der Zukunft und damit für die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs (kardiopulmonale Dekompensation) von Kreislauf oder Atmung zu implementieren. Auf diese Weise kann aus der Vielzahl der erfassten Daten sehr präzise die Entwicklung der zwei Scores und damit der gesundheitliche Zustand der Patienten in der Zukunft prognostiziert werden.

Ressourcen gemeinsam nutzen

Für die Entwicklung von KI-Modellen sind große Mengen an Trainingsdaten notwendig, die Krankenhäuser speichern müssen, zusammen mit Milliarden von bildgebenden Aufnahmen, die jedes Jahr erzeugt werden. Oft werden dafür Cloud-Speicher genutzt. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Datenspeicherzentren weltweit mehr Treibhausgasemissionen verursachen als die gesamte Luftfahrtbranche, was außergewöhnlich ist. Die Ortsbestimmung eines Datenspeicherzentrums hat enorme Auswirkungen auf dessen Nachhaltigkeit, speziell wenn es sich in kälteren Klimazonen befindet oder in Regionen, in denen erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Um die Umweltauswirkungen der Datenspeicherung zu minimieren, empfehlen Forschende der University of Toronto die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und - wo möglich - mit anderen Gesundheitsdienstleistern zusammenzuarbeiten, um den Energieverbrauch breiter aufzuteilen. Darüber hinaus geben die Forschenden weitere Tipps, um die von Datenspeicherung und Entwicklung von KI-Modellen verursachten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dazu gehören die Erforschung und der Einsatz besonders effizienter KI-Algorithmen, die Auswahl von Hardware mit geringerem Energieverbrauch, die Verwendung von Datenkomprimierungstechniken, die Löschung redundanter Daten und die Implementierung gestaffelter Speichersysteme.

Autor: Hans-Otto von Wietersheim, Bretten

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