Kliniken regeln Operationsbetrieb autonom am besten
01.12.2021 - Angesichts der dramatischen Dynamik der SARS-CoV-2-Pandemie wird es unvermeidlich sein, das reguläre Operationsprogramm an den Kliniken zugunsten der Behandlung von Corona-Patienten einzuschränken.
Die Betrachtung der bisherigen Wellen zeigt, dass die deutschen Kliniken während der zweiten und dritten Pandemiewelle in Abhängigkeit von den Inzidenzen und von der Dringlichkeit der Eingriffe dies eigenständig absolut situationsgerecht geregelt haben. Dagegen hat die behördlich angeordnete Absage elektiver Eingriffe während der ersten Welle zu einem undifferenzierten pauschalen Fallzahlrückgang in Kliniken geführt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die auf einem Benchmarking-Programm des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA), des Verbandes für OP-Management (VOPM) und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) beruht.
Die Studie basiert auf einer Analyse der Fallzahlentwicklung in der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie der Unfallchirurgie/Orthopädie während der zweiten (Herbst/Winter 2020/2021) und dritten Welle (Frühjahr 2021) bis zum 31. Mai 2021. „Aktuell müssen wir natürlich alles tun, um schwerer erkrankte COVID-Patienten stationär bestmöglich zu versorgen. Das gilt jedoch ebenso für andere schwerere elektive Krankheitsbilder. Wenn man die Auswahl der Patienten den Kliniken überlässt, erhält man ein sehr gut austariertes, sich selbst steuerndes System, das zeigen unsere Zahlen ganz klar“, sagt Dr. Jörg Rüggeberg, Vizepräsident des BDC. So sei deutlich erkennbar, dass Eingriffe mit hoher Dringlichkeit – die Krebsoperationen als Beispiel aus der Viszeralchirurgie – in der zweiten und dritten Welle nur mäßig rückläufig waren. Dagegen habe man bei Eingriffen, deren Verschiebung erfahrungsgemäß für Patienten mit keinen negativen Folgen verbunden sei, wie zum Beispiel die operative Versorgung von Hernien, deutliche Fallzahlrückgänge beobachtet, so Rüggeberg.
Hoher Fallzahlrückgang bei hoher Inzidenz, geringer Fallzahlrückgang bei niedriger Inzidenz: Auch in der Relation zwischen Operationsfrequenzen und Inzidenz zeigt sich der situationsgerechte Umgang der Kliniken mit der Pandemie. So ging die Fallzahl in den unfallchirurgisch-orthopädischen Hauptabteilungen in Hochinzidenzgebieten während der zweiten Welle um bis zu 40 Prozent zurück. In Niedriginzidenzgebieten lag der Rückgang im selben Zeitraum bei höchstens 18 Prozent. Während der ersten Welle dagegen sank die Fallzahl aufgrund der behördlichen Beschränkung elektiver Eingriffe insgesamt um bis zu 35 Prozent – und das trotz erheblich geringerer Inzidenzen im Vergleich zu den Folgewellen.
„Kliniken müssen immer dazu in der Lage sein, akute schwerere Eingriffe durchzuführen, besonders wenn es um bösartige Erkrankungen geht, um möglichst Folgeschäden für Nicht-COVID-Erkrankte zu minimieren. Niemand will gerne die Verantwortung einer Triage übernehmen, aber letztlich muss die individuelle Indikation der entscheidende Parameter sein. Die Kliniken haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, in der Pandemie den Handlungsbedarf nach Dringlichkeit des Eingriffs und aktueller Inzidenzsituation vor Ort flexibel einzuschätzen. Diesen Spielraum darf ihnen die Politik trotz der unzweifelhaft angespannten Lage nicht nehmen“, appelliert Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Präsident des BDC.
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