Gesundheitsökonomie

Krankenhäuser im Stresstest

30.09.2020 - Die Corona-Pandemie hat die Rahmenbedingungen in der Krankenhausbranche grundlegend verändert.

Die Aussetzung zahlreicher regulatorischer Vorgaben, die Verschiebung elektiver Eingriffe und die permanente Bereitschaft für die Versorgung von COVID-19-Patienten bestimmen den Klinikalltag. Dennoch ist der Strukturwandel nicht aufgehoben.

Zum Ausgleich für die finanziellen Belastungen wird regelmäßig auf die Pauschalen verwiesen, die für freigehaltene Betten oder den Mehraufwand bei der Beschaffung von Schutzmaterialien gezahlt werden. Michael Schwarz, Regionalleiter Firmenkunden Mitte-Süd der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank): „Die undifferenzierte Ausgleichspauschale von 560 € in den ersten Monaten der Krise wurde den unterschiedlichen Kostenstrukturen der Krankenhäuser nicht gerecht. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Auflagen für die Abrechnung sehr komplex gestaltet hat. Bei Nichteinhaltung der Nachweispflichten drohen empfindliche Abschläge. Auch wenn Krankenhäuser den Umgang mit komplexen regulatorischen Vorgaben gewöhnt sind, kommt es jetzt darauf an, die veränderte Situation zu beherrschen und gleichzeitig den Blick in die Zukunft zu richten.“

Regelbetrieb unter permanenter Bereitschaft

So gilt es, den eigenen Regelbetrieb unter neuen Gegebenheiten zu gestalten. Allein zwischen März und Juni 2020 sind über alle Fachdisziplinen gut 10 Mio. Behandlungstage ausgefallen, ein Drittel der normalen Behandlungstage im Quartal. Verbunden mit der permanenten Bereitschaft für COVID-19-Patienten können diese Leistungen nicht auf Knopfdruck nachgeholt werden. „Einrichtungen, die über einen hohen Anteil an Ein- oder Zweibettzimmern verfügen, werden hier schneller in einen Regelbetrieb übergehen können, als Häuser mit einem hohen Bestand an Mehrbettzimmern“, so Schwarz.

Dabei könnten die ausgebliebenen Behandlungen in Teilen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der betroffenen Patienten nach sich ziehen, so dass sich die Fallschwere in Krankenhäusern erhöht. „Um darauf zu reagieren, rechnen wir mit Nachholeffekten, sowohl bei der Akquise von Personal als auch bei den apparativen und räumlichen Kapazitäten, wobei sich diese letztlich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken“, erklärt Schwarz.

Der Strukturwandel ist nicht aufgehoben

Inwieweit die öffentliche Wertschätzung, die Pflegekräfte und Ärzte in der Pandemie erfahren haben, dazu beitragen wird, den Beruf attraktiver für den Nachwuchs zu machen, ist heute noch offen. Schwarz: „Um langfristig von dem Imagegewinn zu profitieren, sind vor allem gute Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entscheidend.“ Auch die Politik ist weiter gefragt, den Zugang zum Beruf zu fördern.

Im Hinblick auf die beschleunigte Digitalisierung sollten Kliniken auch im IT-Bereich auf dem Laufenden sein, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn der Strukturwandel ist derzeit allenfalls verschoben. „Konsolidierung, Ambulantisierung, Spezialisierung und Zentralisierung – diese Themen sind derzeit in den Hintergrund gerückt, holen uns aber wieder ein“, betont Schwarz.

Wirtschaftliche Rezession, sinkenden Einnahmen bei Gebietskörperschaften und Krankenkassen oder stagnierenden Fallzahlen im stationären Sektor werden die Strukturreform im Krankenhausbereich beschleunigen. Abhängig von einem erfolgreichen Impfstatus in der Bevölkerung, bleiben den Einrichtungen noch ca. ein bis zwei Jahre Zeit, ihre Rolle in der zukünftigen Krankenhauslandschaft vorzubereiten. Schwarz: „Denkbar ist aus heutiger Sicht, dass ein Teil der bisher vermuteten Überkapazitäten in Reservekapazitäten umgewandelt wird. Hier sind dann entsprechende Risikokonzepte nötig, um in Krisensituationen flexibel zu reagieren. Zudem werden die bereits aus verschiedenen Blickwinkeln diskutierten Konzepte zu Versorgung- und Vergütung wieder in den Fokus rücken“.

Kontakt

Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG

Oskar-Mattern-Str. 6
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