Gesundheitspolitik

Krankenhäuser reagieren auf Bedrohung durch Attentate

30.08.2021 - Die Analyse der Sicherheitslage von Kliniken liefert ein vorwiegend positives Bild, lautet das Fazit einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).

Allerdings müssten mehr regelmäßige Übungen zu Schadenslagen durchgeführt werden. Denn nicht erst seit den Anschlägen der letzten Jahre ist die Sicherheit in Kliniken zu einem ernstzunehmenden Aspekt der Krankenhausplanung und Prozessorganisation geworden. „Als Teil der kritischen Infrastruktur können Kliniken selbst Opfer eines Amoklaufs oder eines terroristisch motivierten Anschlags werden. Auch wenn es bereits eine gute Basis gibt, müssen Krankenhäuser und Mitarbeitende weiter in ihrem Bemühen gestärkt werden, um solch eine extreme Situation erfolgreich zu beherrschen. Denn auch die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan könnten mittelfristig zu einer weiteren Zunahme von terroristischen Anschlägen führen“, sagt Prof. Dr. Michael J. Raschke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster. Der Beitrag der DGU-Arbeitsgruppe Einsatz-, Katastrophen und Taktische Chirurgie (EKTC) zu diesem Thema ist jetzt in der Fachzeitschrift „Der Unfallchirurg“ erschienen.

Die Krankenhäuser sind sich ihrer Situation bewusst. Vielfach wurde daher die bestehende Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (KAEP) an die neuen Herausforderungen angepasst. Auch die Alarmierungswege und Meldeketten sind bei den meisten Krankenhäusern auf dem neuesten Stand und die Netzwerkarbeit zwischen den Traumazentren der DGU hat sich etabliert. Entwicklungspotenziale gibt es noch in einigen nachgeordneten Bereichen und beim Thema Abläufe und Routinen. Hier müssten deutlich mehr und regelmäßig Übungen zu besonderen Einsatzlagen stattfinden.

Eine Umfrage unter Klinikverantwortlichen und leitenden Notfallmedizinern auf der 3. Notfallkonferenz der DGU liefert jetzt wertvolle Zahlen zum Sicherheitsstand in bundesdeutschen Kliniken. Ein wesentliches Element zur Vorbereitung auf ein schweres Gefahrenereignis ist das aktive Training von Abläufen. Nur ein Viertel der Befragten berichtet, dass einmal pro Jahr eine Krisenübung stattfindet. Bei mehr als der Hälfte hingegen lag eine derartige Krankenhausübung bis zu fünf Jahre zurück. „Ein zu langer Zeitraum, um vorhandene Schwächen oder Schnittstellenprobleme in der Organisation und den internen Abläufen zu erkennen“, sagt Prof. Dr. Axel Franke, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und Leiter der DGU-AG EKTC. „Krisenübungen zeigen, ob es im Krankenhaus an irgendeiner Stelle hakt. Aber auch, ob das Zusammenspiel mit öffentlichen Behörden klappt, die Zuständigkeiten klar definiert sind und die Kommunikationswege funktionieren. Daher sollten sie nach Möglichkeit regelmäßig einmal pro Jahr stattfinden und die Kernbereiche des Krankenhauses aktiv mit einbeziehen“, sagt der stellvertretende EKTC-Leiter Dr. med. Gerhard Achatz, er ist Oberfeldarzt am Bundewehrkrankenhaus Ulm und Initiator der Umfrage zusammen mit weiteren Kollegen der AG EKTC.

Eine Ursache, warum es bei der Durchführung von Krisenübungen eine solche Streuung zwischen den Krankenhäusern gibt, liegt in dem beträchtlichen organisatorischen und finanziellen Aufwand. Bisherigen Erfahrungen nach verursacht ein Training regelhaft Kosten in Höhe von 100.000 Euro und mehr. Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist jedoch sehr unterschiedlich und die Verantwortung für dieses Thema fällt im Rahmen der Daseinsvorsorge weitgehend in die Zuständigkeit der betroffenen Gebietskörperschaften. „Die Sensibilisierung für das Thema ist zwar vorhanden, aber nicht jedes Krankenhaus kann eine solche Summe aus dem laufenden Betrieb heraus erwirtschaften“, sagt Professor Dr. Benedikt Friemert, 2. Vizepräsident der DGU und Oberstarzt am Bundeswehrkrankenhaus Ulm.

Ein vielfach genutztes Instrument der Vorbereitung auf eine besondere Schadenslage ist der sogenannte Krankenhausalarm- und -einsatzplan (KAEP). Diese Alarm- und Einsatzpläne sind ein wichtiger Hebel, um in Gefahrensituationen schnell und abgestimmt zu reagieren. Die Umfrage zeigt, dass derartige Pläne in den Kliniken von 84 Prozent der Befragten vorliegen. Bei knapp zwei Dritteln wurden die Pläne in den vergangenen drei Jahren auch aktualisiert und angepasst.

In einer konkreten Gefahrensituation kommt es darauf an, dass alle Verantwortlichen und Betroffenen schnell informiert werden. Dazu müssen die Alarmierungsverfahren auf dem neuesten Stand sein. Hier haben viele Krankenhäuser in den letzten Jahren nachgerüstet. So findet die Alarmmeldung bei 60 Prozent der Befragten in den eigenen Häusern automatisiert und abgestuft statt. Die computergestützten Systeme ermöglichen die gleichzeitige Alarmierung einer großen Personenzahl. Parallel lassen sich unterschiedliche Alarmierungswege nutzen: Festnetz, Mobilfunk, E-Mail oder SMS.

Ein differenziertes Bild zeigt sich beim Thema Kommunikation. So bestätigen die Befragten, dass im Zusammenspiel innerhalb der Traumanetzwerke bei 66 Prozent konkrete Absprachen vorliegen und der fachliche Austausch im Rahmen der etablierten Netzwerk-Strukturen regelmäßig stattfindet. Gleichzeitig zeigt die Befragung, dass bei der Hälfte der Krankenhäuser keine Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt werden. Solche Informationsveranstaltungen mit Mitarbeitenden dienen dazu, für das Thema zu sensibilisieren, gemeinsame Vorgehensweise zu kommunizieren oder interne Abläufe und etablierte Prozesse kritisch zu hinterfragen.

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