Aus den Kliniken

Krankenhausinfektionen: ALERTS-Studie am Uniklinikum Jena schließt Forschungslücke

03.12.2012 -

Die ALERTS-Studie am Universitätsklinikum Jena erfasst erstmals in Deutschland die Zahl der auftretenden Krankenhausinfektionen in einem gesamten Klinikum über einen längeren Zeitraum. Damit schafft sie wesentliche Voraussetzungen für die Evaluierung von Präventionsstrategien.

Bisher schätzen Experten die Zahl der Fälle im Jahr, in denen sich Patienten in einem deutschen Krankenhaus eine Infektion zuziehen. Diese Schätzungen basieren allerdings auf Erhebungen, die weit über zehn Jahre alt sind, nur Stationen mit einem besonders hohen Risiko oder an einem einzelnen Stichtag berücksichtigten, und sind daher entsprechend unsicher. Zahlen von 600.000 und mehr werden genannt, weil aktuelle, fundierte Ausgangsdaten fehlen.

Neuartig in Umfang und Methodik - Engagement aller Berufsgruppen

Diese Forschungslücke schließt die ALERTS-Studie am Universitätsklinikum Jena. Als ein zentrales Projekt des vom BMBF geförderten Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums „Center for Sepsis Control and Care" erfasste sie ein Jahr lang die Zahl der am Klinikum auftretenden Krankenhausinfektionen. „Die Studie stellt einen wichtigen Beitrag für die Patientensicherheit an unserem Klinikum dar, deshalb beteiligen sich alle Berufsgruppen mit großem Engagement", betont Prof. Dr. Klaus Höffken, Medizinischer Vorstand des Thüringer Universitätsklinikums. Hierfür wurden bei fast 40 000 Patienten in den vergangenen zwölf Monaten klinikumsweit Daten weit über das übliche Krankenhausinfektionsüberwachungssystem KISS hinaus erhoben, z.B. auch Daten zur Antibiotikatherapie oder die Schwere einer Krankenhausinfektion.

Das Ergebnis: Bei 4,3% der in den ersten sechs Monaten behandelten Fälle, genau 823-mal traten Krankenhausinfektionen auf. Die Auswertung weiterer sechs Monate läuft noch. „Damit können wir die bisherigen Expertenschätzungen für deutsche Kliniken bestätigen und erstmals wissenschaftlich untersetzen", wertet der Studienleiter Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst das Ergebnis. „Und wir haben die Voraussetzungen für die nächste Studienphase geschaffen, denn ohne Ausgangswerte lässt sich der Effekt von Präventionsmaßnahmen nicht ermitteln", so der Intensivmediziner und Sepsisexperte weiter.

Maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen im „real-life"-Test

Genau das ist das Ziel der zweiten Studienphase von ALERTS. In Ergänzung zu den bestehenden Hygieneregeln werden Maßnahmen zur gezielten Prävention der häufigsten Krankenhausinfektionen wie Wund- oder Atemwegsinfektionen entwickelt, die auf die jeweilige Patientengruppe und die Abläufe in der Klinik zugeschnitten sind. „Wir wollen Maßnahmenbündel schnüren, die im Alltag auch umsetzbar sind. Deshalb fassen wir jetzt die für die jeweilige Infektion vielversprechendsten Maßnahmen zusammen, zur Verringerung der katheterassoziierten Infektionen z.B. die kritische Prüfung der Notwendigkeit, die strikt aseptische Anbringung und die rechtzeitige Entfernung von Venenkathetern. Dann testen wir, ob sich durch diese Maßnahmenbündel auch unter "real life"-Bedingungen in einem großen Klinikum eine Reduzierung der Krankenhausinfektionen erreichen lässt", so ALERTS-Koordinator Dr. Stefan Hagel.

Auch des hygienischen Dauerbrenners Händedesinfektion nimmt sich das Studienteam an: Eine mit der Bauhaus-Universität Weimar entwickelte Posterkampagne spricht alle Klinikumsmitarbeiter, aber auch Angehörige und Besucher an. Die ergonomische Anbringung von Desinfektionsmittelspendern in der Nähe der Patientenbetten soll Abläufe in der täglichen Routine vereinfachen.

Ziel: Reduzierung der Infektionen um 20 Prozent

Ob und wie wirksam die einzelnen Maßnahmen sind, wird sich ab März 2013 zeigen, denn dann beginnt eine erneute Erfassung der Infektionen. Parallel wird anhand der Daten ein exakteres Risikoprofil formuliert, um so spezielle Patientengruppen noch gezielter und wirksamer zu schützen zu können. Prof. Brunkhorst: „Es ist unser Ziel, die Krankenhausinfektionen an unserem Klinikum nachhaltig um 20% zu reduzieren." Mit der steigenden Anzahl älterer und chronisch kranker Patienten nimmt gerade in Kliniken der Maximalversorgung der Anteil der Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko zu. „Schon das ALERTS-Zwischenergebnis bescheinigt unseren Mitarbeitern einen höchst sorgfältigen Infektionsschutz", so Professor Höffken, „gerade als Universitätsklinikum sind wir in der Pflicht, bestehende Maßnahmen auszubauen und neue Ansätze zu entwickeln und umzusetzen."

Mit ALERTS nimmt das UKJ hierbei eine Vorreiterrolle ein, die in den Fachgremien mit großem Interesse verfolgt wird. Prof. Dr. med. Petra Gastmeier, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen, bezeichnet die von ALERTS entwickelte Erfassungs- und Überwachungsmethode für Krankenhausinfektionen als „Modell für andere Krankenhäuser. Es ist geeignet, international etablierte Surveillance-Definitionen und -Methoden zu überprüfen und zu validieren."

 

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