Aus den Kliniken

Künstliche Gelenke: Screening auf Problemkeime vor OP senkt Infektionsrisiko

08.06.2015 -

Kunstgelenke werden immer belastbarer und langlebiger. Die Zahl erneuter Operationen, beispielsweise infolge von Verschleiß oder Lockerung der Gelenkprothese, konnte in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu um die Hälfte gesenkt werden.

Bei einem von 100 Patienten mit einem neuen Kunstgelenk entzündet sich jedoch die Endoprothese nach dem Einsatz in den Körper. Eine solche periprothetische Infektion verursacht Schmerzen, schränkt die Funktion des Gelenks ein und es drohen erneute Operationen. Bei einer Pressekonferenz am 19. Juni anlässlich des Forums „Experts meet Experts – Prävention Periprothetischer Infektionen“ der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) erläutert die Fachgesellschaft unter anderem, mit welchen Maßnahmen die Infektionsgefahr vor und während einer Operation gesenkt werden kann. So fordern Experten der AE, jeden Patienten standardmäßig vor einer OP einem Erreger-Screening zu unterziehen.

Kunstgelenke nehmen den Schmerz, geben Lebensqualität zurück und verlängern Leben: Bei Menschen mit Arthrose steifen die Gelenke ein. Ein künstliches Gelenk erlaubt ihnen, sich wieder besser zu bewegen, spazieren zu gehen und sogar moderat Sport zu treiben. Dabei haben sich die Materialien, die Implantate und die Operationstechnik in den letzten zwei Jahrzehnten stetig verbessert: Künstliche Gelenke halten heute lange, Hüftgelenke beispielsweise bei etwa 85 Prozent der Patienten länger als 15 Jahre. Einzig die Infektionsrate konnte bisher nur minimal gesenkt werden. „Infektionen stellen uns immer wieder vor neue Herausforderungen – insbesondere vermehrte Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung“, erklärt Professor Dr. med. Heiko Reichel, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am RKU Ulm.

Ärzte steuern deshalb bereits im Vorfeld einer Operation gezielt gegen: „Wir müssen die Haut und den Körper des Patienten umfassend auf dort befindliche Erreger untersuchen, und das schon vor einem Eingriff “, erläutert Reichel, Präsident der AE. Ein Screening auf Erreger ermögliche es, diese vor der Operation zu bekämpfen und mit Antibiotika einer Infektion gezielt vorzubeugen. Diese Untersuchung und die eventuell nachfolgende Behandlung sollten zum standardisierten Ablauf gehören, fordert der Experte der AE.

„Um das Infektionsrisiko weiter zu senken, forschen wir zudem an antibakteriellen und einheilungsfördernden Implantat-Oberflächen“, so Reichel. Zusammen mit Mikrobiologen erarbeiten Endoprothetik-Experten derzeit individualisierte Behandlungskonzepte, die die Antibiotikatherapie und das Timing für den Wiedereinbau des Gelenks verbessern sollen.

Unter der Leitung von Professor Dr. med. Rudolf Ascherl, Chefarzt der Klinik für spezielle Chirurgie und Endoprothetik am Krankenhaus Tirschenreuth, und Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Kirschner, Direktor der Orthopädischen Klinik der St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe, erörtern Vertreter verschiedenener Fachgebiete im Forum „Experts meet Experts“, wie sich Gelenkinfektionen noch besser vermeiden lassen: von der optimalen Vorbereitung des Patienten über die richtigen Hygienemaßnahmen im OP bis hin zum innovativen, antibakteriell beschichteten Implantat. Aktuelle Ergebnisse aus Forschung und Medizintechnik stellen die Endoprothetik-Experten und Mikrobiologen bei der Pressekonferenz am 19. Juni in Hamburg vor.
 

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