Leben mit einem künstlichen Herz?
30.11.2023 - Künstliche Herzunterstützungssysteme, sogenannte Ventricular Assist Devices (VAD), sind für Patienten mit stetig abnehmender Herzleistung oftmals die letzte Chance zu überleben.
Doch eigentlich sollten diese VADs nur als zeitliche Überbrückung dienen, bis ein geeignetes Spenderorgan gefunden ist. Wegen der steigenden Organknappheit ist das jedoch nicht mehr so. In der Kunstherz-Sprechstunde der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) werden Patienten mit künstlichen Herzen medizinisch betreut und im Umgang damit geschult.
Einer der bedeutendsten Meilensteine der Medizin ist die Transplantation von Organen. Damit eröffnen sich für viele Patienten neue Überlebenschancen. Doch Herz, Lunge, Leber, Niere und Pankreas sind beileibe nicht in der Anzahl verfügbar, wie Bedarf besteht, so dass sich die Medizin etwas einfallen lassen musste. So können etwa Patienten, die auf eine Herztransplantation warten oder aus anderen medizinischen Gründen als nichttransplantierbar gelten, auf ein Ventricular Assist Device (VAD), also ein Kunstherz, hoffen. „Ein künstliches Herz kann für viele Betroffene eine Alternative für eine Herztransplantation darstellen“, erklärt Professor Dr. Daniele Camboni, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie des UKR. Die Anzahl postmortaler Spenderorgane stagniert seit Jahren, so dass für Patienten die Wartezeiten für ein geeignetes Spenderherz immer länger werden. Wird jedoch die eigene Herzleistung immer schwächer und sind medikamentöse Therapien oder Eingriffe wie etwa eine Herzklappenoperation ausgeschöpft, kommt nur noch eine Herztransplantation in Frage. „Leider können wir aufgrund der Organknappheit in den meisten Fällen nicht zeitnah transplantieren, so dass der Patient zur Überbrückung der Wartezeit ein Herzunterstützungssystem benötigt“, führt Professor Dr. Christof Schmid, Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie aus. Daneben werden VADs auch bei jenen Patienten implantiert, die aufgrund von Vorerkrankungen oder fortgeschrittenem Lebensalter keiner Herztransplantation unterzogen werden können.
Kunstherz als Überbrückung der Zeit auf der Warteliste
Petra S. ist 58 Jahre alt, benötigt ein neues Herz und steht dementsprechend auf der HU-Liste (High Urgency), der Warteliste für eine Organtransplantation. „Ich weiß schon seit über 20 Jahren, dass mein Herz irgendwann nicht mehr funktionieren wird.“ Letztes Jahr war es so weit: Herzinfarkt, Herzstillstand, Reanimation. „Es war sehr knapp, und ich hatte großes Glück, dass die Ärzte am UKR so schnell reagierten und mich zurückholen konnten“, blickt die Regensburgerin zurück. Ihr eigenes Herz zu retten war jedoch nicht möglich, so dass sie seitdem mit einem Kunstherz lebt, bis ein geeignetes Spenderorgan gefunden wird. Die Einschränkungen und die Umstellungen in ihrem Leben nimmt sie dabei gerne in Kauf. Die Tasche für die Akkus und die Kabel sind seitdem fester Bestandteil in ihrem Tagesablauf. Was ihr fehlt? „Zu schwimmen oder zu baden. Ich bin eine Wasserratte, aber das geht im Moment leider nicht.“ Dennoch ist ihr bewusst, dass sie ohne das Kunstherz kaum Überlebenschancen hätte – eine Situation, die nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche fordert. Unterstützung erfährt sie dabei von ihrer Familie. „Ohne sie würde ich es nicht schaffen. Wir halten eng zusammen. Es gibt noch vieles, was ich gerne tun und erleben möchte.“ Und wenn alles gut geht, kann Petra S. auch irgendwann wieder ins kühle Nass eintauchen.
Funktionalität eines mechanischen Herzunterstützungssystems zeitlich begrenzt
Weil sich das Warten auf ein geeignetes Spenderherz manchmal auch über mehrere Jahre hinziehen kann, ist es gut, ein Kunstherz als Alternativen zu haben. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob ein EXCOR, eine außerhalb des Körpers befindliche Pumpkammer, mit der linken Herzkammer verbunden wird oder ob eine elektromagnetisch angetriebene Kreiselpumpe zur Unterstützung der linken Herzkammer implantiert wird. In beiden Fällen wird nach genauer Prüfung der körperlichen Eignung das Kunstherzsystem in einem operativen Eingriff mit den Herzkammern und den Hauptschlagadern verbunden, so dass es die Herzfunktion unterstützen kann. Das Steuerkabel wird dabei über die Bauchdecke nach außen geleitet und mit der entsprechenden tragbaren Steuereinheit verbunden. Die Haltbarkeit eines mechanischen Herzens lässt sich nicht sicher bestimmen. Der am Regensburger Herzzentrum am längsten betreute Patient lebt schon seit acht Jahren mit einem Kunstherz im Kreise seiner Familie. Bei schwer herzkranken Patienten, die aus verschiedensten Gründen keiner Herztransplantation zugeführt werden können, stellt das Kunstherz die einzige Alternative dar. Problematisch gestalten sich jedoch Defekte der Pumpe, wenn der Patient kein Transplantationskandidat darstellt. Ein Austausch des Kunstherzens gestaltet sich danach jedoch als sehr schwierig. Professor Camboni: „Ein solcher Eingriff ist kein Ersatzteilwechsel, den man beliebig oft durchführen kann. Wir können dem Patienten mittels Kunstherzen Lebenszeit geben, die sie im Kreise ihrer Lieben erleben können.“
Spenderorgan durch VADs nicht gänzlich ersetzbar
Ob das Herz und auch die mechanische Unterstützung reibungslos funktionieren, wird in regelmäßigen Abständen in der Kunstherz-Sprechstunde, in der die Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie, die Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II sowie die Kardiotechnik des UKR, die Patienten gemeinsam betreuen, überprüft. Mittels Ultraschall werden die medizinischen Parameter wie die Pumpkraft, der Sitz des Kunstherzens an der Spitze der Herzwand und die mechanischen Parameter wie Akkuleistung und Pumpleistung geprüft. Dennoch kann ein gesundes Spenderorgan nicht gänzlich durch ein mechanisches Herzunterstützungssystem ersetzt werden. Daher appelliert Professor Camboni: „Niemand ist davor gefeit, selbst ein Spenderorgan zu benötigen. Darum ist es wichtig, sich in gesunden Zeiten Gedanken zu machen, ob man im Ernstfall nicht nur ein Spenderorgan annehmen würde, sondern auch selbst zur Organspende bereit wäre und so vielleicht einem Menschen das Leben zu retten.“
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