Leipziger Preis für Krankenhauslogistik verliehen
Innovationspreis der med.Logistica für optimiertes Entlassmanagement
Im Rahmen der Eröffnung der med.Logistica wurde der mit 6.000 Euro dotierte Leipziger Preis für Krankenhauslogistik vergeben.
Die Auszeichnung für besonders fortschrittliche, praktisch erprobte Logistikprojekte im Gesundheitswesen ging an Dr. med. Christine Fuchs, MBA, Geschäftsführerin des Krankenhauses Lübbecke-Rahden, Mühlenkreiskliniken AöR, und Dr.-Ing. Marco Emmermann, geschäftsführender Gesellschafter der Visality Consulting GmbH. Gewürdigt wurde das „Realisierte Prozessmanagement im Krankenhaus durch messbare Optimierung der Zusammenarbeit aller Berufsgruppen unter Nutzung des Healthcare-Control-Center-Tools“. Den parallel verliehenen, mit 1.000 Euro dotierten Nachwuchspreis Thesis-Award erhielt Melanie Hagemann für ihre Masterarbeit zum Thema „Logistik-Benchmarking in Krankenhäusern der Maximalversorgung" im Studiengang Health Care Management an der Hochschule Niederrhein.
Für das Healthcare-Control-Center-Tool (HCC) wurde ein von Visality entwickeltes und bisher auf Flughäfen angewandtes Konzept der digitalen Planung und Steuerung auf die Prozesse im Krankenhaus übertragen. Das Ergebnis dieser Anwendung sind schneller versorgte Patienten, kürzere Liegezeiten auf den Stationen sowie eine reibungslosere und transparentere Organisation des Entlassmanagements. Eine achtköpfige Fachjury wählte das Gewinnerprojekt aus 20 Einreichungen aus.
Ganzheitliche Lösung
„Am diesjährigen Gewinnerprojekt des Innovationspreises war besonders beeindruckend, dass das eingeführte System eine ganzheitliche Lösung darstellt“, erklärt Prof. Dr. Hubert Otten, Sprecher der Jury des Leipziger Preises für Krankenhauslogistik und Leiter des Kompetenzzentrums eHealth an der Hochschule Niederrhein. „Eine Lösung, die sowohl eine Optimierung der Primärprozesse ermöglicht als auch die Steuerung von Sekundärprozessen erlaubt.“ Primär- bzw. Kernprozesse bezeichnen Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen und sind im Krankenhaus auf die medizinische Versorgung ausgerichtet; Sekundärprozesse wie zum Beispiel Logistik oder Personalwesen unterstützen diese primären Prozesse.
Healthcare Control Center: Vom Flughafen ins Krankenhaus
„Wie fast allen Kliniken in Deutschland fehlte auch uns die übergreifende Transparenz in Teilschritten im Gesamtprozess der Patientenbehandlung, um detailliert Engpässe zu identifizieren, die letztlich zu höherem Ressourcenaufwand, Wartezeiten und einer längeren Verweildauer für Patientinnen und Patienten führen“, berichtet Krankenhaus-Geschäftsführerin Dr. Fuchs. „Dazu kamen gesetzliche Anforderungen an das Entlassmanagement, die wir mit einer besseren Prozesssteuerung verbinden wollten. Deshalb haben wir das Potsdamer Unternehmen Visality beauftragt, das von ihm über mehrere Jahre entwickelte Healthcare Control Center speziell auf das Entlassmanagement des Krankenhauses Lübbecke-Rahden anzupassen.“ In Kooperation mit dem Klinikteam wurde diese spezifische Ausprägung des HCC-Tools im Klinikum erfolgreich implementiert – übrigens unter Mitwirkung von Benjamin Heyse, Gewinner des med.Logistica-Nachwuchspreises Thesis-Award 2017.
Das HCC ist dabei die krankenhausspezifische Weiterentwicklung eines Hub Control Centers für die Steuerung aller Prozesse auf Flughäfen, vom Betanken über den Gepäcktransport bis zur Passagierstromsteuerung. Dieses wird laut Visality bereits seit mehr als zehn Jahren unter anderem auf dem Flughafen Frankfurt/Main von Lufthansa und Fraport eingesetzt. „Ähnlich wie im Gesundheitswesen hängt Termintreue in der Luftfahrt vom zeitlich abgestimmten Teamwork ab. Ohne perfektes Zusammenspiel der gesamten Luft- und Bodencrew kann der Pilot nicht pünktlich starten – wobei eine Minute Flugzeugverspätung zirka 600 bis 1.000 Euro kostet“, erläutert Visality-Geschäftsführer Dr. Emmermann.
„Im Krankenhaus sind alle Bereiche und Berufsgruppen ähnlich stark miteinander vernetzt. Wird zum Beispiel der Sozialdienst nicht rechtzeitig informiert und leitet die Weiterbetreuung des Patienten dadurch verspätet ein, kann dieser nicht pünktlich entlassen und das Bett nicht neu belegt werden. Da kann der Chirurg noch so gut und pünktlich gearbeitet haben, mit diesem zu spät entlassenen Patienten wird das Krankenhaus tendenziell kein Geld verdienen. Darum müssen sich alle Prozesspartner im Krankenhaus als gleichberechtigt und gleichermaßen wichtig für die Erreichung einer optimalen Termintreue begreifen“, legt Dr. Emmermann dar.
Optimierte Prozesse: Meilensteine entlang der Patientenwertschöpfungskette definieren
„Vor rund anderthalb Jahren sind wir gestartet, seit September 2018 läuft das System im Live-Betrieb an unserem Standort in Lübbecke. Der Leipziger Preis für Krankenhauslogistik zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nicht zuletzt beweist er, dass auch ein Kreiskrankenhaus der Grund- und Regelversorgung Innovationen gestalten kann“, betont Dr. Christine Fuchs. Das Krankenhaus Lübbecke-Rahden, Teil des kommunalen Krankenhausverbunds Mühlenkreiskliniken, hat zwei Standorte: Es betreibt in Lübbecke ein Krankenhaus mit 459 Betten, das mehr als 14.700 Patienten stationär und über 28.000 ambulant betreut, sowie in Rahden ein Haus mit 78 Betten.
„Mithilfe des HCC-Tools von Visality werden alle für ein optimales Entlassmanagement nötigen Informationen systematisch zusammengezogen – beginnend mit der Einweisung und der Patientenaufnahme sowie der ersten Arbeitsdiagnose bis zur nachstationären Versorgung“, erörtert Dr. Marco Emmermann. „Dabei wird der Prozess vom Ende her gedacht. Der Termin der geplanten Entlassung ist der relevante Treiber, nach dem sich alles ausrichtet. Hierfür sind Meilensteine zu definieren: Welche Bereiche entlang des Behandlungspfads muss der Patient wann durchlaufen bzw. welche Arbeitsschritte sind bis zu welchem Termin abzuschließen, damit eine Entlassung zum vorgesehenen Tag inklusive aller Unterlagen wie dem Arztbrief gewährleistet ist?“
Bis zum Vorliegen einer Arbeitsdiagnose habe es oft bis zu drei Tage gedauert. „Ziel ist jetzt das Ende des ersten Tages“, hebt Dr. Fuchs hervor. „Denn die Arbeitsdiagnose weist die Richtung, ob ein Entlassmanagement mit Einschalten des Sozialdienstes, der Organisation von häuslicher Unterstützung wie zum Beispiel Hilfsmitteln, Pflegebett, ambulanter Pflege nach der Entlassung nötig wird. Wenn damit erst nach drei Tagen losgelegt werden kann, aber der Patient im Durchschnitt nur fünf Tage im Krankenhaus bleiben soll, ist die Gefahr einer Verzögerung groß“, unterstreicht sie.
Alle Berufsgruppen einbezogen – positive Ergebnisse erzielt
„Sieben Fallmanager arbeiten mit dem System. Sie nehmen an der interdisziplinären Teambesprechung teil, vergeben für jeden Meilenstein Zeitstempel und verfolgen, ob die nötigen Aktivitäten im Sinne der Patienten erfüllt werden. Verzögert sich ein Termin oder fehlt ein Dokument, wird dieser Engpass sofort im HCC-Tool in der Teambesprechungsmaske angezeigt. Die Gründe werden mit den beteiligten Berufsgruppen besprochen – und der Workflow wird entsprechend nachjustiert“, schildert Dr. Fuchs aus dem Krankenhausalltag. Dies intensiviere und verbessere die interprofessionelle Kommunikation und Zusammenarbeit.
„Bereits in der Planung waren die verschiedenen Berufsgruppen in der 15-köpfigen Projektgruppe beteiligt, denn ohne Akzeptanz der Nutzer funktioniert ein solcher Organisationswandel nicht. Die Abteilungen haben ihre Ziele selbst festgelegt“, so Dr. Fuchs. „Transparenz herrscht jetzt nicht nur auf Geschäftsführer-, sondern genauso auch auf Detailebene, auf allen Stationen und bei der Belegschaft. Das weckt mehr Verständnis für den kompletten Ablauf und den Ehrgeiz, besser zu werden“, freut sie sich. Zeitaufwändiger als vorgesehen sei allerdings die technische Realisierung gewesen – hier habe man die hauseigene IT-Abteilung stärker einbeziehen müssen als zunächst gedacht.
Erste Nutzenmessungen auf den Stationen Allgemein- und Unfallchirurgie des Krankenhauses Lübbecke machten schon Erfolge sichtbar: So habe sich unter anderem die Verweildauer der durch das HCC-Entlassmanagement gesteuerten Patienten ohne Veränderung des Leistungsspektrums im Durchschnitt um einen Tag verkürzt, beobachtet Dr. Fuchs. „Die Pflegeanamnese ist nach kurzer Zeit des HCC-Einsatzes bereits zu 85 Prozent und die Einbindung des Sozialdienstes zu 79 Prozent pünktlich gewesen. Außerdem lagen die Arbeitsdiagnosen bereits zu 70 Prozent rechtzeitig am ersten Tag vor.“ Das habe für alle Kennzahlen eine Verbesserung von 15 bis 30 Prozent innerhalb weniger Monate nach Einsatzbeginn des HCC-Tools von Visality bedeutet. Zudem konnten die Patientinnen und Patienten während ihres gesamten Aufenthalts besser über den Verlauf und die Termine ihrer Behandlung informiert werden, was deren Zufriedenheit deutlich steigere.
„Zu guter Letzt wirkt sich die durch Prozessmanagement gewonnene Termintreue positiv auf die medizinische Qualität und das Budget aus“, ergänzt Dr. Emmermann. „Durch den Leipziger Preis für Krankenhauslogistik und die auf der med.Logistica gezeigten Optimierungslösungen gewinnt die prozessuale Termintreue als gleichberechtigtes Ziel neben der medizinischen Qualität und der Budgeteinhaltung klar an Bedeutung. Nicht zuletzt wird die Logistik dadurch aus dem Keller – wo sie in etlichen Häusern im wahrsten Sinn des Wortes ihr Domizil hat – nach oben in die Chefetage geholt. Noch regieren in vielen Kliniken die Improvisation und der Kampf gegen das tägliche Chaos. Deshalb haben sich schon viele Krankenhäuser auf den langen Weg zur Digitalisierung ihrer Prozesse bis hin zu einem Krankenhaus 4.0 gemacht. Dies wird aber nur durch eine fundierte Prozessanalyse und innovatives Prozessdesign in Verbindung mit einem leistungsfähigen Prozessplanungs- und -steuerungstool gelingen. Das von Visality entwickelte Healthcare-Control-Center-System kann hierfür einen signifikanten positiven Beitrag leisten“, resümiert er.
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