Lungenfibrose nach COVID-19 trotz dafür untypischem Krankheitsverlauf
08.04.2022 - Anhaltende Atemprobleme nach einer COVID-19-Erkrankung können ein Hinweis auf eine Lungenfibrose sein, auch wenn der Krankheitsverlauf dafür keine Anzeichen gab.
Pneumologen und Thoraxchirurgen des Universitätsspitals Zürich haben eine neue Form von Lungenfibrose bei COVID-19 als erste beschrieben und empfehlen, andauernde Atembeschwerden abzuklären.
Seit dem ersten Auftreten von COVID-19 gehört ein akutes Lungenversagen mitunter schon wenige Tage nach den ersten Symptomen zu den bekannten und schwerwiegendsten Komplikationen bei einem schweren Krankheitsverlauf. Um zu überleben, benötigen diese Patienten intensivmedizinische Behandlung und müssen beatmet werden, bei vielen ist der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine nötig.
Ursache des akuten Lungenversagens ist in vielen Fällen eine Lungenfibrose, also überflüssiges Bindegewebe, das sich häufig infolge einer viralen Infektion zwischen den Lungenbläschen und rund um die Blutgefäße bildet. Diese Veränderungen beeinträchtigen den Gasaustausch und den Kreislauf in der Lunge. Sichtbar werden diese Veränderungen im Röntgenbild oder in einer Computertomographie (CT) als glasige, wabenartige Verschattungen in den Lungen. Die Schäden im Lungengewebe können sich bei den Patienten langfristig zurückbilden, bei vielen entwickelt sich daraus aber eine fortschreitende Lungenfibrose: Die Gewebeverdichtung nimmt zu und die Lungenkapazität schwindet, bis nur noch eine Transplantation den Patienten retten kann. Früh erkannt, kann eine Lungenfibrose jedoch in einigen Fällen medikamentös verlangsamt oder sogar zum Stillstand gebracht werden.
Die übersehene Lungenfibrose
Im Verlauf der COVID-19-Pandemie beobachteten Ärzte am USZ nun bei COVID-19-Patienten eine neue Form von Lungenfibrose, die sie post-COVID pulmonary fibrosis (PCPF) nannten. Festgestellt wurde sie bei Patienten, die aufgrund von COVID-19 zwar hospitalisiert wurden, aber nicht immer so schwer erkrankten, dass sie beatmet werden mussten oder ein Lungenversagen erlitten – zwei bekannte Risiken für die Entwicklung einer Lungenfibrose. Diese Patienten zeigten dennoch größere Einbußen bei der Atemleistung als die schwersterkrankten Patienten und bei der Laboruntersuchung unter anderem höhere CRP-Werte, ein Indikator für Entzündungen. Auch bei diesen Patienten wurden im Röntgen- und im CT-Bild Gewebeveränderungen sichtbar. Auffallend war jedoch, dass eine Wabenstruktur zwischen den Verschattungen nicht oder kaum mehr erkennbar war: für Pneumologen ein Hinweis darauf, dass eine Lungenfibrose mit einer bereits irreversiblen Schädigung des Lungengewebes vorliegt.
Untypischer Krankheitsverlauf für Lungenfibrose
Für die behandelnden Ärzte war dies ein überraschendes Bild: „Die Patienten, bei denen wir diese Lungenfibrose feststellten, zeigten damit eine für ihren Krankheitsverlauf untypische, aber schwerwiegende Folgeerkrankung“, so René Hage, Lungenspezialist in der Klinik für Pneumologie. Die Gewebeveränderungen zeigten sich zudem erst vier bis zwölf Wochen nach der Infektion mit SARS-CoV-2, ein Zeitraum, in dem sie typischerweise nicht mehr auftreten und deshalb auch nicht vermutet werden. „Damit diese Gewebeveränderungen und möglicherweise eine Lungenfibrose frühzeitig erkannt werden, sollten COVID-19-Patienten, die nach einigen Wochen noch immer eine Einschränkung ihrer Atemtätigkeit haben und keine Verbesserung verspüren, deshalb sorgfältig mit Lungentests überwacht und fallweise mit einer Computertomographie der Lunge abgeklärt werden“, so Hage.
Ihre Beobachtungen und eine erste Übersicht zu den beiden Patientengruppen hat ein Ärzteteam der Klinik für Pneumologie und der Klinik für Thoraxchirurgie des Universitätsspitals Zürich in den Annals of Medicine publiziert, auch wenn die Beschreibung dieser neuartigen Lungenfibrose noch nicht abgeschlossen ist. „Wir müssen den Zusammenhang mit SARS-CoV-2 noch genauer verstehen und untersuchen, ob die Behandlung in der akuten Krankheitsphase einen Einfluss auf die Entwicklung dieser Fibrosen hat“, so Hage. „Zudem laufen schon Studien dazu, welche der verfügbaren fibrosehemmenden Medikamente bei dieser Form am wirksamsten sind.“