Massiver Einbruch bei Antibiotika-Verordnungen durch Corona-Pandemie
01.03.2022 - Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im März 2020 hat auch in Deutschland zu deutlichen Veränderungen der Krankheitslast und somit der Verordnungen von Arzneimitteln geführt.
Besonders prägnant ist das anhand der Verordnungszahlen von Antibiotika zu erkennen. Diese sind im 2. Quartal 2020 auf einen historischen Tiefstand gesunken. Seitdem bewegen sich die Zahlen auf einem signifikant niedrigeren Niveau als in den Jahren zuvor – vor allem in den Herbst- und Wintermonaten, in denen therapiebedürftige Atemwegserkrankungen verstärkt auftreten. Dies hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) auf Basis der Arzneimittelverordnungsdaten für den Zeitraum Januar 2016 bis Mai 2021 aktuell analysiert. Wurden im Jahr 2019 noch 29,5 Millionen Verordnungen ausgegeben, waren es 2020 nur noch 21,8 Millionen. Und das obwohl niedergelassene Haus- und Fachärzte in Deutschland im internationalen Vergleich Antibiotika bereits vor der Corona-Pandemie überaus moderat verordnet haben.
Die Vermutung, dass eine Abnahme der Verordnungshäufigkeit vor allem auf Schul- und Kitaschließungen zurückzuführen wäre, kann nicht ohne weiteres bestätigt werden, da die Verordnungsrückgänge in allen Altersgruppen auftreten. Allerdings sind die prozentualen Veränderungen bei Kindern und Jugendlichen besonders deutlich, was auf einen zusätzlichen Effekt durch diese Maßnahmen hinweist. Bei den 0- bis 6-Jährigen haben sich die Verordnungszahlen im Vergleich zu 2019 fast halbiert (-44 Prozent). Mit einem Absinken um 35 Prozent ist der Effekt bei den 7- bis 18-Jährigen zwar etwas geringer, aber dennoch sehr deutlich. Absolut betrachtet ist der Effekt hingegen bei den 18- bis 65-Jährigen – nicht zuletzt auf Grund der Größe dieser Patienten-Gruppe – am höchsten. Hier wurden 2020 rund 4,5 Millionen Verordnungen weniger (-26 Prozent) ausgegeben als in 2019. Dies korrespondiert natürlich auch mit den pandemiebedingten Infektionsschutzmaßnahmen seit dem Frühjahr 2020, die zu weniger Atemwegsinfektionen und Arbeitsunfähigkeitsfällen auf Grund von Infektionskrankheiten (z. B. TK-Gesundheitsreport 2021: -22 Prozent) geführt haben. Dies allein erklärt aber nicht den überproportional starken Rückgang der Verordnungen in dieser Altersgruppe.
„Denkbar ist vielmehr auch, dass sich der Umgang mit Atemwegsinfektionen grundsätzlich verändert hat. Trotz Krankheitssymptomen am Arbeitsplatz zu erscheinen, obwohl eine Krankmeldung angezeigt wäre, ist im Zuge der Pandemie auf Grund des allgemeinen Infektionsrisikos deutlich kritischer bewertet worden als zuvor. Damit sinkt auch der empfundene oder tatsächliche Druck auf Beschäftigte, krank anwesend zu sein und dies im Notfall auch durch die Einnahme von Arzneimitteln wie Antibiotika sicherzustellen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
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