Labor & Diagnostik

Mehr als die Summe der Teile

23.08.2024 - Bestimmte Veränderungen im Erbgut von Krankheitserregern können deren Fähigkeit menschliche Zellen zu infizieren verändern. Twincore-Forschende zeigen die Rolle epistatischer Interaktion bei der Omicron-Variante des SARS-CoV-2-Virus.

Den Effekt der Erbgutveränderung konnten Forschende besonders eindrucksvoll beim Coronavirus SARS-CoV-2 beobachten. Während der Coronapandemie hat interdisziplinäres Team am Twincore, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover, das Zusammenspiel von Mutationspaaren, die mehrere dieser Veränderungen der Infektiosität und der Immunabwehr ausgelöst haben könnten.

Mutationen im Genom von Viren oder Bakterien treten bei jeder Vervielfältigung des Erbguts auf und haben nur selten einen positiven Effekt. Wenn doch, dann verleihen sie dem Erreger neue Eigenschaften. Ein Beispiel dafür sind „Escape-Mutationen“, die es einem Virus ermöglichen, sich der Abwehr durch das Immunsystem des Wirtsorganismus zu entziehen. Andere Mutationen können die Infektiosität erhöhen. Wenn mehrere solcher Mutationen gleichzeitig auftreten, ist ihre kombinierte Wirkung in der Regel nur die Summe der Wirkungen der einzelnen Mutationen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall.

„Dieses Phänomen, bei dem die Mutationspaare synergistisch wirken, wird als epistatische Interaktion bezeichnet“, sagt Prof. Marco Galardini, Leiter der RESIST-Forschungsgruppe „Systembiologie mikrobieller Gemeinschaften“ am Institut für Molekulare Bakteriologie des Twincore. Der Bioinformatiker leitet das Projekt, an dem auch Forscher aus anderen Abteilungen des Twincore sowie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig beteiligt sind.

Vorhersage einer epistatischen Interaktion

„Bei der Omicron-Variante von SARS-CoV-2 wurden sowohl Escape-Mutationen als auch eine erhöhte Infektiosität beobachtet“, sagt Galardini. „Epistatische Interaktion kann es Erregern ermöglichen, günstige Eigenschaften zu erwerben, obwohl die einzelnen Mutationen schädlich sind.“ Diesem ungewöhnlichen Befund wollte Galardinis Team genauer auf den Grund gehen. Den größten Teil der bioinformatischen Arbeit leistete Gabriel Innocenti, der 2022 als Gastforscher im Labor war und jetzt als Doktorand an der Medizinischen Universität Wien arbeitet.

Dabei kam den Forschenden zugute, dass für keinen anderen Erreger so viele Sequenzdaten vorliegen wie für das Coronavirus SARS-CoV-2. „Wir konnten mit 15 Millionen Datensätzen arbeiten, die während der Pandemie weltweit gesammelt wurden“, sagt Galardini. „Uns hat vor allem interessiert, wie früh dieser Effekt erkannt werden kann oder ob er sogar anhand der Genomsequenzen vorhergesagt werden kann“, ergänzt Innocenti. In ihren Computersimulationen konnten die Wissenschaftler die Vorhersage einer bekannten epistatischen Interaktion mit nur sieben Genomsequenzen nachweisen.

In Laborexperimenten konnte das Forscherteam dann nachweisen, dass die Viren tatsächlich die im Modell vorhergesagten Wechselwirkungen eingehen. Dabei arbeiteten sie mit Partnern aus dem Exzellenzcluster RESIST zusammen. „Die Viren verhalten sich in infizierten Zellkulturen genau gleich“, sagt Maureen Obara, Doktorandin am Institut für Experimentelle Infektionsforschung des Twincore. „Wir konnten die Simulationen von Marcos Team mit unseren Experimenten bestätigen."

Galardini erforscht vor allem die genetischen Eigenschaften von Bakterien, beispielsweise wie Salmonellen gegen Antibiotika resistent werden. „Allerdings gibt es nur eine Million Sequenzdatensätze für Salmonellen, was sicherlich eine sehr große Zahl ist“, sagt er. „Aber die enorme Anzahl von Coronavirus-Sequenzen hat uns ein ganz neues Forschungsfeld eröffnet.

In Zukunft will er sein Modell auch auf Bakterien anwenden. Sequenzdaten aus der Klinik könnten dann daraufhin untersucht werden, ob epistatische Wechselwirkungen dazu beitragen können, dass bestimmte Antibiotika nicht mehr wirken. „Wir wollen ein Warnsystem für die Klinik entwickeln“, sagt Galardini. Dabei kann er auch auf die Expertise der anderen Forschungsgruppen des interdisziplinären RESIST-Netzwerks zurückgreifen.

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