Mit Strom gegen Depression
11.07.2023 - Forschungskonsortium veröffentlicht Whitepaper mit Handlungsempfehlungen für nicht-invasive Hirnstimulation.
Das „Center for Responsible Research and Innovation (CeRRi)“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat in Kooperation mit der University of Ottawa, dem Hospital Nacional de Paraplejicos und dem Universitätsklinikum Göttingen Handlungsempfehlungen für die Entwicklung und Implementierung technologischer Lösungen für die Therapie psychischer Erkrankungen erarbeitet.
Die Corona-Pandemie hat zu einer Zunahme psychischer Erkrankungen geführt. Dadurch entstehen Engpässe im Behandlungssystem. Wartezeiten für psychotherapeutische Behandlungen werden noch länger. Psychopharmaka sind zudem stark von funktionierenden globalen Lieferketten abhängig. Umso wichtiger ist es, alternative Lösungswege für eine Stärkung der mentalen Gesundheit zu finden.
Medizinische Innovation: Nicht-invasive Hirnstimulation in der EU
Nicht-invasive Hirnstimulation kann ein wichtiges Element sein, um psychische Erkrankungen künftig wirksam zu behandeln. Die Anwendung nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden, die mit elektrischer oder magnetischer Energie die Hirnaktivität beeinflussen können, hat sich als wirksam erwiesen, um diverse psychische und neurologische Erkrankungen zu behandeln und hat so das Potenzial, die Behandlungslandschaft für psychische Erkrankungen zu revolutionieren. Um dieses Potenzial zu nutzen, ist es essenziell, die unterschiedlichen Perspektiven aller Beteiligten auf die Technologien zu kennen und in diesbezügliche zukünftige Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Das „Center for Responsible Research and Innovation (CeRRi)“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat deshalb mit internationalen Partnern Empfehlungen zum Umgang mit nicht-invasiven Hirnstimulationen erarbeitet, die nun in einem Whitepaper veröffentlicht wurden. Das gemeinsam erarbeitete Whitepaper „STIMCODE. Participative developed recommendations for non-invasive brain stimulation in the European Union“ kann als eine Art Fahrplan verstanden werden, wie die Zukunft der nicht-invasiven Hirnstimulation gestaltet werden sollte. Ausgangspunkt für diese Empfehlungen sind die Bedarfe und Befürchtungen unterschiedlicher Stakeholdergruppen, die sich unter Leitung des Forschungsteams des Fraunhofer IAO in interdisziplinären Workshops ausgetauscht und zusammengearbeitet haben: Patientinnen und Patienten, Studierende der Medizin, Psychologie und Neurowissenschaften, Behandlerinnen und Behandler, Personen, welche die Technologie in der eigenen Wohnung privat anwenden, Vertreterinnen und Vertreter aus der Industrie, Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Neurophilosophie und dem Bereich Regulation und Recht im Bereich des Gesundheitswesens.
„Im partizipativen Prozess kamen viele Dinge zur Sprache, die sonst häufig übersehen werden wie z. B. die Ergonomie eines Behandlungssettings oder der mangelnde Zugang zu seriösen Informationen“, erklärt Dr. Moritz Julian Maier, Projektleiter im CeRRi des Fraunhofer IAO. Er verweist auf die Notwendigkeit, den wissenschaftlichen Diskurs mit den Erfahrungen der betroffenen Personen abzugleichen. Der zentrale Wunsch vieler Patientinnen und Patienten war eine sichere und unkomplizierte Möglichkeit zur ambulanten Nutzung nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden steigern.
Partizipative Forschung als Anstoß für politische Veränderung
„Um mehr und schneller Innovationen im Bereich der nicht-invasiven Hirnstimulation hervorzubringen, müssen neuartige Kooperationsformen zwischen Wissenschaft und Industrie gezielt gefördert und ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der den Akteuren Sicherheit für ihre Forschung gibt“, fordert Prof. Katharina Hölzle, Institutsleiterin des Fraunhofer IAO. Dafür sind auch länderübergreifend einheitliche Gesetzesregelungen essenziell. Der Weg dafür ist dank der Arbeit des Gremiums mit internationalen Expertinnen und Experten, die gemeinsam die Handlungsempfehlungen intensiv diskutiert und zusammengetragen haben, bereitet. Nun ist es an den politischen Akteuren, Gesundheitsbehörden und Forschungsförderern, nachzuziehen und die Rahmenbedingungen für eine zukünftig stärkere Nutzung nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden zur Krankheitsbehandlung zu schaffen.
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