Mögliche neue Therapie-Option bei Magenkrebs
29.09.2022 - Die Laborforschung an dreidimensionalen Zell-Modellen zeigt mögliche neue Therapie-Option bei Magenkrebs.
Patienten mit Magenkrebs, deren Tumor eine erhöhte Aktivierung des MAPK-Signalwegs aufweist, könnten künftig von einer neuartigen Therapie mit zielgerichteten Wirkstoffen profitieren.
Dies konnte ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, des Spanish National Cancer Research Centre (CNIO), des Universitätsklinikums Düsseldorf und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) in Laborexperimenten zeigen.
Die Wirksamkeit der bislang nicht zur Behandlung von Magenkrebs eingesetzten Medikamente war an aus tierischen Zellen gewonnenen 3D-Zellmodellen mit klar definierten genetischen Eigenschaften ebenso nachweisbar wie an Modellen, die aus patienteneigenen Zellen gewonnen wurden.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Magenkrebs ist weltweit die fünfthäufigste Krebserkrankung und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Da zunächst kaum Symptome auftreten, wird die Erkrankung oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die Behandlung erfolgt bei lokal begrenztem Magenkrebs in der Regel mittels Operation und begleitender Chemotherapie, im Falle von Fernmetastasen mittels alleiniger medikamentöser Therapie. Zielgerichtete Therapien, die an bestimmten genetischen Veränderungen des Tumors ansetzen, sind aufgrund der großen Bandbreite an möglichen Veränderungen im Tumorerbgut bisher kaum im Einsatz.
Ein internationales Forscherteam konnte nun in Laborexperimenten zeigen, dass Magentumore mit einer Aktivierung des MAPK-Signalwegs besonders gut auf zielgerichtete Wirkstoffe aus der Klasse der HDAC-Inhibitoren ansprechen. Eine Behandlung mit diesen Medikamenten, die bislang nicht zur Behandlung von Magenkrebs eingesetzt werden, könnte künftig die Therapiemöglichkeiten für Patientinnen und Patienten verbessern, deren Tumoren eine Veränderung des MAPK-Signalwegs aufweisen.
Der MAPK (Mitogen-activated protein-Kinasen)-Signalweg ist einer der am häufigsten überaktivierten Signalwege bei Magenkrebs, was zu einer vermehrten Teilung der Tumorzellen führt. Prof. Daniel Stange, Oberarzt und Forschungsgruppenleiter an der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie (VTG) des Dresdner Uniklinikums, erläutert: „Der MAPK-Signalweg ist bei etwa 40 Prozent der Magenkrebspatienten dereguliert. Sollten die Ergebnisse der bisherigen translationalen Forschung sich in der Klinik bestätigen, könnten die aufgezeigten Wirkstoffe künftig zu einem erhöhten Therapieansprechen und einer verbesserten Kontrolle der Erkrankung im Vergleich zu bisherigen Standardtherapien führen.“
Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden, betont: „Krebs ist eine sehr individuelle Erkrankung. Deshalb sind Fortschritte in der personalisierten Onkologie so wichtig, bei der die Behandlung möglichst passgenau auf die biologischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors zugeschnitten wird.“
Für ihre Untersuchung nutzten die Forschenden dreidimensionale Zellkultursysteme – so genannte Organoide – aus tierischen Magenzellen und patienteneigenen Tumorzellen. Um die Interpretation der Ergebnisse zu erleichtern, wiesen die tierischen Organoide klar definierte Mutationen auf und spiegelten Veränderungen in wichtigen Zell-Signalwegen wider, die für verschiedene Unterformen von Magenkrebs typisch sind (gemäß Cancer Genome Atlas). An diesen Zellmodellen testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirkungsweise von 196 unterschiedlichen Substanzen.
Dabei zeigte ein Organoid-Modell, bei dem der MAPK-Signalweg durch eine gezielte Mutation im KRAS-Gen überaktiviert war, ein deutlich erhöhtes Ansprechen auf HDAC-Inhibitoren. Diese Medikamentengruppe kann die in Krebszellen häufige Fehlregulierung einer Enzymfamilie – der so genannten Histon-Deacetylasen (HDAC) – beeinflussen und so Tumorzellen in ihrem Wachstum beeinträchtigen.
Um zu überprüfen, ob diese Empfindlichkeit für HDAC-Inhibitoren auch auf menschliche Tumoren zutrifft, weiteten die Forschenden die Analyse auf 13 genetisch heterogenere Patienten-abgeleitete Organoide aus, die aus menschlichen Magenkrebszellen gezüchtet wurden. Sieben von ihnen wiesen eine Aktivierung des MAPK-Signalwegs auf. Sechs von sieben MAPK-aktivierten Organoiden reagierten empfindlich auf HDAC-Inhibitoren, während fünf von sechs Tumor-Organoiden ohne aktivierten MAPK-Signalweg eine weitgehende Resistenz gegenüber HDAC-Inhibitoren aufwiesen.
Zusätzlich zu der Empfindlichkeit gegenüber HDAC-Inhibitoren zeigten sowohl die tierischen wie auch patientenabgeleiteten Organoide mit überaktiviertem MAPK-Signalweg ein erhöhtes Ansprechen auf einen weiteren Wirkstoff – den MEK-Inhibitor Trametinib. Trametinib setzt direkt im MAPK-Signalweg an und hemmt eine für die Signalweitergabe wichtige Proteinkinase (MEK).
Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für VTG-Chirurgie des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im Geschäftsführenden Direktorium des NCT/UCC, erklärt: „Für einen möglichen klinischen Einsatz erscheint eine kombinierte Therapie mit beiden Wirkstoffen besonders vielversprechend. Denn Kombinationstherapien sind weniger anfällig für Resistenzen. Außerdem lässt sich die Dosierung verschiedener Wirkstoffe in Kombinationstherapien im Vergleich zu Einzelsubstanztherapien häufig verringern, bei gleicher Wirksamkeit. Die Behandlung für den Patienten ist dann oft mit weniger Nebenwirkungen verbunden.“
Künftig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitere Fragen zum Wirkmechanismus und zur Medikamentenauswahl im Labor klären. „Während die Wirkungsweise von Trametinib bei aktiviertem MAPK-Signalweg klar ist, ist der Zusammenhang zwischen der Aktivierung dieses Signalwegs und der erhöhten Wirksamkeit von HDAC-Inhibitoren bislang nicht ausreichend verstanden. Eines unserer nächsten Forschungsvorhaben wird darin bestehen, diesen Zusammenhang genauer aufzuklären“, sagt Dr. Therese Seidlitz, Co-Erstautorin und Wissenschaftlerin an der VTG-Klinik des Dresdner Uniklinikums. „Darüber hinaus wollen wir noch besser verstehen, wieso verschiedene HDAC-Wirkstoffe bei verschiedenen dieser Patienten-abgeleiteten Tumororganoide unterschiedlich erfolgreich zu sein scheinen. Wenn diese Fragen geklärt sind, könnten HDAC-Inhibitoren im Rahmen von klinischen Studien Patientinnen und Patienten zugutekommen“, ergänzt Co-Erstautor Tim Schmäche, ebenfalls Wissenschaftler an der VTG-Klinik des Dresdner Uniklinikums.
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