Aus den Kliniken

Neue Erkenntnisse zu genetischen Ursachen der Parkinson-Erkrankung

16.01.2024 - Ein Wissenschaftler-Team um Prof. Rita Bernhardt von der Universität des Saarlandes arbeitet seit 2020 daran, die Entstehung von Parkinson besser zu erforschen und daraus Ansätze für neue, ursächliche Therapien abzuleiten.

In ihrer aktuellen Arbeit zeigen die Wissenschaftler, dass bei genetisch vorbelasteten Parkinson-Patienten erst zusätzliche Änderungen in Cytochrom P450-Genen zur Ausprägung der Erkrankung führen. Diese Gene sind für die Produktion von Enzymen zuständig, die wichtige Stoffwechselprozesse im Körper steuern. Die Forschungen wurden durch die Dr. Rolf Schwiete Stiftung finanziell gefördert.

Die Parkinson-Erkrankung ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit etwa zehn Millionen Menschen betroffen sind. Forschergruppen auf der ganzen Welt arbeiten intensiv daran, die Entstehung und das Voranschreiten der Erkrankung besser zu verstehen und daraus neue Behandlungsmethoden abzuleiten.

Dieses Ziel verfolgen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Saarbrücker Biochemikerin Prof. Rita Bernhardt und den Neurologen Prof. Marcus Unger (früher Neurologie am Universitätsklinikum in Homburg, UKS; jetzt Chefarzt an den SHG Kliniken Sonnenberg in Saarbrücken) sowie Gudrun Wagenpfeil (Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Medizinische Informatik, UKS). Ihre Forschungsstudie zu den Ursachen der Parkinson-Erkrankung, die 2020 als Pilotprojekt gestartet ist, wurde bis Ende 2023 von der Dr. Rolf Schwiete Stiftung finanziell gefördert. Der Ansatz der Wissenschaftler unterscheidet sich von den Forschungen anderer Labore und Kliniken dadurch, dass erstmals die Rolle einer großen Eiweißgruppe – und zwar der sogenannten Cytochrom P450-Proteine – betrachtet wird, die sehr verschiedene Reaktionen im Stoffwechsel reguliert. Es wird untersucht, wie Änderungen in den zugrundeliegenden Genen die Entstehung und Ausprägung der Parkinson-Erkrankung beeinflussen.

„Bekannt ist, dass durchschnittlich rund 15 Prozent aller Parkinson-Patienten genetisch vorbelastet sind – bei jungen Parkinson-Patienten sind es sogar bis zu 25 Prozent“, sagt Rita Bernhardt und erläutert: „Patienten mit genetischer Vorbelastung haben Änderungen in einem oder in mehreren von etwa 20 sogenannten ‚Parkinson- Genen‘. Manche Personen mit der gleichen genetischen Vorbelastung erkranken jedoch nicht, und der Grund hierfür ist völlig ungeklärt.“

Dieser Frage gingen die Wissenschaftler in ihrer jüngsten, im August erschienenen, Publikation nach: Mithilfe von frei zugänglichen Daten der Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) nahmen sie die Biodaten der Personen mit genetischer Prädisposition genauer unter die Lupe und richteten ihren Fokus dabei insbesondere auf eine großen Genfamilie: die Cytochrome P450. Diese umfasst 57 Gene, die im Menschen für die Produktion und Funktion von Enzymen zuständig sind, welche wichtige Stoffwechselprozesse im Körper steuern. Die besondere Rolle der Cytochrom P450-Gene für die Entstehung der Parkinson-Erkrankung hatten die Wissenschaftler bereits in einer vorherigen Publikation nachgewiesen.

In ihrer aktuellen Arbeit analysierten die Wissenschaftler die oben erwähnten 57 Cytochrom P450-Gene von genetisch vorbelasteten Personen mit und ohne Symptome der Parkinson-Erkrankung. Es zeigte sich, dass in den erkrankten Personen neben der genetischen Vorbelastung Änderungen in verschiedenen P450-Genen bis zu zehnfach überrepräsentiert waren. „Das bedeutet, dass Menschen mit genetischer Vorbelastung krank werden, wenn sie eine zusätzliche Änderung in einem der P450-Gene aufweisen“, erklärt Rita Bernhardt. „Dagegen bleiben Personen mit genetischer Vorbelastung, die keine Mutation in einem der P450-Gene tragen, ohne Symptome.“

Die Familie der P450-Gene spielt bei zahlreichen Stoffwechselwegen im menschlichen Organismus eine herausragende Rolle, unter anderem solche, die in die Biosynthese so genannter Eicosanoide einbezogen sind. Diese wirken als Immunmodulatoren und regulieren damit Entzündungsprozesse im Körper. Weiter identifizierten die Forscher die besondere Bedeutung von P450-Genen, die am Vitamin A- und Vitamin D-Stoffwechsel sowie am Cholesterinabbau im Gehirn beteiligt sind. „Das bedeutet, dass die Ursachen der Erkrankung in diesen Fällen auf vielfältige Kombinationen von Genänderungen zurückzuführen sind, was auch durch die sehr individuellen Ausprägungen des Krankheitsbildes unterstützt wird. Dennoch spielen offenbar definierte Stoffwechselwege – etwa Synthese und Abbau von Immunmodulatoren oder Cholesterin – eine besonders große Rolle“, erläutert Prof. Rita Bernhardt.

Da die Studie die Ursachen der Parkinson-Erkrankung mit definierten Änderungen in ganz bestimmten P450-Genen in Zusammenhang gebracht hat, können nun weitere Forschungen erfolgen, die die genauen Auswirkungen dieser genetischen Veränderungen analysieren. „Experimentell arbeitende Gruppen können auf dieser Basis herausfinden, welchen Einfluss die jeweiligen Änderungen in den untersuchten Genen auf deren Funktion haben. Daraus lassen sich dann Ansatzpunkte für hoffentlich ursächliche Therapien erarbeiten“, sagt Rita Bernhardt. Erste Interessenten und Kooperationspartner für diese weiterführenden Arbeiten haben sich schon gefunden.

Das Forschungsprojekt des Teams um Prof. Rita Bernhardt und Prof. Marcus Unger zu Ursachen und Behandlung der Parkinson-Erkrankung ist 2020 als Pilotprojekt gestartet und wurde bis Ende 2023 durch die Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung, Mannheim, mit insgesamt knapp 300.000 Euro finanziell gefördert.

Die Parkinson's Progression Markers Initiative (PPMI) wurde 2010 von der Michael J. Fox Foundation und einer Kerngruppe von Wissenschaftlern und Industriepartnern ins Leben gerufen, um dringend benötigte biologische Marker für den Ausbruch und das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit zu finden. Seitdem hat PPMI Tausende von Partnern einbezogen und eine Online-Datenerfassung von Patienten initiiert. Die Analyse des frei zugänglichen Datensatzes und der verfügbaren Bibliothek von Bioproben vertieft das Verständnis der Krankheit und ermöglicht die Planung von Dutzenden von therapeutischen Studien.

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