Aus den Kliniken

Neue ESH-Leitlinie: Bei Hochdruckpatientinnen und -patienten muss regelmäßig die Albumin-Kreatinin-Ratio erhoben werden

28.06.2023 - Die Vermeidung von hypertonieassoziierten Folgekrankheiten steht im Zentrum der neuen Bluthochdruckleitlinie der „European Society of Hypertension“ (ESH).

Besonders hervorgehoben wird die Sekundärprävention im Hinblick auf die chronische Nierenkrankheit (CKD). Die Leitlinie empfiehlt, bei Erstdiagnose der Hypertonie die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und – das ist neu – auch die Albuminurie zu erheben. Letztere ermögliche erst eine „echte“ CKD-Früherkennung. Bei Hypertoniepatientinnen und -patienten ohne Nierenschädigungen bei Erstdiagnose sollen die Untersuchungen alle drei Jahre wiederholt werden. Bei jenen, die bei Erstdiagnose Nierenschädigungen aufweisen, engmaschiger.

Die neuen Hypertonie-Leitlinien der „European Society of Hypertension“ (ESH), die „2023 ESH Guidelines for the Management of Arterial Hypertension“, setzen einen Fokus auf die Vermeidung von Folgeschäden der Hypertonie. Empfohlen wird ein umfassendes Screening nach hypertonie-assoziierten Folgeschäden, darunter auch Nierenschäden.

„Wenn man bedenkt, dass Hypertonie nach Diabetes mellitus die häufigste Ursache für eine chronische Nierenkrankheit ist und etwa ein Drittel aller Dialysefälle auf das Konto von Bluthochdruck gehen, wird das Potenzial der Sekundärprävention durch die Früherkennung und rechtzeitige Therapie der Hypertonie deutlich“, erklärt Prof. Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Es ist gut, dass die Leitlinie nun die Erhebung der Nierenparameter fest in das Patienten-Work-up von Menschen mit Hypertonie integriert hat.“

Die neuen Leitlinien empfehlen bei Erstdiagnose der Hypertonie die Erhebung der Nierenfunktion (eGFR nach EPI-CKD-Formel), einen Ultraschall der Nieren sowie die Bestimmung des Albuminverlusts über die Niere im spontanen Morgenurin. Prof. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), zeigt sich besonders erfreut über die Empfehlung zur Urinuntersuchung: „Die Leitlinie hebt hervor, dass die eGFR und die Albumin-Kreatinin-Ratio zwei unabhängige Risikofaktoren sind. Bisher wurde die Erhebung der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin nur vorgenommen, wenn die eGFR bereits eingeschränkt und die Nieren schon geschädigt waren. Eine erhöhte Albuminurie zeigt aber schon frühzeitig und auch unabhängig von der eGFR einen Nierenschaden an und ist somit ein echter Früherkennungsmarker. Die DGfN setzt sich seit Jahren dafür ein, diesen Marker auch in die allgemeinen Check-up-Untersuchungen zu integrieren – bisher vergeblich. Wir werten die aktuelle Leitlinie so, dass sich hier nun endlich ein Paradigmenwechsel abzeichnet.“

Sowohl Prof. Weinmann-Menke als auch Prof. van der Giet betonen aber, dass die Therapie einer beginnenden hypertonieassoziierten, chronischen Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis erfolgen kann. „Oft ist allein die medikamentöse Blutdrucksenkung ausreichend, um das Fortschreiten der Nierenschädigung zu stoppen.“ Eine Überweisung zur Nephrologin/zum Nephrologen ist nach Ansicht beider erst zu empfehlen, wenn die Nierenfunktion unter 60 ml/min/1,73 m2 liegt oder Blut im Urin ist, das nicht durch eine urologische Erkrankung erklärbar ist, nennenswerte Mengen Eiweiß im Urin sind, der Blutdruck auch mit drei Medikamenten nicht zu kontrollieren ist, die Nierenfunktion rasch abnimmt oder ein begründeter Verdacht auf eine spezifische Nierenerkrankung vorliegt (z. B. eine polyzystische Nierenerkrankung).

In den neuen ESH-Leitlinien ist auch ein Kapitel zur Blutdruckeinstellung bei Menschen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD) zu finden. Bei CKD-Patientinnen und -Patienten ohne Albuminurie sollte der Blutdruck in den Bereich 130/70–139/79 mmHg abgesenkt werden. Bei Vorliegen einer Albuminurie über 150 mg/Tag wird eine Senkung auf unter 130/80 mmHg empfohlen.

Bei Hypertoniepatientinnen und -patienten, die bei Erstdiagnose keine hypertonieassoziierten Organschädigungen aufweisen, empfehlen die Leitlinien alle drei Jahre die erneute Durchführung der Screeninguntersuchungen. Bei Patientinnen und Patienten mit vorbestehenden Schädigungen sollte das Screening engmaschiger erfolgen, wobei die Leitlinien keine genauen Zeitangaben machen. „Wir Nephrologinnen und Nephrologen empfehlen bei Hypertoniepatientinnen und -patienten mit leichten Nierenschädigungen die jährliche Erhebung der eGFR und der Albumin-Kreatinin-Ratio. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Zeitfenster für den Einsatz moderner Medikamente wie z. B. SGLT2-Inhibitoren, die den Nierenfunktionsverlust wirksam aufhalten können, nicht verpasst wird. Denn diese Medikamente dürfen initial nur verschrieben werden, wenn die eGFR noch nicht unter 25 ml/min/1,73 m2 liegt“, sagt Prof. van der Giet.

Das abschließende Fazit des Experten lautet: „Die neuen Leitlinien sind im Hinblick auf die Sekundärprävention ein Meilenstein und werden dazu beitragen, dass weniger Menschen infolge ihrer Hypertonie schwer nierenkrank werden und einer Nierenersatztherapie bedürfen.“

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