Labor & Diagnostik

Neue Strategie für COVID-19-Prophylaxe

09.03.2022 - SARS-CoV-2-Viren können sich soweit tarnen, dass sie nicht vom Immunsystem erkannt werden. Der antivirale Immunrezeptor RIG-I lässt sich aber stimulieren, wodurch der Schutz vor tödlichen SARS-CoV-2-Infektionen verbessert wird.

Das haben Forschende um Prof. Dr. Gunther Hartmann vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Uniklinikums Bonn in Zusammenarbeit mit weiteren Mitgliedern des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn an Mäusen gezeigt. Auch die Häufigkeit schwerer Krankheitsverläufe wird deutlich verringert. Die Studie wurde vorab online im Journal „Molecular Therapy - Nucleic Acids“ veröffentlicht und liegt nun in der finalen Fassung vor.

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat einen dringenden Bedarf an antiviralen Medikamenten und Impfstoffen offenbart. Während Impfstoffe nach einem bemerkenswert kurzen Zeitraum vorlagen, ist die Entwicklung direkter antiviraler Behandlungsmöglichkeiten vergleichsweise langsam vorangekommen. Angesichts des Risikos künftiger Pandemien besteht jedoch weiterhin großer Bedarf an Medikamenten und Behandlungsmethoden, die direkt gegen eine Virusinfektion wirken. Darüber hinaus sind neu auftretende SARS-CoV-2-Varianten besorgniserregend, die sich vor dem Immunsystem tarnen. Da sie auch in einer durch Impfung immunisierten Bevölkerung hohe Infektionszahlen verursachen können, sind antivirale Medikamente zur Behandlung von COVID-19 dringend erforderlich.

SARS-CoV-2 gehört zur Gattung der Betacoronaviren. Wie andere Vertreter dieser Gattung ist auch SARS-CoV-2 mit mehreren molekularen Werkzeugen ausgestattet, die dem Erreger ermöglichen, die Erkennung durch das Immunsystem zu umgehen. Das Virus trägt die Information zur Herstellung einer Reihe von Proteinen mit sich, die in der Lage sind, antivirale Erkennungssysteme der infizierten Zelle zu hemmen. Eigentlich kann das Immunsystem virales Erbgut (hier: Ribonukleinsäuren/RNA) identifizieren und Alarm schlagen. Proteine des SARS-CoV-2 können die viralen Ribonukleinsäuren jedoch so verändern, dass sie von körpereigener RNA nicht mehr zu unterscheiden sind.

Tarnung schützt das Virus vor dem Immunsystem

So werden virale RNAs beispielsweise durch das Anknüpfen eines Methylrestes getarnt. Auf diese Weise entgeht die virale RNA der frühzeitigen Erkennung durch den zentralen antiviralen Immunrezeptor RIG-I. Der Rezeptor löst eine sogenannte angeborene Immunantwort aus, bei der antiviral wirkende Proteine, Zell-Signale und Botenstoffe – wie unter anderem Typ-I-Interferon (IFN) – produziert werden.

„Eine robuste, frühe Typ-I-IFN-Produktion ist der Schlüssel zur Beseitigung einer SARS-CoV-2-Infektion. Bleibt sie aus, schreitet die Erkrankung fort und kann einen schweren Verlauf nehmen“, erklärte Prof. Dr. Eva Bartok vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB). Die Doktorandin und Erstautorin Samira Marx fügt hinzu: „Die Aktivierung der angeborenen antiviralen Reaktion, einschließlich der Freisetzung von Typ-I- und Typ-III-IFN, ist außerdem äußerst wichtig für die Entwicklung einer angemessenen antiviralen adaptiven Immunantwort.“ Diese an die Bedrohung angepasste Antwort des Immunsystems erfolgt erst nach wenigen Tagen nach der Infektion und umfasst die Aktivierung weiterer Immunzellen und schließlich die Bildung von Antikörpern.

Der Immunrezeptor RIG-I wurde bereits zuvor als geeignetes Ziel für die prophylaktische Auslösung antiviraler Wirkungen erkannt. So konnte in Mausmodellen gezeigt werden, dass eine prophylaktische Stimulation von RIG-I Mäusen vor einer tödlichen Influenzavirusinfektion schützen kann. „Solche RIG-I stimulierenden RNAs, die virale RNA nachahmen, können chemisch synthetisiert und als Therapeutika eingesetzt werden, um die angeborene Immunantwort gegen zahlreiche Krankheiten einschließlich Krebs und Virusinfektionen zu aktivieren“, sagt Prof. Dr. Martin Schlee vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie. In der vorliegenden Studie haben die Forschenden die Wirkung von synthetischer 5'triphopsphorylierter dsRNA (3pRNA) auf den Verlauf der Infektion mit SARS-CoV-2 in einem Mausmodell untersucht.

Mausmodell bildet menschliche COVID-19-Krankheit nach

Da Mäuse im Allgemeinen nicht für SARS-CoV-2 empfänglich sind, mussten genetisch angepasste Mäuse verwendet werden, die das SARS-CoV2 bindende Protein ACE2 bilden. „Das von uns verwendete Mausmodell bildet wichtige Aspekte der menschlichen COVID-19-Krankheit nach“, sagt Prof. Dr. Hiroki Kato vom Institut für Kardiovaskuläre Immunologie des UKB.

Anhand dieses Modells konnten die Forschenden zeigen, dass eine systemische Anwendung von 3pRNA ein bis sieben Tage vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 den Anteil der tödlichen Infektionen drastisch reduzierte. Eine ähnliche Beobachtung wurde bei der therapeutischen Anwendung von 3pRNA einen Tag nach der Infektion gemacht. „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass die gezielte Beeinflussung von RIG-I, sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch, ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von COVID-19 ist. Vor einer Anwendung an Menschen müssen jedoch noch weitere Studien erfolgen“, fasst Prof. Dr. Gunther Hartmann vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie und Sprecher des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn zusammen.

Beteiligte Institutionen und Finanzierung

Neben dem Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, dem Institut für Virologie, dem Institut für Kardiovaskuläre Immunologie und der Mildred Scheel School of Oncology am Universitätsklinikum Bonn waren das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung und das Institut für Tropenmedizin Antwerpen (Belgien) beteiligt. Die Studie wurde hauptsächlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.

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53113 Bonn

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